Letzte Chance für Jahn-Stadion?

Manuel Pestalozzi
26. August 2024
Für den Bau des Erdstadions wurde eine Lagerstätte von Kriegstrümmern umgeformt. (Foto: Mauerpark/Wikimedia Commons)

Der ab 1951 errichtete Sportpark befindet sich am Ort eines ehemaligen preußischen Exerzierplatzes und enthält den ältesten, durchgehend genutzten Fußballplatz Deutschlands. Zwischen Juni 1893 und Oktober 1904 nutzte diesen der Fußballverein Hertha BSC (damals: BFC Hertha 1892). Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden auf dem Gelände große Mengen an Trümmern abgeladen. Sein Niveau erhöhte sich dadurch deutlich. Beim Erstellen des Sportparks plante der auf Sportstätten spezialisierte Bauhausabsolvent Rudolf Ortner das »Große Stadion«. Es ist als Erdstadion aus Trümmerschutt konzipiert. Anfangs bot es bis zu 30.000 Plätze, heute wird die Kapazität mit 19.708 Sitzplätzen beziffert. Bei einem umfangreichen Ausbau 1986–1987 entstand eine Haupttribüne, die man rückseitig mit leuchtend rotem Glas verkleidete. Es handelt sich um einen tschechischen Typenbau der Architekt*innen Fišarová/Ondřej. Damals erhielt das Stadion auch die fächerförmig geneigten Flutlichtmasten, die zu seinen wichtigen Merkmalen zählen.

Breit abgestütztes Neubauprojekt

In einem mehrjährigen Prozess wurden seit 2014 unter Beteiligung der Fachverwaltungen, Verbände, Vereine und der Stadtgesellschaft die Entwicklungsmöglichkeiten für den Sportpark und das »Große Stadion« untersucht und diskutiert. Im Rahmen des städtebaulichen Werkstattverfahrens erfolgte die Prüfung diverser Varianten, die auch den Erhalt des Stadions umfassten. Das Verfahren führte zum Entscheid, das bestehende Stadion zurückzubauen und durch einen Neubau am gleichen Standort zu ersetzen. Hierbei sollen Nachhaltigkeit und die Verwendung vorhandener Bausubstanz eine große Rolle spielen. Die identitätsstiftende Topografie muss erhalten bleiben und das Stadion sinnvoll in die Gesamtanlage eingepasst werden.

Den in der Folge ausgeschriebene Wettbewerb wurde von den Dresdner Büros O + M Architekten und LOR Landschaftsarchitekten Otto + Richter gewonnen. Nun regt sich nochmals Widerstand gegen das Projekt. Architekt*innen und Kulturhistoriker*innen wollen den ab September geplanten Abriss des Jahn-Stadions verhindern, meldet die Mitteldeutsche Zeitung. Der Zusammenschluss sieht in der Arena nach diesem Bericht »ein einzigartiges Denkmal der Ostmoderne«. Architekt Friedrich Tuczek von der Fachhochschule Erfurt sagte dem »Tagesspiegel«: »Wir fordern den Berliner Senat darum auf, die Abrisspläne sofort zu stoppen und stattdessen eine Sanierung des Stadions durchzuführen.« Eine entsprechende Petition verzeichnet auf der Plattform Campact aktuell etwas mehr als 10.000 Unterschriften. Als Argumente werden dort unter anderem das Fällen von Bäumen und die »klamme Haushaltslage der Stadt« ins Feld geführt. Ob dies für das Ziehen der Notbremse ausreicht? Der Erhalt des Stadions würde nicht nur alle vorangegangenen Entscheidungsschritte in dieser Sache infrage stellen, sondern auch die dabei angewendeten Entscheidungsverfahren.

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