Bunte Mischung im Zentrum Neu-Hohenschönhausen

superwien urbanism zt
9. März 2022
Blick ins urbane Wohnzimmer (Visualisierung: superwien urbanism zt)
Im Berliner Bezirk Lichtenberg soll der Prerower Platz mit angrenzenden Bebauung zu einem urbanen Zentrum entwickelt werden. Welche Ausgangssituation haben Sie vorgefunden?

Die Situation des Zentrums von Neu-Hohenschönhausen ist fragmentiert und hat zurzeit viele Lücken. Mit dem Linden Center, dem Gesundheitszentrum und dem Kino sind die Aktivitäten doch sehr begrenzt und erfüllen nicht die Kriterien eines sozialen Treffpunktes, schon gar nicht jenen eines Zentrums. Ein riesiger Parkplatz dominiert heute den Ort. Aber, gerade in Zeiten der Pandemie haben wir gelernt, dass das ,Lokale' wesentlich ist, wir brauchen wieder Orte mit kurzen Wegen, die verbinden und Identität schaffen. Da gehört auch ein gewisses Maß an Urbanität und Dichte dazu. Der Prerower Platz funktioniert im heutigen Zustand nur sehr schlecht, da umgeben von einem großen Anteil an versiegelten Freiflächen und Gebäuden ohne direktem Verhältnis zu den Erdgeschosszonen, was zu einer niedrigen Aufenthaltsqualität führt. Durch die hohe Einwohner-Dichte in der Umgebung und den Schulen hat der Ort aber sehr viel Potenzial wieder belebt zu werden. Wir haben jetzt die Chance, diesen Ort zu reparieren und mit vielen Entwicklungsmöglichkeiten zu beleben. Und dies in kurzer Distanz zu den Wohnungen und Schulen als Ergänzung zum Linden Center, und in unmittelbarer Nähe des öffentlichen Verkehrs. 

Schwarz-Grün-Plan (Zeichnung: superwien urbanism zt)
Wie haben Sie auf den Kontext reagiert?

Um die Nachbarschaft zu stärken wurde Rücksicht auf den Bestand genommen - so wird eine bessere Anknüpfung an das neue Zentrum ermöglicht. Die bestehenden öffentlichen Flächen, der Platz vor dem Linden Center im Westen und der Park mit dem Bürgeramt im Osten werden mittels einer Hauptachse als Fußgängerzone mit dem Prerowa Platz verbunden. Um den Platz besser zu fassen, wurde ein zusätzliches Gebäude vor das Gesundheitszentrum platziert. Die Fassaden im Bestand sind nicht attraktiv genug. Der urbane Platz wird soll als urbanes Wohnzimmer in Szene gesetzt werden, da kann es schon mal enger sein – die Nutzungen auf Augenhöhe sollen in Kommunikation zueinander treten. 

Mit der hervorragenden Anbindung an den öffentlichen Verkehr wird dieses Potential besonders genutzt und ein lebendiger Ort als Treffpunkt für die hohe Einwohnerzahl wie auch für die zukünftigen Pendler geschaffen. Differenzierte und markante Hochpunkte werden die Nachbarschaft prägen. Schon von Weitem wird man das neue Zentrum wahrnehmen.

Die meisten Grünflächen werden erhalten und neu definiert. Die Zugänge zu den geplanten Schulen wurden strategisch gedacht, um Sicherheit und eine kinderfreundliche, grüne Umgebung zu schaffen. Die autogerechte Stadt der 1980er-Jahre wird durch das völlig autofreie Zentrum ergänzt, eine wahre Oase der Entspannung für tausende Bewohner und Pendler. Kinder werden in einem autofreien Zentrum aufwachsen, welches sie normalerweise nur in historischen Zentren finden würden. Wir bauen die Urbanität der Zukunft, und diese ist klarerweise autofrei.

Übersichtsplan (Zeichnung: superwien urbanism zt)
Welche Vorstellung von Stadt, Arbeiten und Wohnen liegt Ihrem Entwurf zugrunde?

Wie der Name des Projektes sagt, die ,Bunte Mischung‘ soll das neue Zentrum eine Vielfalt an Möglichkeiten bieten, als städtebauliches Ensemble, mit einer horizontalen, aber auch vertikalen Durchmischung der Nutzungen. So soll auch der Platz zu jeder Uhrzeit belebt sein. Die überwiegende Wohnnutzung sollen durch aktive, kommerzielle und nicht-kommerzielle Sockel geprägt werden, ein hoher Anteil an Büroräumen ist vorgesehen. Uns geht es um die behutsame Mischung der Nutzungen, wohl programmiert damit die Aktivierung und Mischung auch tatsächlich geschieht. Neben dem Kulturzentrum (KuBiz) gibt es eine Auswahl an Gemeinschafts-, Sozial- und Gewerbeflächen. Eine Markthalle soll dem Platz noch mehr Energie verleihen. Am Boulevard entlang entsteht eine grüne und aktive Fußgängerzone als eine intelligente Kette von öffentlichen Räumen auf Augenhöhe mit Stadtterrassen, in den Obergeschossen gibt es Wohnen und Arbeiten. Durch die optimale Anbindung an den Bahnhof werden auch die Anforderungen an das neue Zentrum angepasst, um es zugänglicher für Menschen zu machen. 


