10. September 2018
Ein organisch geformter Baukörper mit unterschiedlichen Fassadenakzenten an einem künstlich angelegten See bildet die erste Erweiterungsstufe des WALA Heilmittel GmbH in Bad Boll. (Bild: Zooey Braun)
Die Wala Heilmittel GmbH im Bad Boll produziert bekannte Marken wie etwa die Dr. Hauschka Natur- und Biokosmetik. Unweit vom bisherigen Standort wurde nun der erste Baustein für ein neues Firmengelände gelegt, entworfen von h4a Architekten.
Projekt: Technikum der Wala Heilmittel GmbH (Bad Boll, DE) | Architektur: h4a Gessert + Randecker Generalplaner GmbH (Stuttgart, DE) | Bauherr: Wala Heilmittel GmbH (Bad Boll, DE) | Hersteller: verschiedene | weitere Projektdaten siehe unten
Bad Boll ist – das „Bad“ verrät es – ein Kurort mit eigenen Quellen, genauer: Schwefel- und Thermalquellen, die hier schon 1595 gefunden wurden und seither genutzt werden. Somit ist Bad Boll also der ideale Standort für ein Unternehmen wie die WALA Heilmittel GmbH, die Arzneimittel und Kosmetik unter Berücksichtigung der anthroposophischen Weltanschauung herstellt. Gegründet wurde das Unternehmen 1935 im nicht weit entfernten Ludwigsburg bei Stuttgart von Rudolf Hauschka, der sich seinerseits auf die Anthroposophie von Rudolf Steiner berief. In Bad Boll (im Stadtteil Eckwälden) am Nordrand der Schwäbischen Alb sitzt WALA seit 1950. Das Marktwachstum, die steigende Produktion, aber auch die sich immer rascher ändernden regulatorischen Anforderungen machten es im neuen Jahrtausend bald nötig, sich zu ereitern. 2008 wurde deshalb ein geladener Wettbewerb zur städtebaulichen Konzeption eines neuen Grundstücks – vom Firmengelände aus gesehen quasi auf der anderen Seite der Thermalquellen – als Erweiterungsstandort ausgelobt.
Die Fassade nimmt über die Materialität bereits die Farben der Umgebung auf und wird künftig von Kletterpflanzen bewachsen sein. (Bild: Zooey Braun)
h4a Architekten aus Stuttgart konnten den Wettbewerb mit einer Idee für sich entscheiden, die eine Gesamtanlage als landschaftsgerechte Zellenstruktur vorsieht. Zukünftig soll sie Teil eines neu geformten Lanschaftsparks sein, wobei (so die Architekten) „der Einklang zwischen Mensch und Natur sowie der respektvolle Umgang mit den Qualitäten und Rhythmen der Natur eine entwurfsprägende Rolle spielten“. Wie ein wachsender, anpassungsfähiger Organismus, der offen für zukünftige Entwicklungen sei, haben sie eine städtebauliche Struktur erdacht, die eine Art organisches WALA-Dorf schafft. Die einezelnen, formal zellenartigen Baukörper fächern sich dem Gelände folgend dabei auf, verbunden durh eine „Landschaftsplatte“ als zusammenhängende Grünfläche, die die einzelnen Gebäude verschmelzen lässt. „Die Arbeitswelt wird zu einem Teil der Landschaft und vermittelt schon in ihrem äußeren Erscheinungsbild die Firmenideologie“, erläutern die Architekten.
Eine sehr zarte Wölbung in der Erdgeschoss-Fassade markiert den Haupteingang. (Bild: Zooey Braun)
Drinnen schließlich ist das großzügige, dreigeschossige Atrium das repräsentative Herz des Entwurfs. Hier befinden sich auch das Foyer mit Empfang sowie die Cafeteria und Besprechungsräume, hier entsteht auch eine gewisse Großzügigkeit mit Aufenthaltsqualität. Stützenfrei windet sich eine Treppe wie eine weiße Skulptur nach oben zu den Laboren, Auswerte- und Bürozonen, deren Arbeitsplätze übrigens immer an der Außenfassade angeordnet sind. Zwischenzonen, offene Galerien und sich aufweitende Flurzonen schaffen Begegnungsorte für die Mitarbeiter, mit mitunter reizvollem Ausblick in die Umgebung. Das Atrium dient gleichzeitg auch dem Brandschutz: Ein Infrarotstrahl unter dem abschließenden Glas kontrolliert permanent, ob sich Rauch im Oberlicht ansammelt. Der Rauchabzug geschieht im Falle über Absaugungen, die elegant hinter der Verkleidung versteckt sind (siehe Detail unten). Die Schattenfugen im Oberlicht-Fries, über die der Rauch abgezogen wird, deuten auf dieses System hin.
