Mainwasen, was nun?

Manuel Pestalozzi
3. August 2020
Nur Schule? Architekt Karl Richter sieht in den Mainwasen gleich ein ganzes neues Quartier. (Visualisierung: Karl Richter Architekten)

In der Enzyklopädie des World Wide Web sucht man die Mainwasen vergebens. Immerhin lässt sich in Erfahrung bringen, dass „Wasen“ im Allgemeinen für „feuchtes Ödland“ steht. Und auf Google Maps findet man im östlichen Teil von Sachsenhausen den Kleingärtnerverein Mainwasen eV, direkt am linken Mainufer, neben diversen Sport-Spielfeldern und dem rundum verglasten Bürogebäude Main-Triangel im Westen. Das Gelände ist heterogen durchgrünt, es enthält auch größere Gewächshäuser und Industrieareale – eine relativ zentrumsnahe Brachfläche mit Entwicklungspotenzial.

Dem Neubau der Europäischen Schule sollen die Sportplätze weichen. Die CDU und die Grünen befürworten gemäß FNP diesen Entscheid. Er sieht Ersatzspielfelder in einiger Distanz zum Flussufer auf der nördlichen Seite der Offenbacher Landstraße vor. Nicht alle sind von der Idee begeistert. Vertreter der betroffenen Sportverbände zeigen sich skeptisch, die SPD lehnt einen Eingriff in die Mainwasen ab, ebenso die FDP, ohne dass die konkreten Gründe genauer ausformuliert sind. Ein definitiver Entscheid steht noch aus.

Ein ganzes Quartier

Bereits in der ersten Jahreshälfte nahm der Frankfurter Architekt Karl Richter die Schulhausdiskussion zum Anlass für den Vorschlag, gleich die ganzen Mainwasen vom Main Triangel bis zur Grenze mit dem Stadtteil Oberrad zwischen Ufer und Bahnlinie in ein Stadtquartier zu verwandeln. Einen ähnlichen Vorschlag präsentierte Karl Richter vor zwei Jahren auch für das Gebiet des Rebstockparks im Nordwesten der Stadt. Er spricht sich gern für eine Verdichtung in Zentrumsnähe aus und legt Ideen dazu vor. Im Falle der Mainwasen hat er die Vision von 1400 zusätzlichen Wohnungen und einer Verlängerung des Deutschherrnviertels, das ab den 1990er-Jahren das Areal des alten Schlachthofs ersetzte.

Die Reaktionen auf das Projekt mit Blockrandbebauung, Höhenakzenten und einem Portal bei der Osthafenbrücke waren eher negativ, wie Karl Richter meldet. Der Vorsitzende der CDU-Oberrad äußerte sich dahingehend, dass das Gebiet nicht über die notwendige Infrastruktur verfüge, schon gar nicht aus verkehrstechnischer Sicht. Der Urheber der Idee meint hingegen, dass das Deutschherrnviertel „als eines der wenigen gelungenen Neubauviertel der letzten 30 Jahre“ zeige, dass das Konzept Erfolg verspricht.

Welche Art der Dichte? Und wo?

Allgemein bemängelt Karl Richter, dass „die Prioritäten bei Themen der Stadtentwicklung auch zehn Jahre nach Beginn der Wohnungskrise von der Politik nicht erkannt werden“. Wohnen sei ein Grundrecht, verschiedene Formen der Freizeitgestaltung seien es nicht. Leitrealität in der Stadtentwicklung sei heute die Ökologie. Wolle man aber für eine ähnliche Zahl von Menschen Wohnraum schaffen, wie die, die in den letzten zehn Jahren nach Frankfurt gekommen sind, stelle sich bei Neubauquartieren die Frage nach dem Grad der Flächen- und Bodenschonung, die Maß und Mitte bestimmen. Hier schnitten kompakte Geschossbauquartiere am besten ab.

Die Kritik an seinem Vorschlag zum Mainwasenquartier zeigt diesem Architekt, dass „durch mangelnde Sach- und Ortskenntnis, Not-in-my-backyard-Mentalität, Ressortdenken und Stadtfeindschaft der Kampf um die verschiedenen Flächenansprüche ohne erkennbare Priorisierung durch fehlende politische Steuerung von einem Kampf um die Deutungshoheit abgelöst“ wird. Die Deutungshoheit ergebe sich nach seiner Überzeugung aus dem „sachlichen, zielgerichteten Dialog, der die Interessen der Gesamtstadt, des Stadtteils und der Betroffenen miteinander zum Ausgleich bringt und dabei stets das Gemeinwohl neu kalibriert“. 

Karl Richter klagt über die fehlende Dialogfähigkeit. Sie sei heute „das größte Hindernis für eine prospektive Stadtentwicklung“. Die Medien verhielten sich dabei „in eigenartiger Symbiose zum politischen Mainstream“. Mit der manipulativen Auswahl von Kontrahenten solle die Debatte möglichst frühzeitig beendet werden, obwohl die Medien Katalysator einer fruchtbaren Debatte sein könnten.

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