Entscheidung über DDR-Bauerbe in Potsdam

Hotel Mercure bleibt vorerst

Oliver Pohlisch
16. September 2016
Hotel Mercure, (Bild: Karstenknuth / Wikipedia via Wikimedia Commons)

Seit Jahren wird in Potsdam heftig um das zukünftige Gesicht der Innenstadt gestritten, German-architects.com hat schon mehrfach darüber berichtet. Im Kern geht es um die Frage, ob das Zentrum von Brandenburgs Landeshauptstadt vollständig in eine Art preußisches Idyll transformiert werden soll, oder ob die verbliebenen Reste an DDR-Architektur es nicht doch wert sind, vor der Abrissbirne geschützt zu werden.

Um Letzteres zu erreichen, hatte die Initative «Potsdamer Mitte neu denken» ein Bürgerbegehren gestartet. 15'000 Potsdamer setzten sich mit ihrer Unterschrift für den Erhalt des Hotel Mercure, der Fachhochschule und des benachbarten Staudenhof-Wohnblocks – alles Zeugnisse der realsozialistischen Moderne – ein. Ihre Zahl reichte aus, damit sich die Stadtverordnetenversammlung nun noch einmal mit den Perspektiven für die Innenstadtgestaltung auseinandersetzen musste.

Die entsprechende Sitzung am vergangenen Mittwoch brachte ein ambivalentes Ergebnis hervor: Zunächst einmal erklärte das Parlament mit deutlicher Mehrheit das erfolgreiche Bürgerbegehren für rechtlich unzulässig. 31 Stadtverordnete stimmten für einen entsprechenden Antrag, der damit argumentierte, dass die im Begehren vorgelegten Formulierungen nicht den in der Rechtsprechung entwickelten Bestimmtheitsanforderungen genügten. 15 Stadtverordnete votierten dagegen. Damit wurde verhindert, dass dem Begehren auch ein Bürgerentscheid folgen kann, der für das Parlament bindend gewesen wäre.

Der Fraktionschef der oppositionellen Linkspartei, Hans-Jürgen Scharfenberg kritisierte das Vorgehen der regierenden Rathauskooperation aus SPD, CDU/ANW und Bündnisgrünen. «Es war von vorneherein das Ziel der rechtlichen Prüfung, die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens festzustellen», beklagte er. Bei wohlwollender Betrachtung hätte man auch zu einem gegenteiligen Ergebnis gelangen können.

Kein Erwerb des Hotels zwecks Beseitigung

Später kam es jedoch zu einer überraschenden Einigung zwischen den Linken und der Rathauskooperation hinsichtlich der Zukunft des Hotel Mercure. Dessen Abriss soll nun nicht mehr aktiv angestrebt werden, heisst es in einem von fast allen Parteien getragenen weiteren Beschluss der Stadtverordnetenversammlung. Alle Bemühungen der Kommune, den 17-stöckigen Plattenbau zu erwerben, um ihn letztlich zu beseitigen, werden demnach eingestellt.

Mit diesem Verzicht konnte sich Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) aber zugleich auch das Plazet für den Abriss der Fachhochschule und den Staudenhof sichern. Beide sollen Neubauten weichen. Beschlossen wurde zudem, dass auf dem Gelände des Staudenhofs, dessen Demolierung nach dem Jahr 2022 vorgesehen ist, die gleiche Anzahl an Sozialwohnungen errichtet werden sollen.

Fachhochschule am Alten Markt, (Bild: Florian S. via Wikimedia Commons)

Jakobs nannte laut rbb-online den Kompromiss einen Ausduck politischer Sensibilität. Es sei deutlich geworden, dass an der Frage der Entwicklung der Potsdamer Mitte ein Grundkonflikt zum Ausdruck komme. Ihm sei es daher wichtig, bei der Entscheidung alle Bürger mitzunehmen. Linken-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg sagte gegenüber dem Berliner Tagesspiegel, mit dem Kompromiss würden wesentliche Inhalte des Bürgerbegehrens zum Erhalt von DDR-Bauten in Potsdams Zentrum aufgegriffen.

«Nicht einmal ein fauler Kompromiss»

Die Initiative «Potsdamer Mitte neu denken» sieht das anders. Sie kündigte noch am Mittwoch an, die Unzulässigkeit des Begehrens vor dem Verwaltungsgericht anfechten zu wollen. «Wir haben ein Gutachten des renommierten Potsdamer Verwaltungsrechtlers Christian W. Otto, dass unser Bürgerbegehren allen formalen und rechtlichen Vorgaben entspricht», so der Sprecher der Initiative André Tomczak gegenüber der Märkischen Allgemeinen.

Scharfenberg sieht den Gang vor Gericht mit dem Risiko des Scheiterns behaftet. Daher habe er parallel versucht, Forderungen des Bürgerbegehrens durchzusetzen, so der Linken-Fraktionschef. Dazu gehöre der Plan von Potsdamer Genossenschaften, eines von zwei Wohn- und Geschäftskarrees auf der Fläche der Fachhochschule zu entwickeln.

«Das ist kein mit uns abgestimmter Kompromiss», klagt André Tomczak. Der Erhalt des Mercure hätte sich ohnehin schon abgezeichnet. Und wesentliche Grundsätze wie etwa das Verbot der Verwendung öffentlicher Mittel für den Abriss intakter Gebäude würden in dem Kompromiss nicht beachtet. Was jedoch noch entscheidender ist: Die langfristigen Sanierungsziele für den Lustgarten, an dessen Rand das 1961 gebaute Hotel Mercure steht, sind mit dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung gar nicht aufgehoben worden. In diesen ist der Mercure-Abriss weiterhin langfristig vorgesehen. Darüber soll jetzt nur beraten werden, wenn die Eigentümerholding aus Frankreich das Hotel im derzeitigen baulichen Zustand nicht weiter betreiben möchte, so der Beschluss.

In der Stadtverordnetenversammlung wollte lediglich die Fraktion Die Andere den Kompromiss nicht mittragen. Deren Mitglied Eric Blume warf der Linkspartei vor, diese hätte «nicht einmal einen faulen Kompromiss» ausgehandelt. Der Beschluss sei nur geprägt von «tiefer Sehnsucht», auch der regierenden Rathauskooperation anzugehören.

Andere Artikel in dieser Kategorie