Zeitgemäße Neufassung eines vergessenen Ortes

Katinka Corts
24. September 2024
So soll es im neuen Stadtquartier Großer Hof einmal aussehen. (Visualisierung: © prasch buken partner architekten, GHP Landschaftsarchitekten)

In der Entwicklung des Großen Hofs sieht die Stadt Braunschweig viele Vorteile: Die Neugestaltung des Geländes im Norden der Innenstadt könnte für frische Impulse sorgen und das Areal besser ans Stadtzentrum anbinden. Heute befinden sich dort einzelne gewerblich und privat genutzte Bauten, die zentral liegende Ruine der früheren Markthalle wird als Parkplatz genutzt. Zudem gibt es auf dem Großen Hof zwei Schulhäuser, wobei die Kielhornschule bereits leer steht und die Helene-Engelbrecht-Schule bald wegziehen wird. 

Der von der Stadt ausgelobte Wettbewerb »Wohn- und KreativQuartier Großer Hof« zielt besonders auf eine städtebauliche Neustrukturierung. Entstehen soll ein durchmischtes Stadtquartier mit Wohnungen verschiedenen Zuschnitts und sozialen Einrichtungen. Platz finden sollen außerdem Galerien und Werkstätten für die Kreativwirtschaft. Angesichts der Größe des Vorhabens – das Planungsgebiet misst 25'000 Quadratmeter – waren die 19 teilnehmenden Planungsteams auch aufgefordert, ein Freiraumkonzept zu erarbeiten. 

Das siegreiche Team bestehend aus prasch buken partner architekten und GHP Landschaftsarchitekten vollzieht mit seinem Entwurf eine Art »Stadtreparatur«: Die historischen Blockstrukturen der Umgebung, die auf dem Großen Hof bisher fehlten, werden aufgegriffen und fortgeführt. Dazu kombinieren die Planer in ihrem überzeugenden Entwurf neue und bestehenden Bauten zu offenen Blöcken, durchzogen von Grünräumen. Ein neues Wegenetz definiert den gesamten Bereich zwischen Reichs-, Kaiser- und Wendenstraße sowie der südlich angrenzenden Hagenbrücke. Bestehende Verbindungen und straßenähnliche Züge bleiben dabei erhalten und werden von drei neuen Gebäudegruppen städtebaulich gestärkt. Es ist angedacht, diese aneinandergebauten Häuser jeweils durch markante Eckgebäude mit Flachdächern abzuschließen. Die Entsiegelung der Parkplätze und Schulhöfe schafft Platz für neue, miteinander verbundene Grünräume, die ins städtische Klimakonzept passen.

Situation (© prasch buken partner architekten, GHP Landschaftsarchitekten)
Visualisierung der Wegeverbindungen im neu autofreien Quartier (© prasch buken partner architekten, GHP Landschaftsarchitekten)

Nach der Auflösung aller Parkplätze wird das Quartier Großer Hof künftig autofrei sein. Das neue Mobilitätskonzept sieht ein Sharing-Angebot vor: Im aktuellen Entwurf ist geplant, auf den Grundmauern der früheren Markthalle einen Neubau mit Mobility Hub zu bauen, wo sich die Menschen Fahrräder, Lastenräder und auch Autos ausleihen können. 

Diesem Bau wird eine wichtige Bedeutung zukommen: Mit Werkstätten, kleineren Ateliers und einem Gastronomieangebot soll er zum Treffpunkt für Anwohnerinnen und Gäste werden. Auch die Dachflächen dieses neuen Gemeinschaftsbaus sollen vielfältig genutzt werden: Vorgesehen sind eine Sportterrasse, Gewächshäuser und Photovoltaikanlagen.

Vergleicht man den zurzeit sehr heterogenen und auch baufälligen Zustand des Areals mit diesen Aussichten auf ein grünes und lebendiges Quartier, geht die Stadt Braunschweig mit ihrer Entscheidung für eine Neugestaltung sicherlich einen richtigen und wichtigen Schritt. Der städtebauliche Wettbewerb ist ein Anfang: Er gibt eine Idee davon, welche Wohn- und Aufenthaltsqualität im Großen Hof möglich wäre. Inwiefern sich der Gedanke von zeitgemäßer Vielfalt auch architektonisch, bautechnisch und ökologisch abbilden lässt, hängt nun von den weiteren Entwicklungs- und Planungsschritten ab.

Die Blockstruktur der Nachbarschaft wird mit der Umgestaltung fortgeführt. Miteinander verbundene Grünräume durchziehen die Anlage. (Isometrie: © prasch buken partner architekten, GHP Landschaftsarchitekten)

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