Monolithische Leichtgewichte

Martina Metzner
28. Oktober 2020
Rund zehn Jahre Forschung stecken im Infraleichtbeton, die der Lehrstuhl von Prof. Mike Schlaich an der TU Berlin mit diversen Partnern vorangetrieben hat. (Foto: TU Berlin Entwerfen und Konstruieren – Massivbau)

Leichtbeton ist schon seit Jahren ein Thema, das die Baubranche umtreibt, um so ihren massiven Rohstoffverbrauch zu senken und dem Ziel, klimaneutral zu bauen, näherzukommen. Nun hat es eine besondere Entwicklung zur Marktreife gebracht: Mit dem Infraleichtbeton, den Prof. Mike Schlaich von der TU Berlin entwickelt hat, entstehen aktuell Bauten wie der Jugendclub Betonoase in Berlin-Lichtenberg, ein Haus von Florian Nagler Architekten in München als auch ein Wohnhochhaus von Barkow Leibinger in Berlin. Trotz reduzierter Rohdichte sei der Infraleichtbeton nicht nur tragend, sondern auch gleichzeitig wärmedämmend, dadurch sei eine monolithische Bauweise aus nur einem Werkstoff möglich. Das Wort „Infraleichtbeton“ leiten die Entwickler von der lateinischen Begriffsdefinition „infra“ für „unterhalb“ ab, da der Infraleichtbeton unter 800 kg/m³ wiegt, und damit unter der bisherigen Range der Leichtbetone. Erstaunlich: Dieser Beton schwimmt im Wasser. Die Leichtigkeit wird durch Zuschläge wie Blähton oder recyceltes Blähglas erzielt, die den Beton porös machen. Durch die eingeschlossene Luft in der Zementsteinmatrix oder in der Gesteinskörnung wird der Beton automatisch wärmedämmend.

Durch Zuschläge wie Blähton oder recycltes Blähglas wird der Infraleichtbeton porös und wärmedämmend. (Foto: TU Berlin Entwerfen und Konstruieren – Massivbau)

In verschiedenen Phasen haben sich die Forscher der TU Berlin am Fachgebiet Entwerfen und Konstruieren – Massivbau mit Material- und Anwendungseigenschaften wie Herstellung, Verarbeitung und vor allem dem Verhältnis von Druckfestigkeit zu Dichte beschäftigt. 2007 hat Schlaich sein eigenes Haus aus Infraleichtbeton gebaut, was sich bewährt habe. Es stehe auch nach zehn Jahren gut, ohne dass viele Risse entstanden seien und ohne dass es besonders viel Abrieb gäbe. Später entstand unter anderem das „Smart Material House“ von Barkow Leibinger, schlaich bergermann partner und Transsolar. In der dritten Phase ging es um die Dämmeigenschaften, daraus wurden verschiedene Trockenrohdichten unter 800 kg/m³ abgeleitet, die immer noch eine Druckfestigkeitsklasse von LC8/9 erreichen, mit denen man heute, unter anderem bei Heidelberg Cement, arbeitet. Damit liege man immer noch über den Werten von Porenbeton. Um die Wärmedämmstandards der EnEV zu erreichen, müsse man mit 50 bis 60 Zentimeter beim Geschosswohnungsbau planen.

Foto: HeidelbergCement AG/ Michael Voit 

Allerdings muss man für das Bauen mit Infraleichtbeton immer noch eine „Zustimmung im Einzelfall“ erwirken. Die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung wird angestrebt. Einen besonderen Vorteil sehen die Macher in der Recyclingfähigkeit des neuen Werkstoffs, damit sei der Infraleichtbeton im Vergleich zu Wärmeverbundsystemen deutlich im Vorteil. Was zunächst abschrecken dürfte, sind die Kosten: Mit 400 bis 500 Euro pro Kubikmeter ist er mehr als fünfmal so teuer wie herkömmlicher Beton. Rechnet man allerdings die Kosten des WDVS ein, so wird man etwa auf die gleiche Höhe kommen, räumt Schlaich ein.

Aktuell bauen Florian Nagler Architekten in Kooperation mit der TUM in Bad Aiblingen ein Mehrfamilienhaus aus Infraleichtbeton. (Foto: HeidelbergCement AG/ Michael Voit) 
Literaturtipp

Schlaich, Mike (Hrsg.), Leibinger, Regine (Hrsg.), Lösch, Claudia, Rieseberg, Philip: Infraleichtbeton: Handbuch für Entwurf, Konstruktion und Bau. Berlin: Fraunhofer IRB Verlag, 2018

www.sbp.de/news/eroeffnung-der-betonoase-in-berlin
www.gruberpopp.de/projekte/betonoase
www.heidelbergcement.de/de/beton/infraleichtbeton

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