Transformation Schlosserhof in Stuttgart von InteriorPark
Neues Leben für Ruine
Der Bestandsschutz kann im ein oder anderen Projekt eine ganz schöne Herausforderung sein. So hat die Planerin von InteriorPark in Stuttgart ein fast gänzlich verfallenes Werkstattgebäude wiederhergestellt und zum Wohnraum weiterinterpretiert.
Projekt: Transformation Schlosserhof (Stuttgart, DE) | Architektur: InteriorPark (Stuttgart, DE) | Bauherr: privat | Hersteller: diverse | weitere Projektdaten siehe unten
Der Stuttgarter Süden ist – wegen der beengten Kessellage eigentlich wie ganz Stuttgart – eines der am dichtesten bebauten Wohngebiete in Deutschland. Großzügige Hinterhöfe gibt es hier trotz gründerzeitlicher Blockrandbebauung nicht, da auch diese im Laufe der Zeit mit oft ebenso hohen Häusern zugebaut wurden. Manchmal findet man hier auch nur einstöckige Anbauten, in denen sich dann kleine handwerkliche Betriebe ihr Heim schufen. So auch bei dem Projekt „Schlosserhof“, das von dem Architekturbüro InteriorPark (ebenfalls aus Stuttgart) gestemmt wurde. Das einstöckige Bestandsgebäude aus dem Jahr 1904 war bei Beginn des Projekts im Jahr 2015 allerdings fast ganz verfallen, eine Ruine, die dennoch unter Bestandsschutz stand. Aufgabe war, diesen Innenhof-Annex mit dem unteren Geschoss eines Mehrfamilienhauses direkt daneben zu verbinden, um so eine großzügige und im Notfall zweiteilbare Wohnung zu erhalten. Angesichts der doch recht aussichtslosen baulichen Ausgangssituation war von Anfang an klar, dass das kein leichtes Unterfangen werden würde.
Das Konzept der Architektin Tina Kammer zur Lösung des gestalterischen wie konstruktiven Problems bestand denn auch aus zwei Teilen: Ihr ging es zum einen (und wegen des Bestandsschutzes) um den Erhalt der historischen Bausubstanz und gleichzeitig um die Neuinterpretation des historischen Werkstattcharakters. Und – was bei InteriorPark stets mitschwingt – um den Einsatz lokaler und natürlicher Materialien, damit drinnen ein gesundes Wohnraumklima entsteht. Der individuelle Charakter der einzelnen Bereiche sollte so neu interpretiert und der historische Charme in die Neuzeit transferiert werden, mit dem Ziel, eine (laut Architektin) „individuelle Wohlfühloase im urbanen Kontext zu erschaffen“. Das erforderte vor allem in der Rohbauphase einen sensiblen Umgang mit dem Bestand, denn mit einem Einsturz wäre auch der Verlust der Baugenehmigung verbunden gewesen. Aus statischen Gründe war auch die Adaption der Grundrisse des Hinterhauses nicht möglich, weswegen – was durchaus als Überspitzung der baulichen Situation gesehen werden kann – alle Wände vom Putz befreit wurden, um die originale Bachsteinwände mit allen Imperfektionen immer wieder sichtbar zu machen.
„Bei der Auswahl aller Materialien lag der Fokus auf der Nachhaltigkeit“, beschreibt Tina Kammer ihr Materialkonzept. Im Einzelnen bedeutet das: Die Fensterrahmen aus massiver, geölter Eiche wurden von einem lokalen Handwerksbetrieb gefertigt. Douglasie aus nachhaltiger Forstwirtschaft im Schwarzwald (pur natur) wurde in der Küche verwendet. Natürliche Materialien wie Lehm (Claytec), Kalkputz, Kalkfarbe, Holzfaserdämmung und Linoleum (Forbo) erzeugen ein gesundes Innenraumklima. Die Armaturen (Dornbracht), Griffe (FSB), Rauchmelder und Steckdosen (Jung) stammen von deutschen Traditionsunternehmen mit nachhaltiger Produktion. So werden der Entwurf und die Ausführung durch eine gänzlich reduzierte Form- und Materialsprache bestimmt, mit der die Architektin eine stimmige Antwort auf den schwierigen Spagat zwischen nahezu abbruchreifem Bestand und dem Anspruch einer modernen, zeitlosen Gestaltungssprache findet.
Vergleich vorher – nachher im Blid: Transformation Locksmithery - Transformation Schlosserhof (Interiorpark, Dauer: 3:55 min.)
Projekt
Transformation Schlosserhof
Stuttgart, DE
Architektur
InteriorPark
Tina Kammer
Stuttgart, DE
Bauherr
privat
Hersteller
Fenstergriffe, Türgriffe:
FSB – Franz Schneider Brakel GmbH & Co. KG
Brakel, DE
Armaturen:
Aloys F. Dornbracht GmbH & Co. KG
Iserlohn, DE
Douglasie Holz:
pur natur Holzprodukte Ruthard Männle e. K.
Zell am Harmersbach, DE
Linoleum:
Forbo Flooring GmbH
Paderborn, DE
Rauchmelder, Steckdosen:
Albrecht Jung GmbH & Co. KG
Schlksmühle, DE
Lehmputz:
Claytec e. K.
Viersen, DE
Wohnfläche
200 m²
Deckenhöhen
2,50 m bis 4,80 m
Fertigstellung
2017
Fotografie
Andreas Körner, bildhübsche fotografie
Projektvorschläge
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