Büro- und Geschäftshäuser ma|ro in Frankfurt am Main von Eike Becker Architekten

Kongenial

Thomas Geuder
21. November 2017
Weithin sichtbares Zeichen in den Zwillingshäusern ma|ro in Frankfurts Altstadt sind die beiden elegant illuminierten Eingangsbereiche. Im Bild: Neue Mainzer Straße. (Bild: Matthias Klaiber / hatec)

Projekt: Büro- und Geschäftshäuser ma|ro (Frankfurt am Main, DE) | Architektur: Eike Becker Architekten (Berlin, DE) | Bauherr: Groß & Partner Grundstücksentwicklungsgesellschaft (Frankfurt am Main, DE) | Hersteller: OLEDWorks (Aachen, DE), Kompetenz: OLEDs | Hersteller: Lumileds (Aachen, DE), Kompetenz: LEDs | weitere Projektdaten sieh unten

Wer momentan durch Frankfurt am Main fährt, dem werden die zahlreichen Baustellen auffallen. Es wird gebaut, ertüchtigt und wiederhergestellt, wo es nur möglich ist. Einer der wichtigen Punkte dabei ist das Opernquartier im Westen der Altstadt, mit einigen Neuentwicklungen um den Opernplatz und die Goethestraße, die sich von der Alten Oper zum Goetheplatz schlängelt. Nur wenige Meter südlich davon, wo die kleinere Neue Rothofstraße auf die Neue Mainzer Straße trifft, hat der Berliner Architekt Eike Becker nun sein erstes Gebäude in Frankfurt am Main errichtet. „Ich wollte ein kräftiges, raues Haus entwerfen“, erläutert er seine Entwurfsidee. „Der Motor dieses Zentrums surrt zurzeit geschäftig, seidig und matt. […] Da finde ich, kann die Mainmetropole so ein eckiges, kantiges und sperriges Gebäude gerade gut gebrauchen.“

Das Grundstück, das ihm dafür zur Verfügung stand, war eher eine Herausforderung: Es wird von besagter Neuen Rothofstraße mittig durchbohrt, wodurch zwei Ecken der Blockrandbebauung geschlossen werden musste. Außerdem befinden sich in unmittelbarer Nachbarschaft einige der Hochhäuser, die Frankfurts Skyline so bekannt gemacht haben. Immerhin: Zwischen den gegenüberliegenden Häusern ist hier eine Lücke ausgebildet, die den Blick auf die grüne Taunusanlage freigibt. Diese Heterogenität des Ortes übersetzt der Architekt in einen Entwurf, dessen Formsprache an die flüchtige Stapelung von Kisten erinnern soll, „eilig abgestellt, provisorisch aufeinandergestapelt, mal auf Lücke, mal vor-, dann zurückspringend, scheinbar ohne System“. Große Schaufensterfronten prägen das Erdgeschoss, darüber türmen sich dann die Büros bis zu einer Höhe von 32 Metern. Eike Becker selbst über diese Erscheinung: „Ich mag diese lapidaren Geometrien, dieses Beiläufige des Entwurfes sehr.“ Erfreulich: Trotz der zwillingshaften Doppelung des ma|ro gelingt es ihm, zwei unterschiedliche Gebäudeteile zu bauen, deren Verwandtschaft man durchaus studieren kann. Aus der gleichen Feder, aber völlig anders, könnte man auch sagen. Das hätte mit anderen Architekten und Bauherrn vermutlich völlig anders – und bestimmt langweiliger – ausgesehen.

Durchbohrt sind das Grundstück von der Neuen Rothofstraße, die im Zug der Quartierserweiterung eine Aufwertung erfährt. (Bild: Jens Willebrand / Eike Becker Architekten)

Eine gute Folge aus dieser Idee sind auch die Haupteingänge der beiden Gebäudeteile, der eine an der Neuen Mainzer Straße, der andere an der Neuen Rothofstraße. Beide beginnen zweigeschossig, verjüngen sich zur Eingeschossigkeit, haben ansonsten jedoch ganz verschiedene räumliche Dimensionen. Wellenartige Lichtdecken sorgen jeweils für ein einprägsames Eintrittserlebnis, für das sich Eike Becker übrigens aus einer Zusammenarbeit mit James Turrell in den 1990er-Jahren inspirieren ließ: Im einen Eingangsbereich schafft eine Decke aus unzähligen einzelnen, quadratischen, zusätzlich mit Spiegeln versehenen OLEDs (OLEDWorks) für packende Effekte. Eike Becker zur Raumwirkung: „Ich möchte mit der OLED Decke den Eindruck erzeugen, im Sonnenschein unter einem Laubbaum zu stehen. Wie durch eine leichte Bewegung der Blätter im Wind fallen die Schatten auf den Boden. Eine sich langsam verändernde OLED Decke schafft eine friedliche, ruhige Stimmung. Ganz im Gegensatz zum lauten, geschäftigen Treiben draußen.“

