Die längst fällige Würdigung eines Genres

Ursula Baus
13. März 2013
August Moosbrugger, Blick von Süden auf das Ettlinger Tor, Skizzenbuch 1825-46 

Laptop und Digikamera, manchmal nur das Smartphone: Wozu braucht ein Architekt heute noch ein Skizzenbüchlein, wie es die Vorfahren jahrhundertelang hegten und pflegten? Einen Blick in die Vergangenheit dieser traditionsreichen Art, Gesehenes oder Erdachtes zu notieren, kann man bis zum 13. April in der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe werfen. Gezeigt werden rund 120 Skizzenbücher aus der Sammlung des saai, kleine und große, dicke und dünne, Quer- und Hochformate, mit Einbänden aus Leder, Pappe, Holz, Leinen und anderem und gebunden mit Leim oder Faden oder der Drahtspirale. Es wäre eine Lust, die Büchlein anzufassen und darin zu blättern, allein: Das erlaubt der kategorische Imperativ des Dokumentenschutzes nicht.
Die Vielfalt allein der Buchtypen sticht ins Auge, sobald man den – leider ungüngstig platzierten und von Oswald Mathias Ungers seinerzeit sehr niedrig konzipierten – Ausstellungsraum betritt. In Wand- und Tischvitrinen liegen aufgeschlagene Skizzenhefte und -bücher aus der Weinbrenner-Zeit bis heute, die unterschiedliche Funktionen hatten. Architekten waren und sind nicht durchweg gute Zeichner, mussten aber stets zeichnerisch arbeiten und kommunizieren. In Karlsruhe ist nun endlich einmal eine kleine Typologie der Skizzenbücher angedeutet: Reisenotizen und Studien, Sammeln und Entwerfen werden mit Motiven – Natur, Landschaft, Stadtbilder, Technik und vielem mehr – in einen nachvollziehbaren Zusammenhang gebracht.
Herausragend in der Zeichenkunst darf man Otto Ernst Schweizer oder Reinhard Gieselmann hervorheben – und außerdem das Augenmerk ausgerechneet auf einen Bauingenieur lenken: Klaus Stiglat. Es manifestiert sich aber in allen Skizzenbüchern eine Art und Weise der Erkenntnis, die mit digitalen Verfahren verloren zu gehen scheint. Bevor man zeichnet, muss man beispielsweise sehr genau hinsehen, ob es sich lohnt, die Zeichenzeit zu investieren. Das fürs Zeichnen nötige, analytische Sehen braucht eben seine Zeit, die mit der schnellen Digitalfotografie oder der CAD-Arbeit nicht einmal ansatzweise zu vergleichen ist. Der Zeichenvorgang selbst dauert – auch in seiner Abstraktionscharakteristik – "seine" Zeit, die mit der Erkenntnisdauer eines Kameraklicks oder eines Programmbuttons nicht zu vergleichen ist.
So sei zuletzt nicht verschwiegen, dass man sich für die Ausstellung Zeit nehmen sollte, die in keinem üblichen Verhältnis zur überschaubaren Größe des Ausstellungsraumes steht. Wunsch nach Karlsruhe: So sehr man der Landesbibliothek für die Ausstellungsplatzierung danken muss, so sehr wird deutlich: Das saai braucht einen eigenen Ausstellungsraum.

Badische Landesbibliothek, bis 13. April 2013, Mo-Fr 9-19 Uhr, Sa 10-18 Uhr; der Katalog – erschienen im Triglyph-Verlag – kostet 18,90 Euro.

Johann Ludwig Weinbrenner, Zwei Häuser in Terracina (Bleistift, Sepiatinte), Skizzenbuch Nr. VIII, 1816 
Heinz Mohl, Landschaft (Wasserdeckfarben), Skizzenbuch 27, 1985-1986 
Egon Eiermann,Varianten für Stahlrohrsessel (Bleistift), Skizzenbuch o. Nr., 1931 

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