Pixel im Wald

Thomas Geuder
21. Oktober 2015
Das Max-Planck-Institut für Psycholinguistik liegt südwestlich des Universitätscampus der Radboud-Universität in Nijmegen, inmitten eines weitläufigen Landschaftsschutzraums mit dichtem Waldbestand. (Foto: Georg Engels)
Projekt: Erweiterungsbau Max-Planck-Institut für Psycholinguistik (Nijmegen, NL) | Architektur: Heinle, Wischer und Partner Freie Architekten (Stuttgart, D) | Bauherr: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. (München, D) | Gestaltung Motiv Glasplatten: Braun Engels Gestaltung (Ulm, D) | Hersteller: Steinfort Glas B.V. (Franeker, NL), Kompetenz: bedruckte Glasfassade

In der Wissenschaft ist alles erforschbar, was erdenkbar ist. Am Max-Planck-Institut für Psycholinguistik etwa erforschen Linguisten und Psychologen die psychologisch-neurologischen Mechanismen von Sprache. Ihr Ziel ist zu versehen, wie unser Gehirn und unser Gedächtnis Sprache verarbeiten, wie Sprache mit anderen kognitiven Abläufen interagiert und wie Sprachen erlernt werden. Die Forscher dieses 1980 gegründeten Instituts sind seit 1985 in einem eigenen Bürobau südwestlich des Universitätscampus der Radboud-Universität, rund drei Kilometer des Zentrums der westniederländischen Stadt Nijmegens entfernt, untergebracht. Der von Kraaijvanger Architekten ist als Mäander konzipierte Bau wurde 1997 nach Osten um eine Bibliothek erweitert. In Verlängerung des Haupteingangs wurde hierbei eine Gebäudeachse entwickelt, die als dreigeschossige Magistrale heute den Gesamtkomplex in West-Ost-Richtung erschließt. Im neuen Jahrtausend zeichnete sich immer mehr ab, dass neue Forschungsmethoden neue Räume benötigten, und so wurde – nach entsprechendem Wettbewerb – 2011 das Stuttgarter Büro Heinle, Wischer und Partner beauftragt, die empirisch-theoretischen Forschungsbereiche um Experimentallabore zu erweitern. Ziel der Auslobung war eine in Bau wie Betrieb wirtschaftliche Laborerweiterung. Gleichzeitig sollte der wissenschaftliche Austausch mit der Radboud-Universität und dem Donders Centre for Cognitiove Neuroimaging in direkter Nachbarschaft auch stadträumlich gestärkt werden und dem Institut in seiner Gesamtheit einen inhaltlich wie standortspezifisch adäquaten Ausdruck verliehen werden.

Ebenerdig sind ein Hörsaal für Institutszwecke sowie Labore, Experimentalräume und Wissenschaftlerbüros untergebracht, im Untergeschoss befinden sich der zentrale Serverbereich und die Technikzentrale. (Foto: Leon Abraas)

Für die Architekten war außerdem entwurfsbestimmend, dass die Erweiterung funktional gut angebunden wird, die Erschießungsachse fortgeführt wird, der Gebäudecharakter zukunftsorientiert und eigenständig ist und die äußere Gestaltung einer Forschungseinrichtung angemessen ausfällt sowie auf den charakteristischen Ort im der waldartigen Parklandschaft reagiert. Denn hier befindet sich ein kulturhistorisches und ökologisch wertvolles Waldgebiet, das nicht zuletzt einen Puffer zwischen der dynamischen Radboud-Universität und der ruhigen Wahngegen Brakkenstein darstellt. So ist ein L-förmiger Anbau entstanden, der die heterogene Grundrissstruktur des Bestandes komplettiert. Insgesamt ist es ein sehr kompakter, teilweise aufgeständerte Baukörper mit einem günstigen A/V-Verhältnis, mit außenliegendem Sonnenschutz (Lamellen-Raffstore) und einem Fensterflächenanteil von 50 %. Die Fassade ist als Bandfassade konzipiert, deren Fenster mit dunklen Metallprofilen sich im Fassadenbild eher zurück nehmen. Die Innenräume sind eher funktional gestaltet, sodass der Fokus auf der Wissenschaft bleibt.

