Erdverbunden

Thomas Geuder
2. Februar 2016
Mit der Kirchweihe am 9. Mai 2015 konnte die Leipziger Propsteigemeinde St. Trinitatis wieder ins Zentrum von Leipzig zurückkehren. (Foto: Stefan Müller)
Projekt: Katholische Propsteikirche St. Trinitatis (Leipzig, D) | Architektur: Schulz und Schulz Architekten (Leipzig, D) | Bauherr: Katholische Propsteipfarrei St. Trinitatis (Leipzig, D) | Hersteller: Vereinigte Porphyrbrüche auf dem Rochlitzer Berge GmbH (Rochlitz, D), Kompetenz: Naturwerkstein aus Porphyr | weitere Projektdaten siehe unten

Als 1954 die ursprüngliche, im Krieg schwer beschädigte Trinitatiskirche in der Leipziger Innenstadt gesprengt wurde, konnte die Kirchengemeinde noch auf den versprochenen Neubau hoffen. Die damalige SED-Regierung allerdings zog bald danach die bereits erteilte Baugenehmigung zurück, und so war die Gemeinde fortan auf „Interimslösungen“ angewiesen. Anfang der 1980er-Jahre erhielt sie zwar außerhalb der Innenstadt ein eigenes, architektonisch eher zweckmäßiges Haus, das jedoch nach nur 25 Jahren erhebliche Baumängel aufwies und deswegen hätte saniert werden müssen. Dies war der Anstoß für Kirchengemeinde und Stadt, über ein mögliches neues Baugrundstück wieder in der Innenstadt zu verhandeln. Die Wahl fiel schließlich auf eine Art dreieckiges Restgrundstück in prominenter Lage, am Martin-Luther-Ring genau zwischen dem Rathaus und dem Wilhelm-Leuschner-Platz.

Den Architekten war es ein Anliegen, die neue Propsteikirche aus dem Organismus der umgebenden Stadt heraus zu entwickeln. (Foto: RobKohl / Wikimedia Commons)

An diesem zentral gelegenen Ort bestehen einige wichtige städtebauliche Bezüge, die auch den Entwurf der Architekten Schulz und Schulz (ebenfalls aus Leipzig) maßgeblich bestimmen. So wird die Großform des Baus vor allem durch die Elemente Kirchenraum, Pfarrhof, Gemeindezentrum und Kirchturm bestimmt. Diese stellen vielfältige räumliche Beziehungen her, die stets mit dem Wechselspiel der von der Gemeinde gewünschten Öffnung und einer für die Einkehr, Ruhe und Konzentration wichtige Geschlossenheit spielen. Der Pfarrhof zwischen den beiden Hochpunkten Kirchenraum und Kirchturm etwa ist öffentlich zugänglich und fungiert als zentraler Ort der Begegnung. Über bewusst angeordnete Fenster tritt der eigentliche Kircheninnenraum mit dem Außen und der Stadt in Verbindung, wie etwa über ein großes, ebenerdiges Kirchenfenster des Künstlers Falk Haberkorn oder ein in die Außenwand geschnittenes, kreuzförmiges Fenster, durch das die tiefstehende Westsonne ins Innere gelangt und das als Negativ seine Positiv-Pendant an der Altarrückwand hat (Künstler: Jorge Pardo). Städtebaulich stellt der Kirchturm nicht zuletzt einen Gegenpol zum historistischen Rathaus mit seinem 114 m hohen Turm dar. Beide generieren entlang der ansteigenden Topografie des Martin-Luther-Rings eine prominente Torsituation.

