Unvergessener Schatz

Katinka Corts
11. September 2024
Säulendetail in der ehemaligen Damensauna des historischen Leipziger Stadtbads (Foto: Katinka Corts)

Wer wie ich vergangenes Wochenende in Leipzig war, erlebte ein fulminantes Spektakel an Festivitäten: Zum Tag des Denkmals gesellte sich das Deutschlandtreffen der Urban Sketcher, dazu ein innerstädtischer Sportanlass und all dies gerahmt vom »Demokratie-Wochenende«, mit dem das Leipziger Gewandhaus seit nunmehr drei Jahren die Spielsaison eröffnet. Programmatisch ging es bei letzterem um Vielstimmigkeit, speziell um die Auseinandersetzung mit Grundwerten, das eigene Demokratieverständnis und das gesellschaftliche Miteinander. Die Ergebnisse der sächsischen Landtagswahl müssen hier nicht diskutiert werden, sie zeigen aber, wie wichtig Inklusion, Diskussion und Teilhabe in einer Gesellschaft sind. Insofern kann es nicht genug Anlässe geben, die in großer Breite die Bevölkerung ansprechen, abholen und mitnehmen. 

Ähnlich wie der musikalische Anlass lockte auch der Tag des offenen Denkmals Tausende Besucher in die Stadt und zu bedeutenden historischen und gesellschaftsrelevanten Orten. Geöffnet war unter anderem das 1912 erbaute Stadtbad in der Eutritzscher Straße. Der Bau von Otto Wilhelm Scharenberg fristet seit Jahren ein trauriges Dasein und gehört zu jenen Orten, die zwar unter Schutz gestellt wurden, für die es aber immer noch kein tragfähiges Finanzierungs- und Nutzungskonzept gibt. 

Postkarte mit einer Abbildung des Stadtbads um 1919 (Kartengestaltung: unbekannt, Kunstverlag Karl Fickenscher, Quelle: Wikimedia Commons)
Die Herrenschwimmhalle im Leipziger Stadtbad kurz nach der Eröffnung (Foto: Atelier Hermann Walter, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Inv. Nr. F/815/2010)

2004 aufgrund baulicher Mängel endgültig geschlossen, sollte das Gebäude in den darauffolgenden Jahren verkauft werden, was jedoch nicht gelang. Zu umfangreich scheinen die Schäden, zu hoch die Investitionskosten. Bedenkt man, dass städtische Bäder in der Regel nicht kostendeckend betrieben werden können und umfangreich von den jeweiligen Städten finanziert werden müssen, ist eine zukünftige Nutzung als Bad schwierig. Eine finanzierbare Nutzung wird jedoch dringend benötigt, damit wieder Leben einkehren kann und die prachtvollen Räumlichkeiten des früheren Stadtbads auch außerhalb von einzelnen Anlässen zu erleben sind.

Für Veranstaltungen wird lediglich das ehemalige Herrenbad genutzt. Mit Mitteln des Bundes war es möglich, ab 2010 das einsturzgefährdete Dach und die Gewölbedecken zu sanieren. Das Schwimmbecken ist seitdem überdeckelt, und der Saal wird regelmäßig genutzt. Auch wenn damit nur ein kleiner Teil des großen Komplexes für die Bevölkerung sichtbar ist, stärken die Anlässe die Erinnerung an den Raum. Eine Förderstiftung, die ursprünglich die Leipziger Wasserwerke gegründet haben, setzt sich seit Jahren für den Erhalt und die Erneuerung des Gebäudes ein.

Blick in das ehemalige Frauenbad (Foto: Katinka Corts)

Verkauft werden soll das Gebäude mittlerweile nicht mehr, konkrete Pläne, wie es eine gesicherte Zukunft und Nutzung haben kann, gibt es aber auch nicht. Hoffnung macht das große Interesse vieler Leipziger und Gäste, die das Gebäude noch nicht aufgegeben haben. Spannend war der Ort auch für zahlreiche Urban Sketcher, die den Tag des Denkmals nutzen, um sonst unzugängliche Orte kennenzulernen und zu zeichnen. Fast 1000 Menschen aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland waren zum Jahrestreffen nach Leipzig gekommen und bevölkerten das Stadtgebiet. Sie bildeten Gebäude, Stadträume und Situationen ab, die viele im Alltag nicht wahrnehmen. Insofern tragen sie, wenn sie nach einem solchen Wochenende ihre Skizzenbücher und Zeichenblöcke voller Zeitzeugnisse wieder hinaus in die Welt nehmen, auch dazu bei, das Bewusstsein für baukulturelles Erbe zu schärfen. 

Dass Leipzigs Herrenbad einst mit einer Wellenanlage aufwarten konnte – dazu noch der ersten in Europa in einem Hallenbad –, ist heute im bunt beleuchteten und opulent gefüllten Veranstaltungssaal nicht mehr ablesbar. Die Feinheiten der Architektur sind indes noch im Frauenbad nebenan zu sehen, für das es bislang kein Nutzungskonzept gibt. Die Damensauna im maurischen Stil bleibt vorerst ein archiviertes Bijou, das jeden und jede entzückt und das nach kurzen Öffnungen wie am vergangenen Wochenende weiterschlummern wird. Doch das Ziel von Förderstiftung und Stadt bleibt, eines Tages das denkmalgeschützte Gebäude umfassend zu sanieren und als Kultur- und Sportstätte zu nutzen. Wer sich diesbezüglich engagieren möchte, ist eingeladen, Kontakt zur Stiftung aufzunehmen

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