Bahnstadt Heidelberg - Baufelder B1 und B2

Raumkontinuum

Peter Petz
5. Juli 2017
Blick aus der Stadtloggia

In zentraler Lage der Heidelberger Bahnstadt soll in den Baufeldern B1 und B2 ein angemessener, innerstädtischer Nutzungsmix aus Wohnen, Hotel und Büro realisiert werden. Welche Ausgangssituation haben Sie vorgefunden?
Die Bahnstadt ist ein ganz junger und etwas isolierter Stadtteil Heidelbergs. Viele Heidelberger kennen die Situation dort noch nicht. Mit dem Projekt Bahnhofsplatz Süd entsteht nun die wichtigste Verknüpfung der Bahnstadt mit dem Stadtzentrum. Das zentrale Bindeglied führt direkt über den Querbahnsteig des Hauptbahnhofs. Hinzu kommt im südlichen Anschluss an den Bahnhofsplatz ein Konferenzzentrum, für das gerade ein Wettbewerbsverfahren läuft

Lageplan

Gab es Bezugsbilder, die Sie im Entwurf umsetzen wollten?
Während der Wettbewerbsbearbeitung habe ich ein Wochenende in der Stadt verbracht und mir alles genau angeschaut. Ich bin auf dem Königstuhl, das ist der Hausberg der Stadt, gewesen. Bin den Philosophenweg gewandert und habe mir natürlich alles in der Altstadt angesehen. Fast von überall führt der Blick immer wieder auf die Schlossruine. Der rote Neckarstandstein der die unterschiedlichen Bauteile und Epochen zu einem großen Ganzen zusammenfügt ist etwas sehr faszinierendes. Schaut man dann weiter auf die Stadt, sieht man den Sandstein überall, bei den Brücken, den Wege- und Uferbefestigungen und vor allem als Belag auf Straßen und Plätzen. Mit dem Entwurf wollten wir an diese Einheit, die ja die Identität der Stadt prägt, anknüpfen. Alle Gebäude sind deshalb ganz bewusst in einem Duktus entworfen. Wir haben aber schon geahnt, dass die Heidelberger wegen dem Alleinstellungsmerkmal des Schlosses und der Altstadt keine roten Fassaden gutheißen würden. Wir haben deshalb alles in sandfarbenem Sichtbeton geplant. Wenn man genau hinsieht, gibt es aber einen Hauch Rot darin. Das zweite Bezugsbild war der denkmalgeschützte Heidelberger Hauptbahnhof von 1955. Zu seiner Entstehungszeit war er einer der modernsten Bahnhöfe Europas. Ziel war es auch, an diese Nachkriegsmoderne anzuknüpfen. Denn unser Projekt schließt unmittelbar an den Bahnhof an.

Können Sie uns über die beiden Stadtfelder führen, als ob sie schon fertiggestellt wären?
Besucher werden über den durch eine Brücke verlängerten Querbahnsteig auf den Platz gelangen. Das zukünftige Konferenzzentrum und das Hotelhochhaus stehen gleich beim Verlassen des Bahnhofs im Fokus. Sie bilden die Landmarken am Platz. Der Weg führt in die „Stadtloggia“ die von Läden und Cafes flankiert wird. Von hier gelangt man direkt in die Büroflächen. Unter der Loggia befindet sich ein sehr großes Fahrradparkhaus mit über 1200 Stellplätzen. Deshalb sind in die Loggia offene Treppen integriert, damit die Pendler wettergeschützt und auf kurzem Weg zur Bahn gelangen. Die Zufahrt in das Fahrradparkhaus liegt übrigens neben der Loggia eingebettet in ein großes Wasserbecken. Auf der westlichen Platzseite ist ein weiteres Bürogebäude geplant. Gewerbe im Erdgeschoss und natürlich auch das Hotel beleben den Platz. Zwischen diesen beiden Baukörpern führt der Weg auf einen Quartiersplatz und eine Diagonale in deren Blickpunkt der alte Wasserturm liegt. Am anderen Ende kann später einmal eine Fahrradbrücke über die Gleisanlagen anschließen. Den westlichen Abschluss bildet ein ruhiger Wohnhof mit über 90 Wohnungen und Gewerbe und Dienstleistungen im Erdgeschoss. Da zwischen Czernyring und den Gleisen am Max Plank Ring ein Höhenunterschied von über 6 Metern besteht, führen Treppen und Aufzüge auf das untere Niveau. Hier entstehen der Fernbusbahnhof, eine Zufahrt für das Hotel und weitere Gewerbeflächen. Dahinter verbirgt sich eine zweigeschossige Tiefgarage die das gesamte Gelände umfasst.

