Deutscher Lichtdesign-Preis 2017

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Thomas Geuder
16. Mai 2017
Gewinner Kategorie «Shopbeleuchtung»: St. Jodern Kellerei, Visperterminen, CH. Architektur: bauAtelier12, Visp, CH (Bild: Thomas Andenmatten)

Lichtdesigner des Jahres 2017: Reflexion AG, Zürich, CH | Interviewpartner: Thomas Mika, Geschäftsleitung/VR | Alle Projektbilder zeigen Lichtplanungen von Reflexion

Thomas Geuder: Herzlichen Glückwunsch zum Titel «Lichtdesigner des Jahres», Herr Mika, ein Preis, den das Lichtplanungsbüro Reflexion AG in diesem Jahr zum ersten Mal erhalten hat. Schön auch, dass in diesem Jahr ein Büro aus der Schweiz gewonnen hat!
Thomas Mika: Ja, das stimmt. Vor allem vor dem Hintergrund, dass man als Unternehmen aus der Schweiz schnell unbemerkt bleibt. Denn viele andere unserer Kollegen aus Deutschland, Österreich oder Frankreich agieren international. Bei uns hingegen – und da spreche ich vor allem für Reflexion – finden praktisch alle Aufträge direkt in der Schweiz statt.

Umso mehr freut es mich, dass Sie heute quasi an die Wasseroberfläche gekommen sind. Schauen wir uns das Lichtplanungsbüro Reflexion doch einmal näher an: Gegründet im Jahr 2001, mittlerweile 25 Mitarbeitende, weit über 100 Projekte – was muss man sonst noch über Reflexion wissen?
Reflexion legt seinen geographischen Schwerpunkt im Prinzip auf den Markt zwischen Genf und St. Moritz. Wir kennen den Schweizer Markt sehr gut, deswegen haben wir ein ausgeprägtes Gefühl für die Bedürfnisse von Bauherrschaft, Architekten und Entwicklern in der Schweiz. Hinzu kommt, dass wir in der Schweiz teils großartige Architektur haben. Alle unsere Mitarbeitende haben somit die Gelegenheit, mit den großen Schweizer Architekten zusammenzuarbeiten, ständig neue Erfahrungen zu sammeln und neue Ansichten über Architektur, Licht, Raum und Atmosphäre zu entwickeln. Wir bewegen uns in unserem Kosmos in der Schweiz, in dem wir uns wohl und sicher fühlen und in dem das alles gut funktioniert. Das ist wie eine Art Antiglobalisierung, wenn man so will. Was wir tun, ist dennoch vielfältig, aber wir konzentrieren uns auf den Bereich, den wir im Griff haben.

Gewinner Kategorie «Shopbeleuchtung»: St. Jodern Kellerei, Visperterminen, CH. Architektur: bauAtelier12, Visp, CH (Bild: Thomas Andenmatten)

Sie spielen also am liebsten auf dem eigenen Platz der Schweizer Moderne, wenn man sie einmal so nennen möchte, würden aber sicherlich auch zum Auswärtsspiel fahren, oder?
Das tun wir – wenn es klare Verbindungen und Vereinbarungen gibt. Denn in der Schweiz wissen wir, was erwartet wird. In eigenen Umfeld versteht man den Wunsch den Kunden auch ohne große Worte. Das ist vor allem in der Lichtplanung ein zentraler Punkt. Deswegen müssen anderswo vorher die Rahmenbedingungen genau geklärt werden. Wenn man das beherrscht, kann man überall auf der Welt Aufträge annehmen. Was wir auch gerne tun, wie beispielsweise beim Projekt Collection Lambert in Avignon.

Der Architekt und auch der Lichtplaner sind heutzutage manchmal noch ein Teil in einem Projekt, unter der Federführung eines Projektsteuerers. Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Architekten und Planern bei Reflexion normalerweise?
Ganz generell zunächst können wir natürlich mit allen zusammenarbeiten, sowohl General- oder Totalunternehmern als auch mit direkt vom Bauherrn beauftragten Autorenarchitekten. Man muss sich eben darüber im Klaren sein, was der Auftrag ist. Wenn einer ein Gebäude baut und sagt «Schau, in allererster Priorität gilt dies», muss man unbedingt verstehen, was er wirklich meint. Man muss einen Auftrag interpretieren und lesen können. Nur so kann man für verschiedenartige Bestellungen funktionieren. Es braucht die professionelle Analyse der Bestellung.

