Verwaltung, Produktion und Logistik der Lunor AG von Schmelzle+Partner Architekten

Partizipation

Thomas Geuder
18. Juni 2017
Wie der «Lebensraum Büro» partizipativ gestaltet werden kann, zeigen Schmelzle+Partner in Bad Liebenzell bei Lunor. (Bild: Steffen Schrägle)

Projekt: Verwaltung, Produktion und Logistik der Lunor AG (Bad Liebenzell, DE) | Architektur: Schmelzle+Partner Architekten (Hallwangen, DE) | Bauherr: Lunor AG (Bad Liebenzell, DE) | Hersteller: Vitra Workspace by Vitra International AG (Birsfelden, CH), Kompetenz: Einrichtungsplanung und Möbel

Uma Thurman, Tom Cruise, Elton John oder auch Madonna tragen die Modelle von Lunor, einem Hersteller für hochwertige Brillenfassungen im Nordschwarzwald, genauer gesagt in Bad Liebenzell. Das Unternehmen wuchs in den vergangenen Jahren schnell, so wurde der Umzug von Verwaltung und Produktion an den neuen Standort notwendig. Die Architektur für den neuen Sitz lieferten Schmelzle+Partner Architekten aus dem nur rund 50 km entfernten Hallwangen. Schmelzle+Partner ist Profi in Sachen Bürobauten und moderne Arbeitswelten, durchdachter Organisationsstrukturen, Funktionalität und nicht zuletzt kreativem Design. Unter Beweis stellen sie das mit zahlreichen Büro-Projekten, unter anderem dem eigenen Bürogebäude, ihr «Meilensteinprojekt», wie sie selbst sagen (wir berichteten: Zurück ins Büro?). Für die Lunor AG sollte nun ein ganz ähnliches Projejkt entstehen, ebenfalls mit hohem Anspruch an die Werkstoffe, die handwerkliche Leistung und eine kompromisslose Qualität. Architektonische Grundidee ist die transparente Gesamtstruktur durch großzügige Verglasungen und ein fließender Übergang zwischen Außen- und Innenraum. Erreicht wird das durch eine an drei Gebäudeseiten umlaufende, raumhohe Verglasung. Die das Dach tragende Struktur tritt mit schmalen, V-förmig angeordneten Rundstützen nur wenig in Erscheinung. So wird der Blick in eine idyllische Feld- und Waldlandschaft freigegeben. Ein Weitblick, der sich nicht zuletzt auf den Hoizont Mitarbeiter auswirkt.

Die transparente Gesamtstruktur des Entwurfs schafft durch großzügige Verglasungen einen fließenden Übergang zwischen Außen- und Innenraum. (Bild: Steffen Schrägle)

Ein im Innenraum immer wiederkehrendes formales Element ist die Linie: Sie taucht etwa in der eben beschriebenen Tragkonstruktion und in den Fensterprofilen auf, auch der außenliegende Sonnenschutz repräsentiert herunterglassen die (horizontale) Linie. Der geschlossene Kern für die sanitären Anlagen, technische Versorgungssysteme, Abstellräume und Treppenhaus ist verkleidet mit einem unregelmäßigen Muster aus senkrechten Holzleisten. Selbst die Decke, eigentlich eine Fläche natürlich, ist von der Linie gegliedert, in Form der linearen Allgemeinbeleuchtung. Speziell für das Projekt entwickelte, mattschwarze Deckenelemente heizen und kühlen je nach Bedarf, unterstützt von einer Betonkernaktivierung im Boden, und sind außerdem akustisch wirksam. So soll im Open Space Office eine angenehme Arbeitsatmosphäre gewährleistet werden. Dazu trägt auch eine raumhohe Rauchschutzwand bei, die die Bürofläche vom Produktionsbereich und vom Lage und Versand trennt. Was die Aufteilung Verwaltung-Produktion angeht, haben die Architekten bereits für die Zukunft vorgesorgt: Die Decke im Lager- und Logistiktrakt ist die gleiche wie in den Büros. So kann der Bürobereich durch ein simples quasi Verschieben der Trennwand in Richtung Lager expandieren.

