Für wen leuchten die Leuchttürme?

Christian Holl
1. Mai 2013
Saniert und wieder eröffnet: das MAK von Richard Meier in Frankfurt. (Bild: MAK / Dieter Leistner)

Eitel Sonnenschein in Frankfurt: Fünf Monate nachdem es für die Sanierung und den Umbau der Innenräume schließen musste, hat das Frankfurter Museum für Angewandte Kunst wieder geöffnet. Von Einbauten befreit, mit neu gestaltetem Foyer, Shop und einem Café im 2. Obergeschoss lässt sich deutlich besser als zuletzt die Architektur Richard Meiers erleben, seit seiner Fertigstellung 1985 ein Meilenstein des Frankfurter Museumufers und des Museumsbaus in Deutschland. Ein mit dem Architekten Thibaut de Ruyter entwickeltes Raum- und Ausstellungskonzept, das variabler die Bestände präsentiert, hilft außerdem dabei, Architektur und Exponat in spannungsvolles Wechselspiel treten zu lassen. Eine der ersten von vier Ausstellungen der Wiedereröffnung ist dem "Frankfurter Zimmer" gewidmet, einem imaginären Raum, in dem wegweisendes Design aus Frankfurt zusammengestellt worden ist: Möbel von Dieter Rams, Ferdinand Kramer, die Reprints aller Ausgaben von "Das Neue Frankfurt", Grafik von Max Bittrof, Plakate von Gunter Kieser, Bücher der Regenbogenreihe des Suhrkamp Verlags von Willy Fleckhaus.

Vom Abriss bedroht: Das Philosophicum von Ferdinand Kramer. Ebenfalls Frankfurt. (Bild: Christian Holl)

Ein Architekturmodell steht auch in dieser Ausstellung, so prominent platziert, dass man es als eine Spitze gegen die für Leistungen von Frankfurter Gestaltern im Alltag reichlich unempfindliche Politik verstehen muss: Es ist Ferdinand Kramers Philosophicum, ein Pionierbau der 1950er Jahre, der erster Stahlskelettbau der Bundesrepublik mit sichtbar belassenen Außenstützen, Teil des Campus' der Universität, auf der die Frankfurter Schule zuhause war. Es soll abgerissen werden, der anhaltendes Protest dagegen hat daran bislang nichts ändern können. Ob der sich nicht einmal dezent zu nennende Hinweis hilft, dass man dem Erbe herausragender Kulturleistungen auch dort verpflichtet ist, wo sie nicht in Vitrinen gepackt werden kann oder als Museum genutzt wird? Skepsis ist angebracht.

Steht seit 2009 leer: die ehemalige Hauptverwaltung der IBM Deutschland in Stuttgart von Egon Eiermann, 1967–72. (Bild: Christian Schönwetter)

Zumal Frankfurt sich in solch widersprüchlicher Haltung nicht allein wissen muss. Auch in Stuttgart lässt man Gebäude verrotten, die mehr verdient haben, als still und leise von der Bildfläche zu verschwinden: Egon Eiermanns Bauten für die IBM im Stadtteil Vaihingen. 2009 war die IBM ausgezogen, der Käufer des Areals hatte einen zu hohen Preis bezahlt und ging insolvent. Die Insolvenzverwalter nun behaupten, nur der vollständige Abriss lasse eine sinnvolle Nutzung des Areals zu. Aber ist wirklich ein ernsthafter Versuch gemacht worden, einen Umgang mit Gelände und Architektur zu finden? Noch immer wird viel zu schnell auf Abriss entschieden, anstatt Umbau, Sanierung, Umnutzung in Erwägung zu ziehen.
Nicht nur in Stuttgart: In Hamburg wurde benannt, was die Elbphilharmonie nun tatsächlich kostet: 789 Millionen Euro sollen es werden, mehr als das zehnfache des ursprünglich angesetzten Preises. Angesichts dieses Preises ist grotesk, welche Pläne nun just im IBA Stadtteil Wilhelmsburg öffentlich wurden. Ein alternatives Kulturzentrum soll einem Neubau des Opernfundus weichen. Dickere Knüppel kann man denen, die sich innerhalb der IBA und abseits von ihr um diesen Stadtteil Hamburgs bemühen, kaum zwischen die Beine werfen.
Letzte Woche erst hatte Wolfgang Kil gefragt, ob denn die letzten zwanzig Jahre spurlos am urbanistischen Diskurs vorübergegangen seien. Das Plädoyer Kils für einen Städtebau "als vielschichtigen, konfliktreichen und deshalb zivilisierungsbedürftigen Prozess", der nicht vorgefasste Ideen in die Realität um den Preis implementiert, dass diese zuvor dafür erst einmal vereinfacht und reduziert werden muss, richtet sich an die ganze Republik. Leuchttürme zu pflegen und zu finanzieren ist nur dann sinnvoll, wenn man auch für die Schiffe sorgt, die von ihnen geleitet werden könnten.

Andere Artikel in dieser Kategorie