Gewinner Kategorie «Internationales Projekt»: Collection Lambert, Avignon, FR. Architektur: Berger&Berger, Paris, FR (Bild: Berger&Berger)

Welchen Charakter hat eine Lichtplanung, die von Reflexion erstellt wurde?
Unsere Lichtplanungen sind oft integrativ, architektonisch gut eingearbeitet, mit einem Anspruch auf bewusste Erscheinung und Ästhetik. Natürlich: Eine Leuchte ist eine Leuchte, sie muss auch optisch und ästhetisch etwas können. Es genügt nicht, nur schlaue Downlights und Hinterleuchtungen zu installieren. Auf der anderen Seite braucht es auch ein Objekt, das man feiern kann. Man muss eine Lichtplanung immer in Beziehung zur Architektur sehen. Es geht um die Frage, was in einem Raum passiert, welchen Nutzer es gibt und was er erwartet. Trotz aller Kreativität ist das stets ein wichtiges Thema bei uns. Wir müssen die Erwartungsbilder der Nutzer verstehen. Innerhalb dieses Rahmens können wir dann experimentieren und neue Wege suchen. Wir können innovativer sein, extrovertierter oder auch introvertierter. Aber, wir dürfen nicht am Nutzer vorbeiplanen, sondern müssen uns an ihm orientieren. Denn wenn wir das nicht täten, erzeugten wir etwas wie «l‘art pour l‘art», was um seiner selbst Willen sicherlich auch schön ist. Unsere Lichtplanungen allerdings orientieren sich an Nutzungsspannen von 30 bis 40 Jahren und sind nicht nur für den Moment geschaffen.

Sie treten als Lichtplaner also als jemand auf, der tief in seine Auftraggeber und in ein Architektur-Projekt eindringt, um diesen dann das richtige Licht zu geben, oder?
Genau. Wenn ein Kunde z. B. wissen möchte, wie viel Zeit wir für eine Lichtplanung benötigen, antworten wir: Das ist nicht eine Frage der Zeit, sondern eine Frage des Intervalls und der Rhythmik. Wenn ein Architekt einen Entwurf hat, dann reagieren wir darauf. Wir gehen in iterativen Schritten mit der Architektur, wir kommentieren sie und wir liefern Optionen, wir offerieren. Wir erarbeiten eine Lichtlösung für einen bestimmten Raum und fragen den Architekten oder den Bauherrn, ob das seiner Gestaltungsintention dient. Aus diesem Dialog mit der Architektur bekommen wir das richtige Licht ins Projekt.

Gewinner Kategorie «Internationales Projekt»: Collection Lambert, Avignon, FR. Architektur: Berger&Berger, Paris, FR (Bild: Berger&Berger)

Die Auseinandersetzung mit dem Architekten ist also ein zentraler Punkt in Ihrer Arbeit.
Mehr noch: Dort hängen wir, es ist unsere Nabelschnur, die nicht geschnitten werden dürfte. Der Architekt ist der Spiritus Rector, was wir voll und ganz akzeptieren. Natürlich sind wir auch starke Partner, die manchmal unangenehm sein können. Aber wir stellen nie den Entwurf des Architekten infrage, sondern wollen dieser Architektur raffiniert dienen.

Wie gehen Sie dann beim Entwickeln einer Lösung vor? Kontrollieren Sie auch anhand von Modellen?
Wir bauen sogar sehr viele Modelle, die dann in unserem Lichtdom untersucht werden. Damit wollen wir Lichtstimmungen und Licht-Raum-Kompositionen in realen, physischen Momenten einfangen. Der Lichtdom ist ein tolles Instrument für uns.

Wie darf ich mir den Lichtdom vorstellen? Gibt es im Büro einen separaten Raum mit einem Licht, das den natürlichen Himmel nachahmt?
Ja, unser Tageslichtdom erzeugt diffuses Licht, das es uns ermöglicht, jedes Architekturmodell mit einem Endoskop von innen zu betrachten und zu fotografieren. So können wir erfassen, wie das Tageslicht in diesen Raum strömt. Im zweiten Schritt erzeugen wir dann in diesen Räumen mit kleinen LEDs ein Kunstlicht und können damit die Wirkung des Raums mit verschiedenen Kunstlichtpositionen untersuchen. Diese Untersuchungen sind Besprechungsgrundlage mit dem Kunden, um so real wie möglich zeigen zu können, wie wir uns eine Lichtplanung ungefähr vorstellen.

Gewinner Kategorie «Events und Messen»: Schweizerische Nationalbank (Weihnachts- und Festtagsbeleuchtung), Zürich, CH (Bild: Reflexion)

Nun ist die Computertechnologie mittlerweile doch sehr weit. Wäre es da nicht denkbar, solche Bilder gleich im digitalen Modell zu erzeugen?
Es geht letztendlich um das Gefühl für den Raum, das unserer Meinung nach im realen Modell viel besser erzeugt und untersucht werden kann. Man sieht es sofort, wenn man ein solches Modell vor sich hat. Schauen Sie sich etwa unser Projekt Schweizerische Nationalbank in Zürich an: Als wir das Projekt den Direktoren der SNB vorgestellt haben, hatten wir ein Modell dabei, das so konzipiert war, dass man von unten hinauf schauen musste, analog zum Blick von der Straße zum Gebäude. Die Reaktion des Direktoriums hat uns gefallen, denn sie sagten: «Ich verstehe das, und es gefällt uns.» Bei Computerbildern und Simulationen wäre die Reaktion vielleicht gewesen: «Ich verstehe das eigentlich, aber ich traue dem nicht.» Das ist ein großer Unterschied.

