Kulturkampf in Sachsen-Anhalts Landtag

Katinka Corts
28. Oktober 2024
In den kommenden zwei Jahren wird das Bauhaus-Jubiläum in Dessau gefeiert. (Foto: Spyrosdrakopoulos via Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0)

Momentan klingelt Barbara Steiners Telefon besonders oft. Sogar die Londoner Times habe angerufen, sagte die Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) im Interview. Schuld ist ein Antrag der AfD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt: Die Partei nennt das Bauhaus einen »Irrweg der Moderne« und fordert angesichts des in den kommenden beiden Jahren anstehenden Doppeljubiläums der Kunstschule eine kritische Auseinandersetzung. In ihrem Antrag spricht sich die AfD-Fraktion gegen die »einseitige Glorifizierung des Bauhaus-Erbes« aus. Zudem fordert sie die Landesregierung dazu auf, die Ausrichtung des Jubiläums in Dessau wissenschaftlich neu zu bewerten und die Ausstellung entsprechend umzugestalten. 

Etwa eine Dreiviertelstunde dauerte die Beratung zu dem Antrag, bevor er abgelehnt wurde. Auf die Antragserläuterung von Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD) reagierten die anderen Fraktionen empört. Während der folgenden Diskussion zeigten sie Parallelen zwischen der AfD-Rhetorik und der nationalsozialistischen Ideologie auf. Justizministerin Franziska Weidinger von der CDU stellte klar, niemandem gehe es darum, das Bauhaus in eine Reliquie zu verwandeln. Vielmehr wolle man prüfen, wie dessen Ansätze in die Gegenwart überführt werden könnten. Der SPD-Politiker Holger Hövelmann äußerte, dass sich Geschichte zwar nicht wiederhole, wohl aber Parallelen zwischen dem AfD-Antrag und der deutschen Vergangenheit erkennbar seien. Stefan Gebhardt (Die Linke) erinnerte zudem daran, dass bereits 2019 beim 100-Jahr-Jubiläum der Bauhaus-Gründung in Weimar Hunderttausende Gäste ins Bundesland gekommen sind. Man erlebe, so Gebhardt weiter, mit dem Antrag keine Irrwege der Kulturpolitik des Landes, sondern bekäme von der AfD den Irrweg der 1930er-Jahre wieder angeboten.

Architekt und Architekturtheorie-Professor Philipp Oswalt, der von 2009 bis 2014 die Stiftung Bauhaus Dessau leitete, hatte den Antrag der AfD-Fraktion bereits vor der Diskussion im Landtag eingeordnet und kritisiert. Dem NDR sagte er im Interview, der Vorstoß überrasche ihn nicht, es gebe schon länger ein »Moderne-Bashing« vonseiten der Partei. Die AfD reduziere das große Thema Bauhaus auf einen Slogan und polarisiere. Für ihn zeige das klar, dass sie einen Kulturkampf führe und alles, was ihr nicht passt, verbieten oder zurückfahren wolle, um letztendlich die Gesellschaft als Ganzes zu verändern.

Barbara Steiner sprach im besagten Interview mit der NZZ ebenfalls von »Moderne-Bashing« und hob hervor, dass die AfD das Bauhaus in einer unvollständigen und verzerrten Weise darstelle. Die Partei versuche, ein »völkisch« geprägtes Kulturverständnis zu propagieren, indem sie historische Ereignisse und Personen aus ihrem Kontext herauslöse und sie für ihre eigenen politischen Ziele instrumentalisiere. Die Stiftung Bauhaus Dessau habe sich schon früher offen für Diskussionen gezeigt. Sie stehe bereit »für einen Diskurs, der die historische Bedeutung des Bauhauses laufend auf den Prüfstand stellt und, wenn nötig, korrigiert«.

Im Landtag von Sachsen-Anhalt stellt die AfD 23 von 97 Abgeordneten und ist damit die zweitstärkste Fraktion. Ihr nun gescheiterter Antrag hat eine breite öffentliche Debatte über das Erbe des Bauhauses und die Bedeutung der Moderne angestoßen. Wie sich diese Diskussion weiterentwickelt und welche Auswirkungen sie auf die zukünftige Auseinandersetzung mit der Kunstschule haben wird, bleibt abzuwarten.

 

Die Stellungnahmen aller im Landtag vertretenen Parteien sind online in voller Länge abrufbar. 

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