Masterplan Beleuchtungskonzept Freiham Nord, Erster Realisierungsabschnitt

Attraktive Lichträume

Peter Petz
2. Dezember 2015
Übersicht Vogelperspektive

Peter Petz: Im Münchener Westen soll in einem ersten Realisierungsabschnitt unter Verwendung aktueller LED-Technik ein Masterplan Beleuchtungskonzept für Stadtteil Freiham Nord entwickelt werden. Welche Bedeutung hat der Planungsworkshop für München?
Frank Vetter: Bisher hat es für München noch keinen übergreifenden Lichtmasterplan gegeben. Wir haben in der Vergangenheit bereits bei einer Potentialanalyse mitgewirkt, mit dem Ziel Möglichkeiten aufzuweisen, den Energieverbrauch und somit die CO2-Emission durch die gesamte Straßenbeleuchtung der Stadt München bis zum Jahr 2030 gegenüber 1990 um 50% oder mehr zu reduzieren. Dabei stand natürlich der Umstieg auf LED-Technik im Fokus der Betrachtungen. Das zukünftig entstehende Stadtgebiet Freiham-Nord, dient nun als Pilotprojekt um diese Technik großflächig einzusetzen. Es geht dabei aber noch um viel mehr: Es soll erstmals ein ganzheitliches Lichtkonzept über ein ganzes Stadtgebiet umgesetzt werden, welches Aspekte, wie die Ablesbarkeit der Stadtstruktur, Orientierung und einen hohen Lichtkomfort vereint.

Welche Ausgangslage haben Sie vorgefunden?
Das Areal Freiham Nord ist momentan eine leere Wiese. Grundlage zum Workshop bildete ein Rahmenplan, erstellt durch die Arbeitsgemeinschaft Ortner & Ortner Baukunst, mit BSM mbH und Topotek sowie für einen zweiten Bereich durch das Büro West 8. Dadurch wurden umfassend Bebauungen, Funktionen, Charakter, Verkehrssysteme et cetera beschrieben. Anders als bei Lichtmasterplänen für bestehende Stadtteile ist hier das Stadtbild aber noch unbespielt und bildet für ein durchgängiges Lichtkonzept die Freiheit einer leeren Leinwand. Gleichermaßen stellt dies aber auch eine Schwierigkeit dar, da es außer dem Rahmen keine Schablonen oder Vorlagen gibt, keine Architektur oder Gestaltungen, die gezielt unterstützt werden können. Peter Petz: Im Münchener Westen soll in einem ersten Realisierungsabschnitt unter Verwendung aktueller LED-Technik ein Masterplan Beleuchtungskonzept für Stadtteil Freiham Nord entwickelt werden.

Nachtplan

Welche Kernpunkte kennzeichnen Ihr vorgeschlagenes Beleuchtungskonzept?
Die Beleuchtung geht auf die jeweiligen Anforderungen der verschiedenen Bereiche sowie auf die Wege- und Platzhierarchien ein. Wahrnehmbar wird dies durch die Veränderung des Lichtcharakters, bezogen auf die jeweilige Raumsituation – dabei spielen Lichtfarbe, Rhythmus, und Intensität eine Rolle. Die hierfür erforderlichen Lichtwerkzeuge werden relativ einfach gehalten. Es wird gänzlich auf Effektbeleuchtungen oder besondere Elemente, welche sich in den Vordergrund drängen, verzichtet. Die Lichtquellen und Leuchtenkörper selbst sollen generell möglichst unauffällig bleiben und keine Störungen erzeugen. Dabei werden in Kombination mit dem Lichtkomfort trotzdem die hohen Anforderungen an Wirtschaftlichkeit und Effizienz erfüllt.

