Tournesol in Lingolsheim, FR

Schwimmen in der Sommenblume

Thomas Geuder
9. Dezember 2015
Das Schwimmbad in Lingolsheim wurde 2014 grundsaniert und mit einem Anbau versehen, der der Rotunde einen Rücken gibt. (Bild: Jean Baptiste Dorner)

Projekt: Restaurierung und Erweiterung des Tournesol Schwimmbads (Lingolsheim, FR) | Architektur: urbane kultur architectes (Straßburg, FR) | Bauherr: Communauté Urbaine de Strasbourg (Straßburg, FR) | Hersteller: LG Hausys Europe GmbH (Petit-Lancy, CH), Kompetenz: HI-MACS Alpine White

«1.000 Schwimmbäder» nannte sich im Jahr 1969 in Frankreich ein Programm des Ministeriums für Jugend, Sport und Erholung, das offensichtlich zur allgemeinen körperlichen Ertüchtigung der Franzosen dienen sollte – denn bei den Olympischen Spielen 1968 schnitten die französischen Schwimmer derart schlecht ab, dass der Staat sich zu diesem ermunternden Schritt entschied. In der Folge wurden fünf verschiedene Schwimmbad-Mustertypen entwickelt, von denen schließlich kanpp 700 im ganzen Land verteilt gebaut wurden, zumeist im Jahr 1975, einige dann noch bis in die frühen 1980er-Jahre. Einer der charakteristischsten ist der Typ «Tournesol» (dt. Sonnenblume), der von dem Architekten Bernhard Schoeller entworfen und 183 mal gebaut wurde. Es gab ihn in zwei Versionen, für ein 50-Meter- und für ein 25-Meter-Becken. Sein Raum wird einzig von einem charakteristischen, selbsttragenden Dach gebildet, eine Rotunde mit einem Durchmesser von 35 m und einer Höhe von 6 m. Darunter verbergen sich neben dem Becken auch die Umkleidekabinen. Das Besondere an diesem Typ: Sein Dach lässt sich in einem Winkel von 120° nach Südwesten öffnen, wodurch der Raum eine herrliche Erweiterung in die Umgebung erfährt. Daher auch der eindrückliche Name.

Das war natürlich schon vor 40 Jahren möglich: Der Raum lässt sich weit zur angegliederten Terrasse mit Garten öffnen. (Bild: Philippe Schalk – Communauté Urbaine de Strasbourg – urbane kultur)

Einer dieser Typen in Lingolsheim, unweit von Straßburg, wurde nun nach 40 Jahren saniert und erweitert. Den entsprechenden Wettbewerb dazu konnte das Straßburger Architekturbüro urbane kultur für sich entscheiden. Ihre Idee: Die Grundstruktur des Ursprungsbaus wird erhalten und von jeglichen Einbauten im Inneren befreit, sodass der prägnante Raum voll und ganz zur Geltung kommt und außerdem Platz für insgesamt drei separate Becken geschaffen wird. Für die bedienenden Bereiche, also den Eingang, die Umkleidekabinen, Büros und die Technik, entwickelten sie einen Bumerang-förmigen Erweiterungsbau, der die Sonnenblume im Nordwesten umschließt und durch den im Inneren eine Art Patio entsteht. Das komplette Haus wurde energetisch ertüchtigt und auf den neuesten Stand der Technik gebracht.

Im Innenraum herrscht ein heller, freundlicher Charakter, was durch die runden, verspielt angeordneten Dachluken noch verstärkt wird. (Bild: Jean Baptiste Dorner)

Die Außenhaut wurde mit schwarzer, wetterbeständiger Folie verkleidet, wodurch das Gebäude jetzt fast schon plüschig daher kommt. Im Inneren schafften die Architekten dazu den Kontrast, indem sie die komplette innere Hülle mit alpinweißen Hi-Macs-Platten mit Solid Surface verkleidet haben. Das verleiht dem Raum Reinheit, Klarheit und Helligkeit, was so nur mit wenigen Materialien erreichbar ist. Außerdem sind die Acrylstein-Platten robust, freuerbeständig, wasserabweisend und bieten aufgrund ihrer Undurchlässigkeit Schmutz, Bakterien und Viren keine Fläche. Dies und nicht zuletzt ihre dreidimensionale Verformbarkeit war Grund genug für die Architekten, das Material für ihre Schwimmbad-Sanierung einzusetzen. Die Oberfläche des Dachs wurde mit 48 jeweils rund 150 x 200 cm großen Platten fugenlos verkleidet. Auch die Möbel im Bereich der Rezeption sowie die Waschbecken in den Nassbereichen wurden mit Hi-Macs erstellt. So ist der Bau für die einen nach wie vor die erdachte Sonnenblume, die anderen sehen in dem runden Gebäude eher ein futuristisches Ufo mit Bullaugen, für wieder andere ist das neue Schwimmbad vom Typ Tournesol in Lingolsheim ein Ort der Ruhe, den es sich mehr denn je zu besuchen lohnt.

So sah das Schwimmbad bis noch vor Kurzem aus: Anstelle des Windfangs befindet sich hier nun der Neubau mit allen bedienenden Räumen. (Bild: Philippe Schalk – Communauté Urbaine de Strasbourg – urbane kultur)
Lageplan mit Dachaufsicht (Bild: urbane kultur)
Grundriss Erdgeschoss (Bild: urbane kultur)
Zum Patio, der sich durch den neuen Erweiterungsbau ergibt, haben die Architekten die Rotunde nun gehöffnet. (Bild: Jean Baptiste Dorner)
Im Bereich der Rezeption wird bereits die Materialität der Haupthalle vorweggnommen. (Bild: Jean Baptiste Dorner)
Abendliche Stimmung: Die Becken sind nach Temperatur mit kalter oder warmer Lichtfarbe beleuchtet. (Bild: Jean Baptiste Dorner)

Projekt
Restaurierung und Erweiterung des Tournesol Schwimmbads
Lingolsheim, FR

Architektur
urbane kultur architectes
Philippe Dahan, Dominique Cornaert, Piotr Janski und Amaury Sigwarth
Straßburg, FR

Hersteller
LG Hausys Europe GmbH
Petit-Lancy, CH

Kompetenz
HI-MACS Alpine White

Bauherr
Communauté Urbaine de Strasbourg
Straßburg, FR

HI-MACS Produktion
ADJ
Straßburg, FR

Landschaftsarchitektur: Bruno Kubler
Tragwerk: Structurest
Kostenkontrolle: Les Economistes
Wasseringenieure: SNC Lavalin
CPM: C2Bi
Akustik: Euro Sound Project

Fläche
1.790 m2

Fertigstellung
2016 (nach 16 Monaten Bauzeit)

Fotografie
Jean Baptiste Dorner
Communauté Urbaine de Strasbourg
urbane kultur
 


Projektvorschläge
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