Urbanes Gesicht der Nachhaltigkeit

Manuel Pestalozzi
22. August 2019
Osnabrück heisst der Sieger in der Kategorie „Großstädte“. (Foto: Janin Arntzen)

Ist nachhaltig mit alt und handwerklich gleichzusetzen? Blickt man auf die offiziellen Pressefotos der Preisträger des „Deutschen Nachhaltigkeitspreises für Städte und Gemeinden 2020“, entsteht dieser Eindruck. Osnabrück, Aschaffenburg und Bad Berleburg präsentieren sich als Altstädte. Autos gibt es da wenige oder überhaupt keine, die spärlichen Passantinnen und Passanten stecken in züchtiger Kleidung, Farben sind dezent, Dächer steil und mit Ziegeln gedeckt. Strukturen und Gegenstände, die Oberflächen aus Kunststoff zur Schau stellen, braucht man schon gar nicht zu suchen! Stattdessen Pflästerungen, Natursteinfassaden und kleinformatige Fensterteilungen. Wenn das besagen soll, dass die Zeit in der Biedermeier-Ära stehengeblieben ist, müsste man glattweg von einem Fake sprechen.

Diese Bilder erzählen natürlich nicht die ganze Geschichte! Schließlich zeichnen sich die diesjährigen kommunalen Sieger des Deutschen Nachhaltigkeitspreises insbesondere durch ihr strategisches und partizipatives Vorgehen in puncto Klimaschutz und der Erhaltung der Artenvielfalt aus. Die niedersächsische Friedensstadt Osnabrück, Deutschlands nachhaltigste Großstadt 2020, verfolgt bei ihrer nachhaltigen Entwicklung einen wirkungsbasierten, strategischen Steuerungsansatz und nutzt hierfür den eigens entwickelten Indikatoren-Katalog „KOSMOS“, der sowohl Verwaltung als auch Bürgerschaft befähigt, die Umsetzung strategischer Ziele detailliert zu überprüfen. Der partizipative Ansatz der Kommune zeigt sich ebenfalls beim städtebaulichen „Masterplan Innenstadt“, bei dem die Osnabrücker Bürgerschaft ihre Ideen zur nachhaltigen Stadtentwicklung einbringen konnte. Der Masterplan setzt u. a. auf Nachverdichtung der Siedlungsstruktur, weniger Platz für den motorisierten Individualverkehr und mehr Grünflächen mit hoher Aufenthaltsqualität. Umfangreiche Maßnahmen wie ökologische Standards in der Bauleitplanung, Deutschlands erstes Solardachkataster und die nachhaltige „Wirtschaftsförderung 4.0“ sorgen für mehr Klima- und Ressourcenschutz.

Aschaffenburg überzeugte bei den Städten mittlerer Größe mit Integration und Fairtrade. (Foto: Mailin Seidel)

Deutschlands nachhaltigste Stadt mittlerer Größe 2020 heisst Aschaffenburg. Seit 1995 verfolgt die Hochschulstadt in Unterfranken mit dem „Agenda21-Prozess“ einen partizipativen Ansatz und achtet als regionaler Vorreiter in Sachen Fairtrade auf sozialgerechten Handel und bewussten Konsum. Das Thema Integration hat in der Stadt einen besonderen Stellenwert – ein Viertel der Bevölkerung weist einen Zuwanderungshintergrund auf. 2007 entwarf die Kommune ein eigenes Integrationsleitbild und unterstützt u. a. durch „Sprach- und Kulturvermittler“ die Integration. Zum Schutz der Biodiversität werden beim Öko-Projekt „Schlaraffenburger“ traditionelle Streuobstwiesen revitalisiert und gepflegt. Mit dem Bau und der Inbetriebnahme eines Biomasseheizkraftwerks in der Altstadt wurden die Ziele der Energieeinsparung und des Umstieges der Wärmeversorgung von bisher fossilen Energien auf regenerative Energieträger erfolgreich umgesetzt.

Bad Berleburg, Siegerin in der Kategorie Kleinstädte und Gemeinden, nimmt die Zukunftsplanung entschlossen an die Hand. (Foto: Stadt Bad Berleburg)

Bad Berleburg ist Deutschlands nachhaltigste Kleinstadt 2020. Mit dem Leitbild „Bad Berleburg 2030“ hat die „Stadt der Dörfer“ inmitten des Naturparks Sauerland-Rothaargebirge ein Handlungsprogramm für eine zielgerichtete, nachhaltige Entwicklung erarbeitet, um dem demografischen Wandel zu begegnen und auch 2030 ein Wohnen und Wirtschaften in der Kernstadt und den umliegenden Dörfern zu ermöglichen. Für die Erreichung sorgen Maßnahmen wie z. B. das „Standort-Patennetz“ zur Fachkräftebindung oder die Konversion einer Industriebrache zum modernen „Zentrum Via Adrina“ mit dorfgemeinschaftlichen, feuerwehrtechnischen und touristischen Einrichtungen. Über außerschulische Lernorte im Bereich der Natur- und Erlebnispädagogik, naturnahen Tourismus sowie regionale Produkte begeistert der Kurort Menschen jeden Alters für die reichhaltige Natur des umliegenden Naturparks. Im Reallabor „WittgensteinWandel“ werden im Rahmen der „Digitalen Agenda BLB“ digitale Maßnahmen für mehr Lebensqualität erprobt.

Die Auszeichnung „Deutscher Nachhaltigkeitspreis für Städte und Gemeinden“ wird seit 2012 von der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis e.V. vergeben. Die Preisträger erhalten eine Fördersumme von jeweils 30‘000 Euro für Projekte zur nachhaltigen Stadtentwicklung von der Allianz Umweltstiftung.

Andere Artikel in dieser Kategorie