Zeitreise

Franz Reschke Landschaftsarchitektur
22. April 2020
Weserpromenade (Visualisierung: Franz Reschke Landschaftsarchitektur)
Die nordrhein-westfälische Kreisstadt Höxter beabsichtigt im Rahmen der Landesgartenschau 2023 zu den Ausstellungsbeiträgen auf einer Fläche von 35 Hektaren Grünflächen, Promenaden und Parkanlagen zu gestalten, die dauerhaft ein zentrales Element des öffentlichen Grüns in der Stadt darstellen sollen. Welche Bedeutung hat der Wettbewerb für Höxter?

Mit der Landesgartenschau und den daraus resultierend umgestalteten Freiräumen strebt die Stadt Höxter mehrere Ziele an. Mit der Erneuerung der Wallanlagen wird ein zentraler Freiraum in der Stadt in seiner Nutz- und Erlebbarkeit gestärkt. Durch die verbesserte Anbindung der Wallanlagen an die Weser, sowie durch die Umgestaltung der Weserpromenade, rückt die Altstadt näher an den Fluss. Die Weserpromenade hat für die Stadt einen sehr hohen Stellenwert: Radtourismus, Veranstaltungen und vielfältiger Aufenthalt an einem aufgrund seiner Dynamik und landschaftlicher Einbettung beeindruckenden Fließgewässer. Ein neuer Freiraum, sicher nicht nur für Höxter von sehr hoher Bedeutung, ist der Geschichtspark auf den Flächen der durch die Stadtwüstung von 1265 (von den Höxteranern) zerstörten Siedlung Corvey, im direkten Kontext des Welterbes Schloss Corvey. Die Entwicklung des Geschichtsparks als neuem Parkraum generiert weitere Belebung und Bewegung entlang der Weserpromenade. Insgesamt wird durch die Gartenschau das zentrale Freiraumgerüst der dichten und atmosphärischen Altstadt aufgewertet und trägt so zu einer lebenswerten und auch für Besucher attraktiven Stadt Höxter bei.

Weserpromenade - Bestand (Foto: Franz Reschke Landschaftsarchitektur)
Wie gliedern Sie die Ausstellung?

Bereits im Bestand lassen sich vier eigenständige und identitätsstarke Teilbereiche (Wallanlagen, Weserpromenade, Corveyer Weserbogen, Remtergarten) ausmachen. Diese werden alle Bestandteil der Gartenschau sein und durch den 2,5km langen Promenadenweg miteinander verknüpft. Unter dem Arbeitstitel ‚Zeitreise’ zielen verschiedene Maßnahmen auf die Stärkung der Wahrnehmbarkeit der verschiedenen Zeitschichten und Geschichten der Orte ab. Die Gliederung der Parkräume, das Freistellen des Bestandes, präzise gesetzte Aussichtspunkte und ein qualifiziertes Wegeleit- und Informationssystem tragen zur Vermittlung der reichhaltigen Geschichte bei. Einen baulichen Schwerpunkt bildet der im Geschichtspark vorgesehene Ort der Information (Aufzug in die Geschichte), dessen Umsetzbarkeit seitens der Stadt Höxter grundsätzlich gewünscht aber noch nicht gesichert ist. Insgesamt wird sich hoffentlich die Vielfalt der Gartenschau weitgehend unter diesem Thema einsortieren lassen. Unserer Meinung nach eine der größeren Herausforderungen.

Vier Orte – Verbindung (Grafik: Franz Reschke Landschaftsarchitektur)
Gartenschau Dauerausstellung (Zeichnung: Franz Reschke Landschaftsarchitektur)
Wie organisieren Sie den Bereich Weserpromenade?

Entlang der langgestreckten Weserpromenade sind grundlegend zwei verschiedene Abschnitte zu differenzieren. Die baumbestandenen und grüngeprägten Bereiche südlich und östlich der Stadt Höxter. Dort haben wir jeweils flachere Ufer und es besteht etwas mehr Spielraum rückseitig des Weges. Demgegenüber steht der zentrale Abschnitt vorgelagert zur Altstadt. Hier ist man nah am Fluss und es sind die Natursteinmauern des Bahndammes, die der südexponierten Promenade einen warmen Rücken geben. Wir schlagen für den Promenadenweg ein durchgehendes Profil von etwa sechs Metern vor, was für ein Nebeneinander der verschiedenen Bewegungsformen sehr gut ausreichen wird. Die Materialität ist dabei für den zentralen Bereich in hochwertigem Natursteinpflaster vorgesehen. Es geht hier mehr um das Verweilen und Flanieren, weniger um das „Strecke machen“. Eine langgestreckte Bank wird der Mauer vorgelagert und wird zum Treffpunkt für die Bürger und Gäste der Stadt. Die Weserstufen bieten darüber hinaus weitere Sitzmöglichkeiten nah am Wasser. Im landschaftlichen Abschnitt entstehen neue Aufenthalts- und Spielsituationen. Der bestehende Saum aus Bäumen und Sträuchern entlang der Bahn wird dabei integriert. Die Verknüpfungspunkte zur Stadt und zum Fluss werden durch in den Weg eingepasste Plätze betont. Zukünftig liegt der zentrale Bootsanleger direkt im Vorfeld des Zugangs vom Bahnhof. Sitzstufen und flache Uferzugänge (als Anlegestellen für Kanus) tragen weiterhin zu einem lebendigen und vielfältigen Parkraum an der Weser bei.

