Fernsehturm und Brücken

Simone Hübener
10. April 2013
Bleibt bis auf Weiteres für Besucher geschlossen: der Stuttgarter Fernsehturm. (Bild: Simone Hübener) 

Am Mittwoch, 27. März, verkündete der neue Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn einen Beschluss, der für die meisten Stuttgarter alles andere als eine freudige Osterüberraschung gewesen sein dürfte: Aus Gründen des Brandschutzes müsse der Stuttgarter Fernsehturm bis auf Weiteres oder gar für immer geschlossen werden. "Denn: Es gibt nicht nur nicht zwei, es gibt gar keinen Rettungsweg", so Kuhn. Zu dieser Erkenntnis waren das Baurechtsamt im Rahmen einer erneuten Brandschau gekommen. Der Anlass dafür war – laut einem Bericht der Stuttgarter Zeitung vom 27. März – ein Antrag des Theaters über den Wolken für eine neue Genehmigung. Die Vorstellungen fanden bislang auf 144 Meter Höhe im Veranstaltungsgeschoss des Turmkorbs statt. "Diese [die Brandschau] ist alle fünf Jahre vorgeschrieben, allerdings wird wohl nur darauf geachtet, dass die Vorschriften der Baugenehmigung eingehalten werden. Nun aber, so die Baurechtsamtsleiterin Kirsten Rickes, hätten Mitarbeiter ihrer Behörde, die mit dem Turm bisher nichts zu tun gehabt hätten, genau hingeschaut, wobei ihnen das Fehlen der Fluchtwege aufgefallen sei." Seitdem kochen die Emotionen nicht nur in Stuttgart hoch. Es wird getwittert, Facebook-Seiten werden eingerichtet (u.a. diese), die Kommentare unter den verschiedenen Zeitungsartikeln immer zahlreicher und ebenfalls online kann eine Petition unterzeichnet werden. Und es gibt viele Fragen zu beantworten: Warum waren diese Mängel bislang keinem aufgefallen? Was geschieht mit den SWR-Mitarbeitern, die bislang am Turm gearbeitet haben (laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung haben sie derzeit Zwangsurlaub)? Wie geht es mit Restaurant und Café weiter (diese Mitarbeiter wurden laut SZ fristlos entlassen)? Wird es möglich sein, den Turm so nachzurüsten, dass die Sicherheit der Besucher durch bauliche oder organisatorische Maßnahmen künftig gewährleistet werden kann? Davon ist zumindest die Ingenieurkammer Baden-Württemberg laut einer Pressemeldung überzeugt. Bernd Sztuka, Sachverständiger für Brandschutz, "verweist in diesem Zusammenhang auf die Erfahrungen mit dem Mannheimer Fernmeldeturm, dessen Sanierung eng mit der Feuerwehr abgestimmt worden war und bei dem keine Bedenken hinsichtlich der Nutzung bestehen. Dafür musste allerdings auch ein siebenstelliger Betrag investiert werden." Mit der Schließung des Turms scheint sich in Stuttgart niemand abfinden zu wollen, auch von Seiten der Stadt und des SWR als Betreiber des Turms nicht. Denn bei einem Gespräch am gestrigen Dienstag, 9. April, beschlossen Kuhn und Peter Boudgoust, der Intendant des SWR, dass ein externer Sachverständiger damit beauftragt werden soll – namentlich das Büro Halfkann + Kirchner –, "Lösungsvorschläge für die Beanstandungen der Stadt beim baulichen Brandschutz zu entwickeln. Nach Vorlage des Gutachtens prüfen SWR und SWR Media Services die technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Realisierung." Es bleibt nun also zu hoffen, dass all dies zu einem positiven Ergebnis führt und alle Turmfans, egal ob Stuttgarter oder Besucher der Landeshauptstadt, möglichst schnell wieder den Blick von oben auf den Kessel und über den Kesselrand hinaus genießen können.

Zu "Oben bleiben" gesellt sich seit kurzem "Offen bleiben". Den Button gibt’s kostenlos am Turm. (Bild: www.fernsehturmstuttgart.com) 

Wer sich bis dahin an einem anderen Teil der Ingenieurbaukunst erfreuen möchte, dem sei die gestern eröffnete Ausstellung "Bau Kunst Design. Brücken im Regierungsbezirk Stuttgart" empfohlen. Die Kuratoren präsentieren 29 Brücken aus dem gesamten Regierungsbezirk Stuttgart, unterteilt in fünf Kategorien, wie "Großbrücken aus Stahlbeton" und "Grünbrücke". Die Texte fokussieren dabei auf die Bedeutung des Bauwerks für die Allgemeinheit und das Ingenieurswesen sowie die Besonderheiten der jeweiligen Konstruktion. Ergänzt werden sie von Bildern aus der Bauzeit und den fertigen Brücken, ausführlichen Bauwerksdaten und je einem, oftmals euphorischen Zitat eines Mitarbeiters des Regierungspräsidiums. Schließlich soll mit der Ausstellung "Einblick gegeben werden in die spannenden, vielfältigen und wichtigsten Aufgaben des Referats Ingenieurbau im Regierungspräsidium Stuttgart bzw. des Tiefbauamts der Stadt Stuttgart." Und an Ausstellungsorten wie der Uni Stuttgart erhoffen sich die Verantwortlichen sicher auch, angehende Bauingenieure im Hinblick auf das nahende Berufsleben zu begeistern.
Konzipiert wurde die Schau für das Haus der Wirtschaft, wo sie bereits 2012 zu sehen war. Aufgrund des Interesses der Besucher, das sich auch bei der gestrigen Eröffnung in der Anzahl der Gäste widerspiegelte, tourt sie nun von Ort zu Ort. Nach der Uni Stuttgart ist das Landratsamt Schwäbisch Hall an der Reihe.

Bau Kunst Design. Brücken im Regierungsbezirk Stuttgart, Fakultät für Bau- und Umweltingenieurwissenschaften, Foyer, Pfaffenwaldring 7, 70569 Stuttgart (Unicampus Stuttgart-Vaihingen); Öffnungszeiten bis 6. Mai 2013: werktags ca. 7-20h

Bild: rp-stuttgart.de
29 Brücken aus den Jahren 1777 bis 2011 präsentiert die Ausstellung "Bau Kunst Design. Brücken im Regierungsbezirk Stuttgart". (Bild: Simone Hübener) 

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