Verschlossene Offenheit

Elias Baumgarten
12. Februar 2019
Die nördlichen Torhäuser der symmetrischen Anlage. (Bild: Stefan Müller)
Eröffnung nach 16 Jahren

Als am vergangenen Freitag, den 8. Februar 2019, die Zentrale des Bundesnachrichtendienstes im Beisein von Kanzlerin Angela Merkel und Geheimdienstchef Bruno Kahl offiziell eröffnet wurde, war dies das Ende einer 16 Jahre andauernden Wartezeit: Schon 2003 war die Entscheidung für den Umzug des BNDs von Pullach am Südrand Münchens nach Berlin gefallen. 2005 gewann das Büro Kleihues + Kleihues den Architekturwettbewerb und 2006 erfolgte der erste Spatenstich. Im November 2016 wurde der riesige Bau, der rund 4'000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf 260'000 Quadratmetern Platz bieten soll, fertig. Seither wurden über 100'000 Umzugskartons geschleppt. Gedacht war er als Befreiungsschlag: Der BND wollte sein angekratztes Image aufpolieren und mit neuer Offenheit punkten. Doch kaum in Dienst gestellt, schlägt das Gebäude an der Chausseestraße hohe Wellen und lässt viele Kritiker in Wehklagen ausbrechen. Der Bau sei „größenwahnsinnig“, schrieb etwa Gerhard Matzig am Eröffnungstag in der Süddeutschen Zeitung.

Torhäuser an der Chausseestraße. (Bild: Stefan Müller)
Fragwürdiger Städtebau

Gekostet hat das monumentale Hauptquartier 1,1 Milliarden Euro. Dies bedeutet eine Kostenüberschreitung von 440 Millionen, die Behördenchef Bruno Kahl „im Rahmen“ findet. Es sind allerdings weniger die hohen Kosten, welche das Gebäude auf Ablehnung stossen lassen, als vielmehr seine Architektur und städtebauliche Setzung. Die riesige Anlage liegt nördlich des Regierungsviertels zwischen der Chausseestraße und dem Südpanke Park. Hinter einem hohen Zaun und schweren Toren befindet sich eine Stadt in der Stadt: Über 5'000 Räume gibt es, dazu ein eigenes Logistikzentrum und sogar ein Internat. Schon aufgrund seiner schieren Größe wirkt sie wie ein Sperrriegel im Quartier. Die Stadt fließt – das verdeutlicht die Betrachtung von Lageplan und Satellitenbildern eindrücklich – quasi um sie herum. Eine öffentliche Durchwegung gibt es nicht. So erinnert die neue BND-Zentrale konzeptionell etwa an abgeschlossene Forschungszentren grosser Firmen ausserhalb der Städte, wie zum Beispiel jenes von Bosch in Renningen bei Stuttgart – nur, dass sie versehentlich in Berlin-Mitte gelandet ist.

Lageplan. (Bild: Kleihues + Kleihues Architekten)
Bemüht

Der BND wollte mit seinem Neubau nicht nur näher an die Politikerinnen und Politiker im Berliner Regierungsviertel rücken, sondern vor allem auch an die Bevölkerung. Nach den Skandalen der letzten Jahre, etwa der Verstrickung in die Abhörpraktiken der amerikanischen NSA, sollte Transparenz und Offenheit bewiesen werden. Darum verfügt der Bau über ein Besucherzentrum – kein anderer Geheimdienst weltweit bietet vergleichbares an. Aber nicht nur die städtebauliche Setzung, sondern vor allem auch die architektonische Ausgestaltung im Stil des Reduktionsklassizismus machen die Bemühungen ein gutes Stück zunichte: Die Fassaden des symmetrischen Baus sind streng und monoton. Die 14'000 dunkel getönten Fenster sind klein geschnitten und wirken daher fast wie Schießscharten. All das vermittelt nicht den Eindruck von Transparenz, sondern eher den von Verschlossenheit. Die Architektursprache schüchtert im Zusammenspiel mit den enormen Ausmaßen ein. Leider ruft sie üble Erinnerungen an Überwältigungsarchitekturen wach. Das gereicht dem BND nicht zum Vorteil und lässt ihn wie ein feindseliges Überwachungsorgan wirken, das zu fürchten ist.

Treppenhaus im Hauptbau. (Bild: Alexander Ludwig Obst und Marion Schmieding)

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