Referenziell

Elias Baumgarten
12. März 2019
Das Musterobjekt gibt einen Eindruck davon, wie die Fassade einmal aussehen wird. (Bild: Michael Heinrich)

Die Grundstücke an der Weinstraße 7 und 7a befinden sich mitten im Zentrum Münchens. Frauenkirche und Marienplatz, zwei der bekanntesten Wahrzeichen der Stadt, liegen nur wenige hundert Meter entfernt. Dort möchte der FC Bayern im September 2020 einen repräsentativen Bau beziehen. Entworfen hat den Komplex das Münchner Büro Hild und K. Die Gebäude, welche bisher an der Adresse standen, sollen ihm weichen. Dabei wird leider auch das Traditionsgasthaus Andechser am Dom verschwinden. Die Abbrucharbeiten haben im Herbst 2018 begonnen. Die alten Häuser gehören der Nymphenburg Immobilien AG, die Abriss und Neubau bereits länger plant. Als man beim Fußballverein davon erfuhr, dockte man sich an und wurde zum alleinigen Mieter des geplanten Neubaus. Denn schon seit längerer Zeit hatte man sich mit dem Gedanken getragen, in der Innenstadt eine repräsentative „Erlebniswelt“ zu eröffnen, und nach einem passenden Grundstück oder Bestandsbau Ausschau gehalten. Während die Planung des Neubaus gut vorankommt, laufen Versuche zur Fassade. Denn diese sollen einmal aufwändige Sgraffiti schmücken.

Test der Sgraffito-Technik (Bild: Michael Heinrich)
Detail des Fassadenmusters (Bild: Michael Heinrich)
Auseinandersetzung mit der Baugeschichte

Der Komplex soll neben einem großen Fanshop, der sich über drei Etagen erstrecken wird, auch ein Restaurant und ein Hotel mit 30 Betten aufnehmen. Die beiden letzteren wird das internationale Cateringunternehmen DO&CO betreiben. Dessen Chef, Attila Dogudan, versprach gegenüber der Presse, dass man weder mit Hotel noch Restaurant das Luxussegment bedienen werde. Niemand, so fuhr er fort, müsse im Zusammenhang mit dem Verschwinden des Andechser den Verlust traditioneller Wirtshauskultur fürchten. 

Die Gestaltung des Neubaus dürfte indes polarisieren: Die Architekten nehmen auf ein Haus Bezug, das vor dem Zweiten Weltkrieg auf dem Grundstück stand, wie sie uns erzählten. Orientiert haben sie sich dabei an einer Zeichnung aus dem Jahr 1872. Markus Wienchol von der Nymphenburg Immobilien AG hat sie bei Recherchen im Münchner Stadtarchiv gefunden. Das Gebäude auf welches Hild und K sich beziehen wurde bei Luftangriffen der Alliierten auf München zerstört und nach Kriegsende durch eine neue Bebauung ersetzt. Der Neubau solle an einen „mondänen Vorkriegszustand“ erinnern, sagen Andreas Hild und Dionys Ottl. Doch eine Rekonstruktion wie anderorts in Deutschland wird er nicht werden. Stattdessen wird zur Sgraffito-Technik gegriffen, deren Ursprünge bis in die Antike zurückreichen. Das bedeutet, die Fassade wird eine sanfte, reliefartige Struktur erhalten – das Ornament wird nicht aufgemalt. Zudem soll mit den Farbtönen Schwarz, Rot und Grau gearbeitet werden, um den Effekt zu verstärken. Mit der Putztechnik spannen Hild und K nicht nur den Bogen zur Vorkriegsarchitektur, sondern auch zu Münchens jüngerer Baugeschichte: Während des Wiederaufbaus erfreuten sich Sgraffiti großer Beliebtheit, galt es Neubauten sanft zwischen alte Bestandsobjekte einzupassen. Die Idee überzeugt, weil alte Baukultur wieder aufgegriffen und zugleich die Erinnerung an den Krieg wachgehalten wird. So verwundert auch nicht, dass das Vorhaben in der Münchner Stadtgestaltungskommission breite Zustimmung erfahren hat.

So soll das Gebäude einmal aussehen. (Quelle: DO&CO)

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