Der Unterschnitt im Erdgeschoss greift das Motiv des Leipziger Passagensystems auf und leitet von der Innenstadt in den Pfarrhof. (Foto: Stefan Müller)

Besonders markant sind die Fassaden des Bauwerks. Sie bestehen aus Rochlitzer Porphyr, der nur wenige Kilometer südlich von Leipzig abgebaut wird, am Rochlitzer Berg. Der Stein fällt durch seine optische Vielfältigkeit auf, oft durchzogen von unregelmäßigen Klüften und von Einschlüssen wie rundlichen Quarzen und Feldspaten gekennzeichnet. Bei dem Kirchenbau ist er in deutlich sichtbarer horizontaler Schichtung vermauert, wobei die einzelnen, unterschiedlich hohen Lagen zusätzlich vor- und zurückspringen. Damit wollen die Architekten die feste Verankerung des Gebäudes mit dem Grundstück verdeutlichen und es sinnbildlich aus dem Boder herauswachsen lassen: die Schöpfung aus dem Steinbruch. Rochlitzer Porphyr hat in der Leipziger Gegend jedoch auch Tradition und ist etwa im alten Rathaus, dem Stadtgeschichten Museum oder dem Benediktinerkloster zum Heiligen Kreuz in Wechselburg verbaut. So überführen die Macher der Propsteikirche St. Trinitatis die traditionsreiche regionale Baukunst in ein zeitgenössisches, eigenständiges Gebäude mit hohem emotionalem Wert.

Wichtigste Merkmale des Neubaus sind der hohe Kirchenbaukörper und der Kirchturm, vor allem aber die einladende Offenheit des Pfarrhofs. (Foto: Stefan Müller)
Lageplan und städtebauliches Konzept (Quelle: Schulz und Schulz Architekten)
Grundriss Obergeschoss (Quelle: Schulz und Schulz Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (Quelle: Schulz und Schulz Architekten)
Räumliche Bezüge im Kirchenraum (Quelle: Schulz und Schulz Architekten)
Fassadenschnitt und Tragwerkskonzept (Quelle: Schulz und Schulz Architekten)
Gegenüber des großen Kreuzes an der Altarrückwand ist ein zweites Kreuz als dessen negativer Abdruck in die große Wandfläche über der Empore eingeschnitten. (Bild: Stefan Müller)
Im 14,50 m hohen Kirchenraum rückt indirektes Tageslicht, das durch das Oberlicht in 22 Metern Höhe auf die Altarrückwand fällt, den Altarraum in den Fokus. (Foto: Stefan Müller)
Vom Gemeindesaal aus, der gegenüber des Kirchraums angeordnet ist und der ebenralls vom Pfarrhof aus erreichbar ist, blickt man auf das Leipziger Rathaus. (Foto: Stefan Müller)
Projekt
Katholische Propsteikirche St. Trinitatis
Leipzig, D

Architekten
Schulz und Schulz Architekten
Leipzig, D

Entwurfsverfasser: Prof. Ansgar Schulz, Prof. Benedikt Schulz

Mitarbeit: Christian Wischalla, Bodo Roßberg, Lothar Wolter, Matthias Hönig, Karsten Liebner, Peter Gaffron, Jana Gallitschke, Sandra Nestroi, Florian Heiland, Stefan Weiske, René Büttner, Thomas Gohr

Hersteller
Vereinigte Porphyrbrüche auf dem Rochlitzer Berge GmbH
Rochlitz, D

Kompetenz
Naturwerkstein aus Porphyr

Bauherr
Katholische Propsteipfarrei St. Trinitatis
Leipzig, D

Künstlerische Gestaltung Liturgische Orte
Jorge Pardo
Los Angeles, USA

Künstlerische Gestaltung Kirchenfenster
Falk Haberkorn
Leipzig, D

Tragwerksplanung
Seeberger Friedl Planungsgesellschaft mbH Ingenieurbüro für Tragwerksplanung
München, D

Büro für Baustatik Benno, Dominik und Mathias Förtsch Ingenieur Partnerschaftsgesellschaft
Leipzig, D

Lichtplanung
Peter Andres Beratende Ingenieure für Lichtplanung
Hamburg, D

HLS-Planung
MLT Medien Licht Technik Ingenieure GmbH
Leipzig, D

Akustik
Müller-BBM GmbH
NL Dresden, D

Bauphysik/Nachhaltigkeit
Prof. Michael Lange Ingenieurgesellschaft mbH
Berlin, D

ee concept GmbH
Darmstadt, D

Brandschutz
Brandschutz Consult Ingenieurgesellschaft mbH
Leipzig, D

Freianlagen
r+b landschaft s architektur gbr
Dresden, D

Fertigstellung
2015

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