Zwischen Geschichte und Gegenwart

Katinka Corts
1. Oktober 2024
Als Bauernhäuser getarnt, sollten sich die Bunker der Wehrmacht unauffällig in die Umgebung einfügen. Heute ist aus den Weltkriegsbauten nördlich von Arnhem ein Wohn- und Kulturquartier geworden. Ergänzt wurde die Anlage durch elf Ferienhäuser, entworfen von zwölf Architekturbüros. (Foto: © Daria Scagliola)

Heute ist De Veluwe nördlich der Stadt Arnhem eines der wertvollsten Naturschutzgebiete der Niederlande. Doch Anfang der 1940er-Jahre bauten die deutschen Besatzer in den Wäldern um den Flugplatz Deelen eine große Militärbasis auf. In der Gegend um Kamp Koningsweg Noord und Zeven Provinciën wurden als Bauernhäuser getarnte Bunker errichtet, die sich möglichst unauffällig in die Natur ringsherum einfügen sollten. 

In den Jahren nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurden viele der Bauten verändert, bevor die verbliebenen in die nationale Denkmalliste der Niederlande aufgenommen wurden. Der Erhalt der geschichtsträchtigen Bauten wurde in zwei Kategorien geregelt: Die Anlagen der Wehrmacht aus Kriegszeiten müssen unverändert bleiben, die später errichteten niederländischen Gebäude dürfen dagegen umgebaut werden. 

Das gab dem Team des bekannten niederländischen Architekturbüros MVRDV und den Landschaftsarchitekten von Buro Harro, die über Jahre gemeinsam an einem Masterplan für das Areal arbeiteten, um die einstige deutsche Militärbasis in ein Wohn- und Kulturquartier zu transformierten, die Möglichkeit, die Backsteinbauten weiterzuentwickeln. Eine Herausforderung, wie sich zeigte: Da beim Buitenplaats Koningsweg alle Häuser ihre »wahre Natur verbergen«, wie es MVRDV-Mitbegründerin Nathalie de Vries formuliert, fragten sich die Architekten, »wie moderne Eingriffe dazu beitragen können, die Aufmerksamkeit auf ihre Geschichte zu lenken und gleichzeitig die Integrität dieser Verschleierung zu bewahren«. Die Lösung besteht nun darin, alle Veränderungen architektonisch sehr deutlich herauszuarbeiten, sodass klar ablesbar wird, was alt, neu oder rekonstruiert ist. 

Auf dem denkmalgeschützten Areal Buitenplaats Koningsweg blieben manche Gebäude voll erhalten, während andere rekonstruiert oder umgebaut wurden. (Axonometrie: © MVRDV)
Ein Wohnhaus im Buitenplaats Koningsweg inmitten renaturierter Landschaft – der ökologische Schein trügt jedoch: Alle Häuser sind unterkellert. (Foto: © Daria Scagliola)

Neue Türöffnungen und Dachgauben sind an ihren dunkelgrauen Oberflächen deutlich erkennbar; zuvor abgerissene Gebäude wurden in ihrer einstigen Kubatur, aber aus hellgrauen Materialien nachgebaut. Das neue Ensemble ist damit vielfältig, macht Geschichte erlebbar und zeigt zugleich, dass eine neue Zeitschicht hinzugekommen ist. Dafür stehen auch die verwendeten Baumaterialien, denn bei allem Erhaltungswillen ging es auch um ökologische Nachhaltigkeit: Die Wände und Dächer der neuen Häuser bestehen zumeist aus Holz, der Betonmischung für die Decken wurden recycelte Zuschlagstoffe beigemengt. Der Großteil der Häuser gilt als im Betrieb energieneutral, einige sind es laut dem Planungsteam nahezu. 

Die Anlage besteht aus drei Teilen mit unterschiedlichen Funktionen: Im Westen bietet der Kamp Koningsweg Noord eine Mischung aus Eigentumswohnungen, flexiblen Büroflächen und Werkstätten. Der Rest der einstigen Militärbasis hingegen ist gemeinschaftlicher ausgerichtet und beherbergt unter anderem eine Künstlerresidenz, Ateliers und ein Restaurant. Noch mehr öffneten die Planer das Areal mit den elf sogenannten »Follies«, neuen Architekturen, die als kleine Ferienhäuser lose auf Feldern und in Waldstücken verteilt sind. Beteiligt an diesem Projektteil waren insgesamt zwölf Architekturbüros, deren Entwürfe im Rahmen eines Wettbewerbs ausgewählt wurden. In Anlehnung an die Tarnung der einstigen Bunker nebenan interpretierten die Architektinnen und Architekten das Ferienhaus mal als Jagdhaus, dann wieder als Wachturm oder Holzstapel. Und so ganz konnte es auch MVRDV nicht lassen mit der Tarnung und Augenwischerei: Auch wenn das Gelände an der Oberfläche sehr grün und nachhaltig gestaltet ist, sind alle Häuser unterkellert und bieten viel Platz für eigene Tiefgaragen.

Foto: © Daria Scagliola
Die »Follies« von NAMO Architecture und i29, Korteknie Stuhlmacher Architecten und Space Encounters (Fotos: © Daria Scagliola)

Bauherrschaft 
KondorWessels Projecten, Rijssen

Architektur
MVRDV, Rotterdam

Landschaftsarchitektur 
Buro Harro, Arnhem

Gestaltung der elf neuen Ferienhäuser
architectuur maken, De Kort Van Schaik, Hans Jungerius, JCR Architecten, Korteknie Stuhlmacher Architecten, Kraft architecten, opZoom architecten, paes architecture, Space Encounters, studio AAAN, NAMO Architecture und i29

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