Weserpromenade – Piktogramm (Grafik: Franz Reschke Landschaftsarchitektur)
Weserpromenade - Bestand (Foto: Franz Reschke Landschaftsarchitektur)
Wallanlage

Einmal vorab zum Bestand: In den Wallanlagen gibt es im Bestand einige Konflikte zwischen den unterschiedlichen Geschwindigkeiten von Radfahrenden und Fußgängern. Die Wegestruktur wurde in den letzten Jahrzehnten dementsprechend immer wieder angepasst. Teilweise wurden diverse und beliebige Angebote in die Wallanlagen eingefügt, ohne sie auf das historische Ensemble abzustimmen. 

Mit unserem Entwurf stellen wir die historische Stadtmauer wieder als Kulisse für ein lebendiges Stadtleben frei. Wir entfernen zerschneidende Wege und schaffen deutlich großzügigere Wiesenflächen. Der wertvolle Baumbestand bildet dabei ein klares Gerüst, das nur weniger präziser Ergänzungen oder Anpassungen bedarf. Drei bis vier besondere Orte bilden darin Akzente und Anziehungspunkte für den umgebenden Stadtraum: Die durch Initiativen, soziale Einrichtungen und Akteure bespielten neuen Bürgergärten am Wall, dazu zwei neue Spielorte, die sich gestalterisch und räumlich besser einfügen, zwei kleine Platzsituationen am Berliner Platz und der Corbie Straße, die für Märkte und Veranstaltungen genutzt werden können. Durch neue Treppen- und Wegeanbindungen und vor allem durch die aufgeweiteten Entrées in Richtung Weserpromenade werden die Wallanlagen zukünftig noch stärker Ihrer Bedeutung als innenstadtnahem Grünraum gerecht.

Wallanlage - Bestand (Foto: Franz Reschke Landschaftsarchitektur)
Wallanlage – Piktogramm (Grafik: Franz Reschke Landschaftsarchitektur)
Wallanlage (Visualisierung: Franz Reschke Landschaftsarchitektur)
Geschichtspark

Die Brache des ehemaligen Holzgroßhandels

Geschichtspark - Bestand (Foto: Franz Reschke Landschaftsarchitektur)
Geschichtspark – Piktogramm (Grafik: Franz Reschke Landschaftsarchitektur)
Geschichtspark (Visualisierung: Franz Reschke Landschaftsarchitektur)
Welche landschaftsarchitektonischen Themen war Ihnen für die Gartenschau besonders wichtig?

Die behutsame Entwicklung geschichtsträchtiger Orte aus ihrem Bestand heraus. Präzise abgeleitete Interventionen, die Ihre Wirkung haben, ohne ‚alles’ neu und zwingend anders zu machen. Weiterhin ist es das Erlebbarmachen des Wassers über verschiedene Situationen: mal weich und sanft, wie am Kiesstrand am Weserbogen und an anderer Stelle urban-baulich entlang der Promenade. Der Geschichtspark muss flexibel auf die noch ausstehenden Grabungen und Entwicklungen reagieren, das ist etwas was man nicht alle Tage bearbeitet. Gleichwohl haben wir uns im Büro mit ähnlichen Themen bereits in einigen anderen Projekten beschäftigt. Die Festungsparks im Umfeld der Großfestung Koblenz, aber auch beim Umweltbildungspark Glauer Tal, haben wir diesbezüglich schon Erfahrungen gesammelt. Vielleicht als letzter Punkt: das limitierte Budget für die Gartenschau schafft Einschränkungen. Wir hoffen eine auch in dieser Hinsicht gute Weiterentwicklung unseres im Wettbewerb gewählten Ansatzes der „behutsamen Entwicklung aus dem Bestand“ formulieren zu können. Vielleicht wird es für die Gartenschaubesucher an manchen Stellen ein wenig rauer als gewohnt, aber auch das „nicht ganz perfekte Bild“ können wir uns gegenwärtig als sehr reizvoll vorstellen.

Was bleibt der Kreisstadt Höxter nach der Landesgartenschau?

Unser Entwurf zielt, wie eigentlich immer bei Gartenschauen, auf eine umfängliche Weiternutzung der Strukturen ab. Es wird ein maßstäbliches und in Bezug auf die Angebote angemessenes Freiraumgerüst für Höxter erhalten bleiben. Entlang des Weserradweges, einem der schon jetzt beliebtesten Fernradwege Deutschlands, wird es zukünftig noch mehr Anlass zum Rasten, Verweilen und Besuchen der Altstadt geben. Die Stadt wird wieder ans Ufer herangeführt und erhält dort eine hochwertige Promenade. 

Wir stehen gegenwärtig ganz zu Beginn des Planungsprozesses und aus diesem Grund sehen wir momentan die langfristige Wirkkraft als maßgeblich an. Die Schau, die sicher und zu recht Fülle und Vielfalt präsentieren wird, wird sich gut einpassen, da sind wir zuversichtlich. Im besten Fall wirken die umgestalteten Freiräume nach der Landesgartenschau 2023 so, als wären sie bereits länger, beziehungsweise schon immer Teil der Stadt und wurden nur in Ihrer Charakteristik wieder besser erlebbar gemacht. 

Daueranlagen (Zeichnung: Franz Reschke Landschaftsarchitektur)
Landesgartenschau Höxter 2023
Offener Wettbewerb
 
Auslober/Bauherr: Landesgartenschau Höxter 2023 gGmbH, Höxter
Betreuer: plan b - Jürgensmann Landers Landschaftsarchitekten Partnerschaft mbB, Duisburg
 
Jury
Axel Lohrer, Vors. | Stephan Lenzen | Matthias Lill | Elmar Pröbsting | Prof. Dr. Hans-Peter Rohler
 
1. Preis
Landschaftsarchitekt: Franz Reschke Landschaftsarchitektur, Berlin
 
2. Preis
Landschaftsarchitekt: ST raum a. Gesellschaft von Landschaftsarchitekten mbH, Berlin
 
3. Preis
Landschaftsarchitekt: club L94, Köln

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