Sichtbar gut getarnt

Carsten Sauerbrei
5. September 2017
Die Fassade des Hochbehälters weckt Assoziationen an ein Auge und Observation und nimmt die Giebelformen der benachbarten Gebäude auf. (Bild: Michael Heinrich)

Infrastrukturanlagen sind oft die Stiefkinder der Architektur. Zu häufig werden sie lediglich nach technischen Erfordernissen gestaltet und gerne auch vor der Öffentlichkeit verborgen. Den Anfang 2017 fertig gestellten, neuen Hochbehälter auf dem Zweibrückener Galgenberg inszenierten Molter Linnemann Architekten BDA, Kaiserslautern dagegen als ein gut sichtbares und attraktiv zeitgenössisch gestaltetes Gebäude. Den Baukörper des Hochbehälters, der die Hälfte aller Haushalte der an der Grenze von Rheinland-Pfalz und dem Saarland gelegenen Stadt mit Trinkwasser versorgt, platzierten die Architekten zum größten Teil gut getarnt unterhalb des Erdbodens. Mit der auf der Hangseite aus dem Erdboden heraustretenden, rautenförmigen Metallfassade, geben sie jedoch der Anlage auch ein schon von Weitem gut erkennbares, einprägsames Antlitz.

Technisch und nüchtern aber auch kunstvoll asymmetrisch präsentiert sich der Gebäudezugang. (Bild: Michael Heinrich)

Wehrhaft soll die Fassade wirken, deren Ausdruck durch die gewünschte Abwehr von Angst bestimmt wird, so erläutern die Architekten ihren Entwurfsgedanken. Dabei setzen sie ein zentrales, horizontal ausgerichtetes, schlitzartiges Fenster kunstvoll als mehrdeutiges Symbol von Observation und Überwachung ein. Die übrigen, durch perforierte Fassadenbleche abgedeckten Öffnungen lassen - genauso wie der eingegrabene Baukörper - an das Thema Tarnung denken. Mit dem flachen Spitzgiebel der Fassade nehmen Kerstin Molter und Martin Linnemann dagegen Bezug auf die benachbarten landwirtschaftlichen Gebäude.

Das Gebäudeinnere ist mit der Hauptachse auf das große Panoramafenster ausgerichtet. (Bild: Michael Heinrich)

Auf der Hangseite, oberhalb der zwei Wasserkammern liegt der bewusst sachliche, nach technischen Anforderungen gestaltete Eingang, dessen strenge Axialität durch die seitlich angeordnete Treppe ins Untergeschoss akzentuiert wird. Auch das Innere des Hochbehälters dominieren Klarheit und eine sachlich technische Gestaltung. Am Ende der Gebäudehauptachse, zu dessen beiden Seiten die Wasserkammern liegen, bietet der von außen wie ein Auge wirkende Sehschlitz tatsächlich einen beeindruckenden Ausblick über die Stadt Zweibrücken und trägt zudem Licht in das Gebäudeinnere.

Die beeindruckend klar gestalteten Wasserkammern lassen an Höhlen und unterirdische Seen denken. (Bild: Michael Heinrich)

Dem Team um Kerstin Molter und Mark Linnemann ist es auch mit der Gestaltung der höhlenartigen Wasserkammern überzeugend gelungen, eine meist vernachlässigte und auf den ersten Blick wenig attraktiv erscheinende Bauaufgabe architektonisch zu inszenieren und kunstvoll mit Symbolik aufzuladen. Lediglich die als Helligkeitsverlauf zwischen den Wasserkammern angeordneten und verunklarend wirkenden Bodenfliesen trüben ein wenig diesen positiven Eindruck.

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