Die Büroflächen richten sich gänzlich nach den Bedürfnissen der Mitarbeiter und sollen so das persönliche Wohlbefinden sowie die interne Kommunikation fördern. (Bild: Steffen Schrägle)

Für das Unternehmen Lunor ist es selbstredend auch von Bedeutung, wettbewerbsfähig zu bleiben. Einen der Schlüssel dazu sahen Architekten wie Bauherren in den internen Organisationsstrukturen, die möglichst zukunftsorientiert, effizient und flexibel sein sollten. So nahm man die Chance des Umzugs wahr, um Besprechungsräume, Kantine, Arbeitsplätze und Logistik für die rund 25 Mitarbeiter so anzuordnen, auszustatten und zu gestalten, dass Team- und Arbeitsbeziehungen sowie logistische Prozesse ideal ablaufen können. Zusammen mit Vitra Workspace wurden deshalb in einem eintägigen Workshop die konkreten Bedürfnisse zusammen mit Vertretern der Mitarbeiter, des Bauherrn und der Architekten diskutiert. Ganz praktische Frage standen dabei im Vordergrund, etwa: «Wo kommt die Post an, wohin geht sie weiter?», «Wo und wie stimmen sich Design und Produktion miteinander ab», «Wo schaffen wir Meeting-Points für kurze Besprechungen?» oder «Wie schaffen wir Rückzugsorte für konzentriertes Arbeiten?» Hieraus entwickelte sich schließlich ein Konzept, das offene und halboffene Bereiche definiert, offene Meeting-Points für Kurzbesprechungen und abgeschlossene Besprechungsräume etwas abseits vorsieht. Strukturiert wird das mit den Begriffen Open, Semi-Closed, Closed und Touch-Down sowie Farbcodierungen. So wurden die Mitarbeiter direkt in die Planungs- und Konzeptionsprozesse einbezogen, gleichzeitig entsteht im Unternehmen ein Bewusstsein für die Zusammenhänge und die Komplexität heutiger Arbeitswelten. Eine derartige Partizipation stärkt am Ende die einzelnen Teams in ihrer Lösungskompetenz für zukünftige Veränderungen. So gesehen ist das nicht zuletzt auch eine glückliche Maßnahme der unternehmerischen Organisations- und Personalentwicklung, die für jeden Vorteile mit sich bringt.

Eine Art zusätzlicher grüner Einschub haben die Architekten im Bereich des Foyers platziert. (Bild: Steffen Schrägle)
Blick vom Besprechungsraum zum Eingang: Ein wie weggeklapptes Wandelement zoniert den langen Bereich. (Bild: Pio Rahner)
Lageplan und Grundriss mit Möblierung (Quelle: Schmelzle+Partner Architekten)
Mit einer klaren Geste neigt sich das Gebäude in Richtung der umgebenden Landschaft des Nordschwarzwaldes. (Bild: Pio Rahner)

Projekt
Verwaltung, Produktion und Logistik der Lunor AG
Bad Liebenzell, DE

Architektur
Schmelzle+Partner Architekten
Hallwangen, DE

Bauherr
Lunor AG
Bad Liebenzell, DE

Hersteller
Vitra Workspace by Vitra International AG
Birsfelden, CH

Kompetenz
Einrichtungsplanung und Möbel

Statik
Ingenieurgesellschaft Lagger-Renz GmbH
Rohrdorf, DE

Prüfstatik
Bürogemeinschaft Kuhlmann
Ostfildern, DE

Brandschutz
Halfkann und Kirchner
Stuttgart, DE

Landschaftsarchitektur
Frei raum concept
Rottenburg, DE

Ausführende
Rohbau: Hans J. Theurer Hoch- und Tiefbau GmbH
Stahlbau: Friedrich Bühler GmbH & Co. KG
Metallbau und Verglasung: Lacker AG

Bruttogeschossfläche
ca. 1.300 m²

Fertigstellung
2016

Fotografie
Pio Rahner
Steffen Schrägle


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