Kultur und Bildung statt Konsum
Katinka Corts
26. November 2024
Das ehemalige Karstadt-Warenhaus mit den markanten Schleppgauben steht in direkter Nachbarschaft zum Braunschweiger Gewandhaus. (Foto: Dguendel via Wikimedia Commons, CC BY 3.0)
Die Stadt Braunschweig hat zehn Architekturbüros eingeladen, aus dem ungenutzten Karstadt-Kaufhaus im Zentrum eine Musikschule zu machen. Im Mai entscheidet die Jury, wie der postmoderne Bau von Gottfried und Elisabeth Böhm umgestaltet wird.
Kaufhäuser in den Innenstädten kämpfen vielfach ums Überleben – die Insolvenz großer Ketten wie Horten, Karstadt oder Kaufhof führt das deutlich vor Augen. Über Jahrzehnte waren größere und größere Warenhäuser mit immer umfassenderen Produktangeboten entstanden – doch je populärer das Online-Shopping wurde, desto öfter blieb die Kundschaft aus. Die Stadt Braunschweig geht mit einer Innenstadtstrategie gezielt gegen den Leerstand vor. Die Burgpassage zum Beispiel lässt sie abbrechen und baut an ihrer Stelle eine Schule und Wohnungen. Mit der Nachnutzung des Karstadt-Gebäudes am Gewandhaus sollen die verfügbaren Handelsflächen jetzt weiter reduziert werden. Neue, attraktivere Angebote, so die Idee, werden in Zukunft wieder mehr Besucherinnen und Besucher in die Innenstadt locken.
Das 1978 als Einrichtungshaus von Karstadt eröffnete Kaufhausgebäude in der Poststraße steht derzeit leer. Als vor drei Jahren der Konzern in die Insolvenz ging, wurde der besonders für seine Fassade bekannte Bau des Architektenpaars Gottfried und Elisabeth Böhm geschlossen. Eigentümer des Gebäudes war Friedrich Knapp, der kürzlich verstorbene Gründer der Modekette New Yorker. Gemeinsam mit der Stadt Braunschweig hat das Unternehmen zehn Architekturbüros eingeladen, Entwürfe für den Um- oder Neubau des Gebäudes einzureichen.
»Mit dem Start des Wettbewerbs ist ein wichtiger Meilenstein zur Verwirklichung des Hauses der Musik in der Innenstadt erreicht«, erklärte Oberbürgermeister Thorsten Kornblum vergangene Woche. Er erwartet sich von dem Verfahren »spannende Entwürfe« und einen wichtigen Beitrag zur weiteren Entwicklung der Innenstadt. »Das Haus der Musik zahlt neben der vom Rat beschlossenen Innenstadtstrategie auch auf das Investitionspaket ›Bildungs- und Arbeitsort Braunschweiger Innenstadt‹ ein«, so Kornblum weiter. Dessen Kern sei die verstärkte Ansiedlung »frequenzbringender Bildungseinrichtungen«, mit denen die Innenstadt zusätzlich belebt werden kann. Kornblum ist sich sicher: »Durch die Kombination aus städtischer Musikschule und Konzerthaus wird das Haus der Musik eine starke Anziehungskraft entwickeln.«
Im Musikhaus sollen neben der städtischen Musikschule und einem Konzertsaal auch Begegnungsräume Platz finden. Durchgeführt und betreut wird der Wettbewerb vom Braunschweiger Architekturbüro cmas. Vertreterinnen und Vertreter des Modeunternehmens New Yorker und der Stadt wählten gemeinsam mit cmas zehn Architekturbüros aus, von deren Beiträgen sie sich eine breite Palette an konzeptionellen und baukünstlerischen Ansätzen erhoffen. Einige Büros sind dabei lokal stark verankert, andere verfügen über eine große Strahlkraft. So treten nun Graft gegen die lokalen Ottinger Architekten, die Münsteraner behet bondzio lin und Hadi Teherani Architects aus Hamburg an. Weiterhin sind adept, haas cook zemmrich studio2050, Peter Haimerl sowie Gustav Düsing und gmp & Giesler Architekten eingeladen. Und Dorte Mandrup A/S aus Kopenhagen sorgen für ein internationales Teilnehmerfeld. Im Wettbewerb sollen die Büros auch die grundsätzliche bauliche Machbarkeit des Vorhabens bewerten – sowohl die Option Neubau als auch einen Umbau gilt es zu untersuchen.
Ein Umbau könnte sich lohnen: Gottfried und Elisabeth Böhm hatten sich 1975 im beschränkten Architekturwettbewerb durchgesetzt und schlugen eine Fassade mit markanten Schleppgauben vor, die ursprünglich mit einer Bleischicht überzogen werden sollte. Im Rahmen eines Eigentümerwechsels entschied Karstadt jedoch, eine Fassade mit blau-grünen Biberschwanzziegeln ausführen zu lassen. Ob diese im Zuge eines möglichen Umbaus erhalten bleibt, angepasst wird oder sogar der ursprüngliche Entwurf der Böhms eine zweite Chance bekommt, der von der damaligen Jury sehr gelobt worden war, müssen die Wettbewerbsteilnehmer jetzt entscheiden.
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