Am Nabel der Welt

Claudia Hildner
26. Juni 2013
1. Platz Teilgebiet Regerstraße: Rapp + Rapp Architekten und Atelier Quadrat

Die Brauerei geht, Wohnungen kommen: Paulaner verlässt in den nächsten Jahren den Münchner Nockherberg und zieht mit der Produktion und Teilen der Verwaltung nach München-Langwied. Dort, wo jetzt noch Silo, Sudhaus und Gärtanks stehen, baut die Bayerische Hausbau dann etwa 1.400 Wohnungen. Die städtebauliche und landschaftsplanerische Neuordnung der 85.000 Quadratmeter des Brauereiareals war Gegenstand eines kürzlich entschiedenen Wettbewerbs, den der Investor in enger Zusammenarbeit mit der Stadt München durchführte. 
Das Brauereiareal verteilt sich auf drei Teilbereiche, für die jeweils ein planerisches Konzept gesucht wurde. Im Zentrum stand dabei das Areal an der Regerstraße, das direkt an die Isar-Hangkante grenzt und auch zukünftig die Paulaner-Gastronomie am Nockherberg samt Biergarten und Festhalle beherbergen wird. Die Wahl der Jury fiel hier auf den Entwurf von Rapp + Rapp aus Amsterdam mit Atelier Quadrat aus Rotterdam – eine kleinteilige Lösung mit einer halböffentlichen Grünfläche im Zentrum. Nachbar der vor kurzem fertiggestellten Welfenhöfe wird beim Teilgebiet Welfenstraße ein Gebäude nach einem Entwurf von Caruso St John Architects werden; das Londoner Büro hat mit Vogt Landschaftsarchitekten aus Zürich zusammengearbeitet. Beim Teilgebiet Ohlmüllerstraße wird ein zum Auer Mühlbach hin offener Block von Steidle Architekten aus München und Atelier Auböck + Kárász aus Wien ein Paulaner-Betriebsgebäude samt 60 Meter hohem Silo ersetzen.

1. Platz Teilgebiet Welfenstraße: Caruso St John Architects und Vogt Landschaftsarchitekten

Der Nockherberg sei "nicht irgendein Hügel, sondern nach weitverbreiteter Lehre der Nabel der Welt", stellte der Münchner Oberbügermeister Christian Ude unlängst fest. Auch mit etwas weniger Pathos darf es als Herausforderung gelten, an einer solch prominenten Stelle im beliebten Stadtviertel Au-Haidhausen eine Fläche dieser Größe neu zu bebauen. Investor und Stadt gingen daher beim Wettbewerbsverfahren neue Wege in der Bürgerbeteiligung: Wie schon beim Wettbewerb "Am Südpark" in Obersendling wurde versucht, die vom Baugesetzbuch vorgeschriebene Einbindung der Bürger früher anzusetzen und intensiver zu gestalten als bisher. Statt die Entwürfe, die im Wettbewerbsverfahren bewertet werden, erst nach der endgültigen Juryentscheidung öffentlich auszustellen, wurde die Öffentlichkeit schon in den Entscheidungsprozess miteinbezogen.

1. Platz Teilgebiet Ohlmüllerstraße: Steidle Architekten und Atelier Auböck + Kárász (alle Bilder: Bayerische Hausbau)

In der ersten Phase des eingeladenen Wettbewerb wählte die Jury dafür zunächst für jedes Teilgebiet vier bis fünf Projekte (14 Entwürfe von acht Büros) aus, die im Anschluss öffentlich einsehbar waren und dann im Rahmen einer Bürgerwerkstatt vorgestellt wurden. Dort erklärten die Entwurfsverfasser ihre Beiträge und nahmen Kritik und Wünsche der etwa 100 anwesenden Bürger aus Au-Haidhausen entgegen. In einer zweiten Jurysitzung, die nach der Überarbeitung der Entwürfe stattfand, wurden dann die Gewinner des Wettbewerbs bestimmt. Der Überraschungssieger war dabei der Entwurf von Rapp + Rapp Architekten und Atelier Quadrat: Das Konzept der niederländischen Büros war in der Bürgerwerkstatt gut angekommen und konnte nach der Überarbeitung auch die Jury überzeugen.
Nach den beiden erfolgreichen Probeläufen könnte diese Art der frühen Bürgerbeteiligung in größeren Wettbewerbsverfahren schon bald zur Regel werden. Die Kammern tun gut daran, sich mit diesem Thema zu befassen – auch, damit die zusätzlichen Leistungen der Entwurfsverfasser in solchen Verfahren angemessen vergütet werden. Claudia Hildner

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