Im geretteten Raum

Ursula Baus
20. März 2013
St. Agnes im März 2013 (Bild: Ursula Baus)

Von Werner Düttmann (1921-1983) stammen nicht nur die Akademie der Künste (1958-60), sondern auch das Gemeindezentrum und die Kirche St. Agnes in Berlin Kreuzberg (1964-67). Als Gemeindezentrum aufgegeben, ist das zwischenzeitlich existentiell bedrohte Ensemble (Stahlbetonskelett, Ausfachungen, Spritzbeton) heute Eigentum der St. Agnes GmbH. Diese GmbH ist von den Berliner Galeristen Johann und Lena König gegründet worden, und hier, in dem ehemaligen Kirchenraum möchten sie Ende 2013 ihre Galerie neu eröffnen. Dafür baut Arno Brandlhuber den Raum, der unter anderem durch eine "unglaublich weiche Lichtführung" (Brandlhuber) besticht, um: mit einer neu eingestellten Ebene und einem Lager, das nicht in die bis 2014 sozial zu nutzenden Nebenräume hinein sollte. Noch lässt sich der Kirchraum in seiner Ganzheit erleben, und das lohnt sich unbedingt. Bis Mitte April wird hier die Ausstellung gezeigt, die Reiner de Graaf und Laura Baird (Partner im Büro von Rem Koolhaas) für die Biennale in Venedig 2012 beigesteuert hatten: "Public Works. Architecture by Civil Servants". Düttmanns Kirche St. Agnes wird hier in einen Zusammenhang mit öffentlichen Bauten aus den 1960er und 70er Jahren gestellt – zum Beispiel Henry Bernards Préfecture du Val d'Oise (1970) oder The Greater London Council. Während in der aktuellen Kultur:Stadt-Ausstellung auf digitale Informationsvermittlung gesetzt wird, begegnet man in St. Agnes der klassischen Präsentation mit Schautafeln und großformatigen Druckwerken – zugunsten eines Raumerlebnisses, das nur noch bis zum Umbau zu genießen sein wird.

St. Agnes im März 2013 (Bild: Ursula Baus)

Johann König ist der Sohn von Kaspar König, der bis Oktober 2012 das Museums Ludwig in Köln leitete, und Neffe des Buchverlegers und Buchhändlers Walther König. Die Aufmerksamkeit der Kunstwelt wird seinem Projekt also sicher sein – und wieder mal stellen sich die üblichen Fragen: Dass für St. Agnes eine denkmalpflegerisch tragbare Neunutzung gefunden und finanziert wird, ist gut. Dass sich Freunde der verteufelten Nachkriegsmoderne zusammengefunden haben, ist auch gut. Andererseits ist sicher, dass, sobald eine Kunst-Schickeria ein- und ausgeht, die üblichen Verdrängungsfragen gestellt werden. Insofern ließe sich St. Agnes mühelos als Projekt in die Kultur:Stadt-Ausstellung einfügen.
Wenn (Quartiers-)Aufwertung nur noch in einem Atemzuge mit (Bewohner-)Verdrängung debattiert wird, offenbart sich allerdings eine Schieflage in der Architektur- und Stadtentwicklung, die Pflege und Erneuerung unserer gebauten Umwelt auf ökonomischen Gewinn beschränkt. Hier ist die Politik gefordert, um Interessenslagen auszugleichen. Im Umfeld von St. Agnes sind beste Voraussetzungen dafür gegeben.

Bis 14. April 2013, Mi-So, 11-18 Uhr in Sankt Agnes, Alexandrinenstraße 118-121, 10969 Berlin-Kreuzberg

Bild: Arno Brandlhuber
Das Konzept von Arno Brandlhuber für den Umbau der Kirche zur Galerie König: Ein "Tisch" soll die nötige Kombination von Ausstellungs- und Lagerfläche schaffen. (Bild: Arno Brandlhuber)

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