 

Schnite (Zeichnung: superwien urbanism zt)
Funktionen (Zeichnung: superwien urbanism zt)
Was wird die Qualität des überarbeiteten Quartiers ausmachen?

Mit der Neudefinition des Zentrums und den verbesserten Anknüpfungspunkten zur Umgebung wird der Ort neu integriert und belebt. Der Individualverkehr wird an den Rand verlagert damit man im Inneren kein Auto mehr sieht; die Gestaltung der öffentlichen Räume wird dem menschlichen Maßstab angepasst und durch viele neue Sitzmöglichkeiten, Bepflanzungen für Schatten sowieAktivitäten im Erdgeschoss ergänzt. Klimarelevante Themen wie zum Beispiel Fassadenbegrünungen, Versickerungsflächen und Aktivierung von Dachflächen stehen im Vordergrund und sind eng mit dem städtebaulichen Konzept verknüpft. Allein die Durchmischung der Funktionen und die verschiedenen Wohnkonzepte werden zur hohen Qualität der Nachbarschaft führen. Letztendlich könnte sich dieses Projekt zu einem urbanen Leitprojekt für die Entwicklung zukünftiger, mischgenutzter Knotenpunkte in der Metropole Berlin entwickeln. Wir gestalten die Zukunft Berlins mithilfe eines integralen Planungsansatzes – dafür brauchen wir mehr als einen Bauleitplan: mit Hilfe eines urbanen Regelwerks müssen auch die Nutzungen der Gebäude programmiert sein und die Architektur durch eine Qualitätssicherung behutsam abgestimmt werden. 

Urbanes Wohnzimmer (Visualisierung: superwien urbanism zt)
Multifunktionsarena (Visualisierung: superwien urbanism zt)
Wimmelbild (Zeichnung: superwien urbanism zt)
Ist schon ein Rahmenplan in Arbeit?

Nein, wir haben mit der Bearbeitung noch nicht begonnen, wir hoffen aber möglichst viele der genannten Punkte unseres städtebaulichen Ansatzes realisieren zu können. Wir wissen, Berlin ist nicht Wien, aber wir glauben, dass wir als Nicht-Berliner neue Ideen in den Diskurs zum Städtebau der Zukunft einbringen können. Wir freuen uns sehr über die spannende Aufgabe!

Leitplan Erdgeschoss (Zeichnung: superwien urbanism zt)
Urbanes Zentrum Neu-Hohenschönhausen in Berlin-Lichtenberg
Offener Wettbewerb
 
Auslobung: Land Berlin, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, Referat II D Architektur, Stadtgestaltung, Wettbewerbe, Bezirksamt Lichtenberg von Berlin, Stadtentwicklungsamt
Koordination: Machleidt GmbH, Berlin
 
Jury
Ulrike Lauber, Architektin, Berlin, Vors. | Christl Drey, Architektin und Stadtplanerin, Köln | Heiner Farwick, Architekt und Stadtplaner, Ahaus | Dieter Eckert, Architekt, Berlin | Gabriele Pütz, Landschaftsarchitektin, Berlin | Christoph Schonhoff, Landschaftsarchitekt und Stadtplaner, Hannover | Michael Grunst, Bezirksamt Lichtenberg von Berlin, Bezirksbürgermeister, Leiter der Abteilung Personal, Finanzen, Immobilien und Kultur | Kevin Hönicke, Bezirksamt Lichtenberg von Berlin, stellvertretender Bezirksbürgermeister und Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, Soziales, Wirtschaft und Arbeit | Martin Schaefer, Bezirksamt Lichtenberg von Berlin, Bezirksstadtrat für Schule, Sport, Öffentliche Ordnung, Umwelt und Verkehr | Manfred Kühne, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, Leiter der Abteilung Städtebau und Projekte | Dr. Sandra Obermeyer, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, Leiterin der Abteilung Wohnungswesen, Stadterneuerung, Soziale Stadt
 
1. Preis
superwien urbanism zt gmbh, Wien
Stefan Mayr, Roland Krebs
Mitarbeit: Katarina Sesic, Niklas Hörburger, Lennon Lee Hartmann, Mario Volenszki, Vanessa Braun
 
Studio Boden, Graz
Andreas Boden
Mitarbeit: Gabriela Deveras Torres Pinheiro
 
2. Preis
Schultz-Granberg Städtebau + Architektur, Berlin
Joachim Schultz-Granberg, Therese Granberg
Mitarbeit: Anna Nötzel · Daniel Heuermann
 
bbz Berlin Landschaftsarchitekten GmbH BdLa, Berlin
Timo Herrmann
Mitarbeit: Marc Leppin, Xalan Wang, Lucy Grevers

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