Systemdarstellung

Wie schaffen Sie den Spagat mit den Anforderungen Orientierung, Atmosphäre, Sicherheitsempfinden und Wirtschaftlichkeit?
Gutes Sehen, intuitive Orientierung und gute Raumatmosphäre sorgen mitunter für gutes Sicherheitsempfinden. Maßgeblich sind die richtige Positionierung der Leuchten und eine möglichst exakte Lichtlenkung. Eine exakte Lichtlenkung kommt der Effizienz der Leuchten zugute. Um jedoch die Investitionskosten gering zu halten, muss die Anzahl der Lichtpunkte gering, beziehungsweise der Abstand der Leuchten groß sein. Dazu musste ein optimales Verhältnis von Lichtpunkthöhe, -Position und Strahlungscharakteristik der Leuchten gefunden werden. Die Aubinger Allee zum Beispiel dient als Hauptverkehrsachse mit vielen unterschiedlichen Verkehrsteilnehmern. Da die Allee dicht mit Bäumen bepflanzt wird, musste bei den Leuchten auf eine möglichst verschattungsfreie Positionierung und Lichtverteilung über den Fahrwegen geachtet werden. Die Verwendung von Seilspannleuchten, mit nur einer erforderlichen Versorgungstrasse, hoher Lichtpunkthöhe und neutralweißer Lichtfarbe ist die wirtschaftlichste Lösung und betont dabei den Charakter der Verkehrsachse im Gesamtkonzept der Straßen- und Wegehierarchie. Trotzdem entsteht im Bereich der Fußwege noch ein dezentes Licht- und Schattenspiel durch die Baumkronen, welches den prägenden Charakter der Allee unterstreicht.

Die Fuß- und Radwegachse kommt mit einer geringeren Beleuchtungsstärke aus und erhält durch niedrigere Masten mit brillanter Lichtcharakteristik in Warmweiß eine «intimere» Atmosphäre. Die Leuchten sind engstrahlend und gut ausgeblendet. Sie erzeugen in Kombination mit dem Mastabstand einen stärkeren Hell/Dunkel-Rhythmus, welcher sich noch im Rahmen der Norm bewegt aber durch Brillanz und Dynamik trotzdem einen eigenen Wege-Charakter prägt.

Insgesamt wird somit die Ablesbarkeit der Straßen- und Wegehierarchien unterstützt. Wichtige Merkmale zur Orientierung, wie Knotenpunkte, Kreuzungen, Plätze, werden hervorgehoben und der Wiedererkennungsmerkmale geprägt. Besonders Blickbeziehungen zu Punkten mit hohen Gebäuden sollen durch Licht unterstützt werden. Um Platzräume zu definieren, erhalten die Fassaden und Raumkanten Aufhellungen durch Anstrahlungen oder gebäudeintegrierte Lichtelemente. 

Querschnitte: oben: Fuß- und Radwegachse: Freihamer Anger unten: Hauptverkehrsstraßen: Bodenseestraße und Aubinger Allee
Aubinger Allee: Lichtstärkeverteilung der Seilleuchten

