Zeitlos bauen

Thomas Geuder
19. August 2015
Cover (Bild: Klaus Theo Brenner Stadtarchitektur)

Welche Rolle spielen die Geschichte und deren Wahrnehmung für die aktuelle Architektur und Stadtplanung? Historische Vorbilder für die moderne Stadt sind allerorts zu finden, aktuelle Architekturtendenzen sind meist in ihren Kontext stellbar. Diejenigen, die die Stadt planen, Architekten und Stadtplaner also, nehmen die Geschichte auf, stellen sie infrage, verwandeln und transportieren sie, nicht selten unbewusst und ohne konkrete Referenz. Mit diesen Leitgedanken und der Fragen nach der Verwertbarkeit historischer Vorbilder für die moderne Stadtarchitektur entführt uns der Stadtexperte Klaus Theo Brenner (wir berichteten über sein Buch «Urban Space») in seinem neusten Werk «Timless City Architecture» diesmal in die Welt der Historie. Das beginnt zunächst mit einer Zerstreuung: «Ce n‘est pas une pipe.» (Das ist keine Pfeife) proklamierte der Maler René Magritte 1929 auf seinem Bild einer Pfeife mit entsprechendem Schriftzug darunter. «Ce n‘est pas une maison» riefen vor rund 100 Jahren sodenn auch die sogenannten Modernisten aus und sind damit gegen die historische Stadtarchitektur zu Felde gezogen. So muss sich auch die Stadt mit ihren Straßen, Plätzen, Parks, Blöcken, Häusern, Wohnungen, Höfen und Gärten stets hinterfragen und auf ihre Tauglichkeit gegenüber den Anforderungen der Gegenwart prüfen lassen. Brenner sucht zu diesem Zweck nach einem «Common Sense», der über die Architekturstile hinweg gelten kann, nach der Essenz des Städtischen und Architektonischen – ein Ansatz, der von David Chipperfiels Architekturbiennale 2012 mit dem Titel «Common Ground» nicht weit entfernt ist.

Bild aus Kapitel «Collage»

Auf diesem Weg kristallisiert er eine Strategie heraus, die im Sinne der Geschichtsverwandlung, der Infragestellung von Typologien und auch des Typologietransports bei der Arbeit des Entwerfers helfen kann und stellt sie in drei Kapiteln dar, die jeweils von Gedanken der drei Co-Autoren Stefano Fera, Peter Stephan und Gerwin Zohlen eingeleitet werden: Die «Collage» spielt dabei die Rolle der Provokation im Sinne von Verfremdung und Inbesitznahme ins Nostalgische tendierender historischer Stadtbilder. «Eglise» ist eine fast schon berauschende Bildersammlung französischer Stadtkirchen als Fallbeispiel zum Thema Stadt-Objekt-Objekt-Stadt. «Coppia» stellt aktuelle Bauten aus Brenners eigenem Büro historischen Bauten und Monumenten gegenüber, wodurch die Übereinstimmung in essenziellen Elementen der Baugestalt gezeigt werden soll, ohne Kopie zu sein. Collage, Eglise und Coppia versteht Brenner schließlich im gedanklichen Kontext mit den Begriffen Wahrnehmung, Recherche und Entwurf. Im Zentrum steht für ihn dabei stets das Bild, das zum intellektuellen Diskurs auffordert und geprägt ist von der sinnlichen Wahrnehmung. So generieren Stadthäuser schlussendlich die Stadt, werden zum Teil des Stadtlebens, der Geschichte und möglicherweise Gegenstand zukünftiger Stadtforschung und Referenz zukünftiger Entwurfsprozesse, eben: Timeless City Architecture. tg

​Klaus Theo Brenner
Timeless City Architecture
Collage Eglise Coppia

Mit Beiträgen von Stefano Fera, Peter Stephan und Gerwin Zohlen
Erschienen 2015 beim Wasmuth Verlag, Tübingen und Berlin
204 Seiten mit zahlreichen meist farbigen Abbildungen, 20 x 26 cm, Hardcover
ISBN 978 3 8030 0791 9
42,– €

Bild aus Kapitel «Eglise»
Doppelseite aus Kapitel «Coppia»

Andere Artikel in dieser Kategorie