Mit ihrem Entwurf der WALA-Erweiterung in Bad Boll schaffen h4a Architekten ein Ensemble, das das Stadtbild prägen wird. Im Vergleich zur bestehenden, eher kleinteiligen Gebäudestruktur an diesem Ort wirken die neuen Bauwerke zunächst vielleicht sogar überdimensioniert. Gut ist also, dass Architekten wie Bauherren Wert auf ein Integrieren der Baumassen in die Umgebung durch die Materialitäten und die Natur ins Auge gefasst haben. Das tut dem sich durch die neue städtebauliche Planung an dieser Stelle verdichtenden Bad Boll gut und hilft nicht zuletzt dem Bauherrn, seine anthroposophische Unternehmensphilosophie baulich sichtbar zu machen.
Die freie Ausformung der Baukontur zieht sich von der äußeren Gestaltung bis in den Innenraum. (Bild: Zooey Braun)
Lageplan (Quelle: h4a)
Grundriss 1. Obergeschoss (Quelle: h4a)
Grundriss Erdgeschoss (Quelle: h4a)
Fassadenschnitt (Quelle: h4a)
Detail Rauchabzug (Quelle: h4a)
Ein Infrarotstrahl überprüft permanent, ob sich Rauch im höchsten Punkt des Gebäudes bildet. Im Falle würde der über Abzüge, die hinter den Verkleidungen elegant versteckt sind, nach außen gezogen werden. (Bild: Zooey Braun)
Projekt
Technikum der Wala Heilmittel GmbH
Bad Boll, DE
Architektur
h4a Gessert + Randecker Generalplaner GmbH
Stuttgart, DE
Team
Marzena Mayer-Markowiak und Frank Trefzer (Projektleitung), Silvia Allhoff, Thomas Mehring, Harjean Faraj, Julian Bollinger, Daniel Schrade, Eva Berlin
Bauherr
Wala Heilmittel GmbH
Bad Boll, DE
Hersteller
Fassade: Schüco
Rankgerüst: Carl Stahl
Atriumtreppe: Haas Stahl-Metallbau
Kautschuckboden: Nora
Systemtrennwände: Strähle
Stehleuchten: Waldmann
Downlights: LTS
Glasdach: Raico
Sonnenschutz: Warema
Fliesen/Feinsteinzeug: Marrazi
Mobile Glastrennwände: Geze MSW
Mobile Holztrennwände: Karl Günther
Sanitärtrennwände: Kemmlit
Laborpendelleuchten: Ridi
Landschaftsarchitektur
Glück Landschaftsarchitektur BDLA
Stuttgart, DE
Objektüberwachung
h4a mit SAI
Stuttgart, DE
Fassadenplanung
h4a mit PBI Entwicklung innovativer Fassaden GmbH
Wertingen, DE
Tragwerksplanung
iwp Ingenieurbüro für Tragwerksplanung
Esslingen, DE
Haustechnik
IP Innovatives Planen GmbH
Neckartenzlingen, DE
Elektroplanung
Röwaplan AG
Abtsgmüd, DE
Laborplanung
Dr. Heinekamp Labor- und Institutsplanung GmbH
Karlsfeld, DE
Brandschutz
LW Konzept
Stuttgart, DE
Bauphysik
BBI Bayer Bauphysik Ingenieurgesellschaft mbH
Fellbach, DE
Gebäudesimulation/Thermische Simulation
IPJ Ingenieurbüro P. Jung GmbH
Köln, DE
Baugrundgutachten
BWU – Institut für Umweltgeologie, Hydrologie, Baugrunduntersuchungen und Geoinformatik
Kirchheim unter Teck, DE
Wettbewerb
2008, 1. Preis
Planungsbeginn
2011
BGF
9.800 m²
NF
5.100 m²
BRI
41.100 m³
Fertigstellung
2017
Fotografie
Zooey Braun
Projektvorschläge
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