Grundriss Erdgeschoss
Schnitt

Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?
Als Architekt und Stadtplaner waren mir die städtebaulichen Themen viel wichtiger. Es ging nicht nur darum Gebäude und Fassaden zu planen sondern vielmehr darum, städtischen Raum zu entwerfen. Wir haben uns weitgehend am Rahmenplan der Stadt orientiert. Wichtig war das Einhalten der Raumkanten am Bahnhofsplatz die aus der Umgebung resultieren. Die Vorgabe, eine direkte Sichtbeziehung vom Querbahnsteig zum geplanten Konferenzzentrum zu schaffen haben wir mit unserer Arbeit am konsequentesten umgesetzt. Indem wir den Platz durch eine tiefe Stadtloggia ergänzt haben, ohne den Platz an sich zu vergrößern ist dies gelungen. Hinzu kommt, dass wir eine Sichtachse zwischen Bahnhof und Wasserturm geschaffenen haben. Der Wasserturm ist eine Art Signet für das Quartier und deutet auf die ehemalige Nutzung als Güterbahnhof hin. Das Thema der Sichtachsen und das Lineare ist ja auch das Grundprinzip der gesamten Bahnstadt. Die Achse knüpft direkt an den Bahnhofsplatz an. Das Hotel haben wir dafür freigestellt. Der Wohnblock wird dadurch besser in das Quartier eingebunden. Sichtachse, Quartiersplpatz, Bahnhofsplatz und Loggia bilden gemeinsam ein ganz besonderes Raumkontinuum, das das Projekt am Ende mehr prägen wird als die Architektur.

Ansicht Stadtloggia Süd-Ost

Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?
Ich hatte ja schon von der Faszination des roten Neckarsandsteins der die Homogenität der Stadt prägt gesprochen. Wir wollten etwas finden, was daran anknüpft, aber möglichst nicht alles mit Naturstein verkleiden. Die Bauten in der Bahnstadt sind überwiegend weiß in Putz oder mit Metallfassaden. Davon wollten wir uns abheben. Wir haben uns deshalb für eine faserbewehrte Sichtbetonfassade entschieden. Mit den heutigen Technologien kann man sehr dünne und großformatige Fassaden herstellen. Die erwähnte Farbigkeit lässt sich sehr gut durch den verwendeten Sand bestimmen. Die Einheitlichkeit des Materials führt die Häuser zusammen. Durch unterschiedliche Leibungen, Brüstungsbänder und Ecklösungen erhält jedes Gebäude aber eine individuelle Handschrift. 

Fassadenschnit Hotel
Fassadenschnit Bürohaus
Fassadenschnit Wohnhaus

Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?
Ja, der Bauherr, die Zech Stiftung mit der Zech Gruppe möchte das Projekt sehr zügig realisieren. Parallel zum Bebauungsplanverfahren das nun beginnt werden wir bis zum Frühjahr 2018 die Bauanträge erarbeiten. Der Baubeginn soll bereits im Herbst 2018 erfolgen. Die Fertigstellung ist für Ende 2020 geplant.

Strukturplan

Bahnstadt Heidelberg - Baufelder B1 und B2
Einladungswettbewerb

Auslober/Bauherr: Gustav Zech Stiftung Heidelberg GmbH, Bremen
Betreuer: ANP Architektur- und Planungsgesellschaft mbH, Kassel

Jury
Prof. Dr. Franz Pesch, Vors. | Rüdiger Ebel | AW Faust | Jürgen Odszuck | Markus Schaefer | Jan Störmer | Ekkehard Voss | Prof. Andrea Wandel

1. Preis
Architekt: Winking · Froh Architekten BDA, Berlin, Hamburg
Landschaftsarchitekt: POLA, Berlin

2. Preis 
Architekt: HPP Architekten, Düsseldorf, Stuttgart, Leipzig, Köln, Hamburg, Frankfurt, Berlin, München, Istanbul, Shanghai
Landschaftsarchitekt: LAND Germany, Duisburg, Mailand
Brandschutzplaner: Corall Ingenieure, Meerbusch (Osterath)
Tragwerksplaner: imagine structure, Frankfurt am Main, Köln

3. Preis
Architekt: KSP Jürgen Engel Architekten, Frankfurt am Main, München, Berlin, Braunschweig, Beijing
Landschaftsarchitekt: FSWLA Landschaftsarchitektur, Düsseldorf, Köln
Tragwerksplaner: Weiske + Partner Beratende Ingenieure, Stuttgart, Berlin, Illerkirchberg
TGA-Fachplaner: Lemon Consult, Zürich
Brandschutzplaner: Ingenieurbüro Michielsen, Neustadt an der Weinstraße
Verkehrsplaner: Eger Consult, Darmstadt

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