Letzte Frage, Herr Mika: Bei Ihnen auf der Homepage habe ich ein Zitat von Louis Kahn gelesen: «Ein Raum ohne natürliches Licht kann nicht wirklich einen Platz in der Architektur finden.» Nun haben wir hier beim Lichtdesign-Preis heute vor allem Projekte gesehen, bei denen es um die Kunstlichtbeleuchtung ging. Ist das Betrachten von Licht für die Architektur ohne das natürliche Licht zu berücksichtigen überhaupt sinnvoll bzw. möglich?
Unserer Philosophie nach sind dies immer zwei ganz wichtige Komponenten, die zusammenspielen sollten. Das eine geht nicht ohne das andere, außer man hält sich in einem fensterlosen Raum auf. Und selbst beim Betreten dieses abgeschotteten Raums ist das Tageslicht zumindest im Kopf präsent. Man kann keinen Raum verstehen, beleuchten, bedienen und möblieren, wenn man nicht beide Komponenten gleichwertig betrachtet. Das Kunstlicht sollte auf die Art und Menge des Tageslichts reagieren, denn das Tageslicht lässt sich nur über Verschattung oder Lenkung beeinflussen. Ohne Tageslicht kann man keinen Raum denken. Nur hoch theatralische Räume wie Konzertsäle oder Theaterräume funktionieren ohne Tageslicht, weil sie temporär sind. Langfristige Arbeiten aber, im Zusammenhang mit Architektur, brauchen den Dialog von Kunst- und Tageslicht.

Vielen Dank für dieses mitternächtliche Gespräch und noch einmal herzlichen Glückwunsch Ihnen und dem gesamten Reflexion-Team zur Auszeichnung «Lichtdesigner des Jahres». Auch allen anderen Gewinnern des Deutschen Lichtdesign-Preises gratulieren wir an dieser Stelle natürlich ebenfalls herzlich.

Gewinner Kategorie «Events und Messen»: Schweizerische Nationalbank (Weihnachts- und Festtagsbeleuchtung), Zürich, CH (Bild: Reflexion)
Lichtdom im Büro von Reflexion (Bild: Reflexion)
Die Gala resp. Preisverleihung des Deutschen Lichtdesign-Preises fand in einem ehemaligen Trafowerk in Mannheim statt. (Bild: Thomas Geuder)
Interviewpartner Thomas Mika (am Pult), Martina Lehr (1.v.l.) und das Reflexion-Team kurz nach der Verleihung des Titels «Lichtdesigner des Jahres» (Bild: Thomas Geuder)
Alle Gewinner beim Deutschen Lichtdesign-Preis 2017 finden sich zum Gruppenbild zusammen. (Bild: Thomas Geuder)
In 14 Kategorien wurde der Deutsche Lichtedesign-Preis in diesem Jahr verliehen. Neu dabei war der Ehrenpreis, den Heinrich Kramer erhielt. (Bild: Bettina Theisinger)

Auswahl der Preisträger des Deutschen Lichtdesign-Preises 2017:

Büro und Verwaltung:
Atrium Tower, Berlin
Lichtplanung: Kardorff Ingenieure Lichtplanung
Architektur: Renzo Piano Building Workshop / baumgarten simon architekten
Bauherr: SEB Investment

Kulturbauten:
Montforthaus, Feldkirch
Lichtplanung: Light Design Engineering Belzner Holmes
Architektur: Planungsgemeinschaft Hascher Jehle / Mitiska Wäger
Bauherr: KKF Feldkirch
Elektroplanung: BHM Ingenieure
Praxis-Bericht: Stein plastisch fließend

Öffentliche Bereiche / Innenraum:
Hamburg Heigts (ehemaliges Spiegelhochhaus)
Lichtplanung: teamlicht
Architektur: Blunck+Morgen Architekten
Bauherr: Wirtschaftskanzlei Möhrle Happ Luther
Elektroplanung: Projektsteuerung | Relotec | Matthias Schneider

Außenbleuchtung:
Umfeld Fernstehturm Berlin, zwischen Alexanderplatz und Marienkirche
Lichtplanung: Licht Kunst Licht
Landschaftsarchitektur: Levin Monsigny Landschaftsarchitekten
Bauherr: Bezirksamt Berlin Mitte

Lichtkunst:
Mehr los – eine Linie aus Licht
Lichtkunst: Moritz Gieselmann
Architektur: Maximilian Luger, Architekten Luger & Maul
Bauherr: Gemeinde Marchtrenk

Ehrenpreis:
Heinrich Kramer

Alle Preisträger und Nominierungen des Deutschen Lichtdesign-Preises unter:
www.lichtdesign-preis.de


Projektvorschläge
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Vorgestelltes Projekt

Sieveke Weber Architekten BDA

Scheune für Lucia und Samuel

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