Lebendige Orte für alle

Gesa Loschwitz
24. August 2016
Treffpunkt unter der U-Bahn-Hochtrasse im Park am Gleisdreieck in Berlin (Alle Bilder: aus «Parks entwerfen, Jovis 2016»)

«Parks entwerfen – Berlins Park am Gleisdreieck oder die Kunst, lebendige Orte zu schaffen»: So heißt das Buch, das Leonard Grosch und Constanze A. Petrow gemeinsam verfassten. Dass es tatsächlich eine Kunst ist, solche Orte zu gestalten, zeigt der Blick auf viele öde Stadtplätze oder triste Parks mit zerstörten Spielplätzen. In einem Beitrag im Deutschlandradio vom 20. Juli 2016 verraten Autorin und Autor eine scheinbar simple Strategie, wie sich eben solcher Vandalismus vermeiden lässt: «Wenn das von Bürgern gestaltet wird, dann gibt es auch weniger Vandalismus.» Doch so einfach, wie das klingt, ist es natürlich nicht.

Leonard Grosch ist Partner im Landschaftsarchitekturbüro Atelier Loidl, das für den Park am Gleisdreieck verantwortlich zeichnet – und der Analysegegenstand des Buchs ist. Constanze A. Petrow ist ebenfalls Landschaftsarchitektin und Professorin für Freiraumplanung an der Hochschule Geisenheim. Sie betont im Gespräch im Deutschlandradio, wie wichtig es ist, die Bürger zu beteiligen und nennt zugleich einen Knackpunkt: «Wir müssen diese Bürger aber erreichen. Und damit haben wir bisher noch ein Problem, also sie anzusprechen und sie wirklich einzubinden in Partizipationsprozesse auf der einen Seite. Und auf der anderen Seite müssen wir als Planer auch viel mehr wissen darüber, was sie überhaupt möchten in Parks, welche Ästhetik sie bevorzugen, welche Nutzungsansprüche sie an Parks stellen.»

Im Park am Gleisdreieck, der im vergangenen Jahr mit dem Deutschen Landschaftsarchitekturpreis des BDLA ausgezeichnet wurde, scheint das gelungen. Bummelt man über den grünen, gewellten Tartan-Platz unter der Hochtrasse der U1 sieht man Skater, kleine Kinder, Ältere und Migranten. Sie alle teilen sich diesen vielfältigen Ort. Atelier Loidl wollte Angebote machen, damit sich die Menschen den Park aneignen können. In den Neunzigern, so Grosch, seien sogenannte multifunktionale Flächen en vogue gewesen: große Wiesen und Bäume. Doch es geht auch darum, unterschiedliche Atmosphären zu schaffen. «Ein Park muss mehr können», ergänzt Petrow. Was genau das ist, muss auch künftig gemeinsam mit denjenigen ausgekundschaftet werden, die den Park nutzen: «Wir können auch davon ausgehen, dass es in der Zukunft sehr verschiedene Arten von Parks gibt, je nachdem, in welchem kulturellen Kontext sie angesiedelt sind», so Petrow.

Das wird spannend für Landschaftsarchitekten. Einige Denkanstöße gibt das Buch, das nur auf den ersten Blick ein Buch über den Gleisdreieck Park ist. In einem Einstiegsteil erläutert Leonard Grosch am Beispiel des Gleisdreieck-Parks einige grundsätzliche Strategien für einen erfolgreichen Parkentwurf. Constanze A. Petrow leitet daraus allgemeingültige Prinzipien für das Entwerfen lebendiger Orte ab. Ihr wichtigstes Anliegen ist, den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Die beiden rücken die «soziale Leistungsfähigkeit von Freiräumen», und damit die soziale Verantwortung der Landschaftsarchitektur in den Mittelpunkt. Dann entstehen lebendige Orte, die im wahrsten Sinne des Wortes benutzt werden. Orte, die die immer dichter werdenden Großstädte so dringend benötigen.

Parks entwerfen
Berlins Park am Gleisdreieck oder die Kunst, lebendige Orte zu schaffen
Leonard Grosch / Constanze A. Petrow
Erschienen im Jovis Verlag, Berlin 
192 Seiten mit 143 farb. und s/w Abb. und Plänen
ISBN 978-3-86859-369-3, 29.80€

Sehen und gesehen werden am Gleisdreieck
Spiel und Sport auf den großen Wiesen im Park am Gleisdreieck

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