Durch Reflexionen der umgebenden Bäume in den bedruckten Gpaneelen entsteht eine Fassadenansicht, bei der sich Spigelung und Druck zu einem neuen Bild vereinen. (Foto: Georg Engels)

Wesentlich zum Charakter des Gebäudes tragen jedoch die Fassadenflächen zwischen den Bandfenstern bei, durch die HWP vor allem dem besonderen Ort mit hohem Baumbestand Rechnung tragen wollen. Das geschieht durch die prozentual großzügige Öffnung des gesamten Baus, wodurch besondere Ausblicke in den Wald geschaffen werden, sowie durch spezielle Brüstungsverkleidungen, die durch ihr Design einen Dialog mit der Umgebung eingehen. Die Verkleidungen bestehen aus Glaselementen (Steinfort Glas B.V.), in denen sich die Baumlandschaft spiegelt. Sie sind an ihrer Rückseite versehen mit einer Druckgrafik, die im Büro Braun Engels in Ulm entstanden ist. Das Muster wurde auch unter Einbeziehung der Mitarbeiter erarbeitet: Zunächst abstrakt, ist erst auf den zweiten Blick ein florales Motiv erkennbar, dessen goldgelber Farbton auch im Herbst und Winter mit dem eher blattlosen Wald harmoniert. Jede Glasplatte wurde eigens für den jeweiligen Verlegeort hergestellt, was eine hohe Präzision bei der Verarbeitung erforderte. Die Aufhängeschienen sind rückseitig an die Glasplatten geklebt und in den Fugen zusätzlich mechanisch gesichert. Durch das Herumführen der bedruckten Glasplatten um die Leibungen ist dies Idee auch im Innenraum erlebbar, und nicht zuletzt werden so der Innen- und der Außenraum noch stärker miteinander verknüpft. tg

Die Fensterbänder aus hoch wärmegedämmten Isolierglas-Elementen mit dunklen Profilen bilden zusammenhänge Flächen und gliedern die Fassade. (Foto: Georg Engels)
Lageplan (Quelle: Heinle, Wischer und Partner)
Grundriss 2. Obergeschoss (Quelle: Heinle, Wischer und Partner)
Grundriss 1. Obergeschoss (Quelle: Heinle, Wischer und Partner)
Grundriss Erdgeschoss (Quelle: Heinle, Wischer und Partner)
Eigens für dieses Bauvorhaben wurden sämtliche Glasplatten in Siebdruckverfahren seriell mit Grafiken abstrahierter Pflanzenmotive bedruckt. Von den Wissenschaftlern geschätzt wurde der technische Aspekt der groben Pixelung. (Foto: Georg Engels)
Die niedrige Brüstungshöhe von nur 70 cm ermöglicht von allen Sitz-Arbeitsplätzen einen ungehinderten Ausblick in den weiten Landschaftsraum mit dem dichten Baumbestand. (Foto: Leon Abraas)
Aufgrund des geschützten Baumbestands in dem ehemaligen Jagdforst gestaltete sich das Baugenehmigungsverfahren schwierig, da die zusammenhängende Waldstruktur erhalten werden musste. Für den Bau der Erweiterung mussten schließlich ca. 1.500 m² Wald gerodet werden. (Foto: Leon Abraas)
Projekt
Erweiterungsbau Max-Planck-Institut für Psycholinguistik
Nijmegen, NL

Architektur
Heinle, Wischer und Partner Freie Architekten
Stuttgart, D

Team: Till Behnke (verantwortlicher Partner), Steffen Walter (Projektleitung), Susanne Kern, Andreas Braun, Arta Muciqi, Claudia Wohlfrom

Hersteller
Steinfort Glas B.V.
Franeker, NL

Kompetenz
bedruckte Glasfassade

Bauherr
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.
München, D

Gestaltung Motiv Glasplatten an der Fassade
Braun Engels Gestaltung
Ulm, D

Architektenvertretung vor Ort
Wiegerinck architectuur stedenbouw
Arnhem, NL

Projektsteuerung
Kleissen en Partners
Hengelo, NL

Generalunternehmer
WBC Aannemingsbedrijf BV
Winterswijk, NL

Tragwerksplaner, Brandschutz, Bauphysik
ABT, Abteilung Bouwkunde
Velp

HLS, Elektro
GERTEC GmbH,
Essen, D

vor Ort vertreten durch
Nobeladvies BV
Broekhuizen, NL

Wettbewerb
2011, 1. Preis

Laborplanung
dr. heinekamp Labor- und Institutsplanung GmbH
Basel, CH

Fertigstellung
2014

Fotografie
Georg Engels
Leon Abraas

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