Können Sie uns um das beleuchtete Freiham Nord führen, als ob das Projekt schon fertiggestellt wäre?
Zwei Ausgangspositionen eignen sich dafür als Startpunkt:
1. Als Autofahrer über die Bodenseestraße von der Autobahn kommend: Die Hauptverkehrsstraßen erhalten alle Mastleuchten mit hoher Lichtpunkthöhe und neutralweißer Lichtfarbe. Die Verkehrsführung auf den Hauptverkehrsstraßen sowie Abzweige und Kreuzungen zu Fußwegen und Wohnstraßen in warmweißer Lichtfarbe sind für die Verkehrsteilnehmer klar ablesbar und unterstützen die intuitive Orientierung.
2. Als Fußgänger oder Radfahrer vom Bahnhof kommend: Auf dem Bahnhofplatz und auf dem Stadtplatz befinden sich große Mastleuchten mit Strahlern jeweils im Randbereich positioniert. Die Raumkanten werden besonders betont und definieren den Raum. Durch den Beleuchtungscharakter entsteht über die kreuzende Bodenseestraße hinweg eine zusammenfassende Platzsituation. Auf dem Stadtplatz fällt die Beleuchtungsstärke zur Platzmitte ab und Raum für spielerische Lichtinszenierungen wie Baumanstrahlungen, Lichtmöbel, Wasserspiele oder Ähnliches wird freigegeben. Nach Norden unterscheiden sich die zwei bedeutenden Verkehrsachsen deutlich in ihrem Charakter: Die Aubinger Allee, gleichmäßig neutralweiß aus großer Lichtpunkthöhe ausgeleuchtet und die Fuß- und Radwegachse mit einem deutlich ablesbaren Lichtrhythmus, Brillanz und lauschiger Atmosphäre. Auf der Platzfläche des Freihamer Anger ankommend werden die flankierenden Arkaden seitlich ausgeleuchtet und wenige Bäume dezent angestrahlt. Die kreuzenden Wohnstraßen erhalten eine mittlere Lichtpunkthöhe mit guter Entblendung. Die Leuchtenmasten ordnen sich in die Baumreihen ein und hellen Teile der Baumkronen dezent mit auf. Auf den Parkwegen, sind die Leuchtenmasten niedriger. Die Ausleuchtung ist begrenzt auf die Wegeflächen, sonst bleibt die Parkbeleuchtung zurückhaltend. In den meisten Sichtachsen sind immer wieder hohe Gebäude sichtbar. Diese Gebäude sind markant beleuchtet und bilden einen optischen Ankerpunkt.

Zentraler Stadtplatz
Hauptverkehrsachse : Aubinger Allee
Fuß- und Radwegachse Freihamer Anger

Welches lichtgestalterische Thema war Ihnen besonders wichtig?
Im Vordergrund steht bei unseren Planungen vor allem immer, dass störungsfreies und gutes Sehen sowie eine angenehme Raumatmosphäre geschaffen wird. Darüber hinaus war es bei dieser Aufgabe besonders wichtig, ein schlüssiges Gesamtkonzept zu entwickeln, welches gleichermaßen die Orientierung unterstützt, angemessen auf die jeweilige Raum- oder Straßensituation eingeht und dabei trotzdem unkompliziert umsetzbar ist.

Querschnitt: Stadtplatz

Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?
Es ist geplant, den weiterführenden Entwurf des Lichtmasterplanes bis zum Frühjahr 2016 fertigzustellen. Insbesondere für den Einsatz von Licht in Privatflächen soll bereits kurzfristig, also noch in diesem Jahr, ein Rahmen definiert werden, welcher vorgibt in welchen Grenzen sich Gebäude- und Schaufensterbeleuchtungen sowie Lichtwerbungen et cetera bewegen dürfen, damit diese Teil des Gesamtbild werden, ohne es zu zerstören.

Das neue Stadtquartier wird sich über eine Fläche von circa 85 Hektar erstrecken und soll in Teilabschnitten in einem Zeitraum von 30 Jahren entstehen.

Masterplan Beleuchtungskonzept Freiham Nord, Erster Realisierungsabschnitt
Planungsworkshop

Auftraggeberin
Landeshauptstadt München, Baureferat

Gutachter
Ulrike Brandi, Vors. | Lorenz Dexler | Christoph Elsässer | Rosemarie Hingerl | Andrew Holmes | Uwe Knappenschneider | Johann Sauerer | Christian Müller | Herbert Danner | Wolfgang Zeilnhofer-Rath | Sebastian Kriesel

1. Rang
Lichtplaner: ​​ Day & Light Lichtplanung, München (DE)

2. Rang
Lichtplaner: Bartenbach GmbH, Aldrans (AT)

3. Rang
Lichtplaner: podpod design, Wien (AT)

4. Rang
Lichtplaner: ​ Reflexion, Zürich (CH)

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