Für den zweiten Eingangsbereich entwickelten die Planer eine Geometrie, inspiriert von barocken Deckengemälden. Sie besteht aus dreieckigen, spiegelnden Elementen, die die Wirklichkeit (so die Idee von Eike Becker) von draußen dekomponieren, zerstückeln und sie wieder neu zusammensetzen. Alle Dreiecke wurden einzeln gefertigt (hatec Lichttechnik) und an den Kanten jeweils mit LED-Lichtlinien (Lumileds) versehen, und zwar so, dass kein direktes, sondern nur indirektes Licht zu sehen ist. Hochwertige, holzbeschichtete Wände und ein Terrazzoboden (…) machen aus den Eingangbereichen eine Art leuchtende Schmuckkästen. Sie zeigen kongenial, wie ma und ro trotz alles Gleichheiten auch zwei eigenständige Gebäude sind – oder zumindest sein wollen. Ganz wie echte Zwillinge eben.

Die Formensprache der beiden Gebäude soll – als Reaktion auf den Ort – an die flüchtige Stapelung von Kisten erinnern. (Bild: Jens Willebrand / Eike Becker Architekten)
Eine plastische Prismendecke aus spiegelpoliertem Aluminium mit LED-Lichtfugen schmückt den Eingangbereiche in der Neuen Mainzer Straße. (Bild: Jens Willebrand / Eike Becker Architekten)
Im Eingang in der Neuen Rothofstraße schwappt eine OLED-Welle von der Fassade bi szu den Aufzugsportalen. (Bild: Jens Willebrand / Eike Becker Architekten)
Regelgrundriss Bürogeschosse (Quelle: Eike Becker Architekten)
Schnitt Eingangbereich Neue Rothofstraße (Quelle: Eike Becker Architekten)
Schnitt Eingangbereich Neue Mainzer Straße (Quelle: Eike Becker Architekten)
Um die Anzahl der OLEDs zu reduzieren, haben die Planer mit Spiegeln gearbeitet, deren Oberfläche und Rahmen an die OLED-Leuchten angepasst sind. (Bild: Matthias Klaiber / hatec)
Die LEDs sind in den spiegelnden Aluminium-Dreiecken so platziert, dass die Lichtquelle nicht zu sehen ist, sondern nur indirektes Licht. (Bild: Matthias Klaiber / hatec)
„Mir gefällt die wiederborstige Plastizität“, beschreibt seinen durch Vor- und Rücksprünge geprägten Entwurf. (Bild: Jens Willebrand / Eike Becker Architekten)

Projekt
Büro- und Geschäftshäuser ma|ro
Frankfurt am Main, DE

Architektur
Eike Becker Architekten
Berlin, DE

Bauherr
Groß & Partner Grundstücksentwicklungsgesellschaft
Frankfurt am Main, DE

Hersteller 1
OLEDWorks
Aachen, DE

Kompetenz
OLEDs

Hersteller 2
Lumileds
Aachen, DE

Kompetenz
LEDs

weitere Hersteller:
Waschtisch: HI-MACS
Mosaik-Belag: SICIS
Spiegelwand: Vanceva

Werk- und Ausführungsplanung, Realisierung Lichtdecken
hatec Lichttechnik GmbH
Müntertag, DE

Fassadenplanung
IMW Ingenieurbüro für Fassadentechnik
Berlin, DE

Brandschutz
Dr. Sesselmann und Kollegen BESAG
Darmstadt, DE

Haustechnik
Hetzel, Tor- Westen + Partner Ingenieurgesellschaft mbH & Co. KG
Düsseldorf/Berlin, Leipzig, DE

Tragwerk
Grantmij GmbH
Bremen, DE

Licht
Schlotfeld Licht GmbH
Hamburg, DE

BGF oberirdisch
13.040 m²

BGF unterirdisch
5.265 m²

BRI oberirdisch
53.396 m³

Fertigstellung
2016

Fotografie
Mathias Klaiber
Jens Willebrand


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