Hinter strengem Raster

Nina Baisch
9. Dezember 2020
Nordost-Fassade an der Reuttierstrasse (Foto: Michael Heinrich, Fotografie für Architekten)

An der stark frequentierten Reuttierstrasse in Neu-Ulm steht ein neuer Wohnungsbau, den das Münchner Architekturbüro Fink+Jocher im Auftrag der Wohnungsgesellschaft der Stadt Neu-Ulm NUWOG entworfen hat. Vorausgegangen war 2015 der Architektenwettbewerb des Modellvorhabens „effizient bauen – leistbar wohnen“ des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr – die Ausschreibung suchte nach Lösungen für bezahlbaren Wohnraum, die zeitgemäße Wohnformen sowie optimale Bauflächenausnutzung und Bauweisen in den Vordergrund stellten. Von der höchstmöglichen Wohn-, Gebrauchs- und Architekturqualität versprach sich die Stadt eine effiziente Umsetzung und eine Planungssicherheit hinsichtlich der Baukosten. Ab Herbst 2018 wurde gebaut, diesen September konnten die 31 geförderten Mietwohnung bezogen werden. (1)

Das rhythmische Fassadenraster aus strenger Säulenordnung (Foto: Michael Heinrich, Fotografie für Architekten)
Laubengang an der Nordost-Fassade (Foto: Michael Heinrich, Fotografie für Architekten)

Mit einem Laubengang vor dem 42 m langen und fünfgeschossigen Wohngebäude wird nicht nur ein Abstand zur Straße geschaffen, sondern auch die Gebäudelänge rhythmisiert: Die mächtigen 60cm-Säulen und der Raum zwischen ihnen werden zum prägenden Fassadenraster, der sich über Nordost- und Südwestfassade zieht und durch die Brüstungen gestalterisch ergänzt wird. Lediglich die unterschiedliche Geschossigkeit des Baukörpers von vier auf fünf unterbricht die strenge Ordnung der Längsfassaden. Auch der prägnante und an Dachluken erinnernde Zugang vom 4. Stockwerk zum Dachgarten löst augenzwinkernd das Muster auf. 
Der Neubau bietet Zwei-, Drei- und und Vier-Zimmer-Wohnungen mit jeweils integriertem Kellerersatzraum zu einem durchschnittlichen Kalt-Mietzins von 9,15 €/m2, womit das Wohnen hier im Vergleich zur ortsüblichen Vergleichsmiete (knapp 11,00 €/ m2) deutlich günstiger ist. (2) Ergänzend dazu gibt es eine gemeinschaftliche Dachterrasse, einen Gemeinschaftsraum sowie offene Parkplätze für Auto und Rad. Die geförderten Wohnungen stehen Mietern mit einem Wohnberechtigungsschein zur Verfügung, der nach Einkommensgrenzen und sozialer Dringlichkeit vergeben wird. (4) Alle Wohnungen orientieren sich nach Südwesten: Ein offener Hauptraum über die gesamte Tiefe der Wohnung definiert den Kern aller Grundrisse. Dieser ermöglicht mehrheitlich einen ungehinderten Blick von Eingangstür bis zu den bodentiefen Fenstern der Loggien. An diesem Kern reihen sich beidseitig die Nebenräume auf, die mit Dreh- oder Schiebetüren angebunden sind.

Wohn-Hauptraum mit angegliederten Nebenräumen (Foto: Michael Heinrich, Fotografie für Architekten)
Südwest-Fassade (Foto: Michael Heinrich, Fotografie für Architekten)

Eine Stahlbeton-Sandwichbauweise kombiniert mit seriell vorgefertigten Einzelbauteilen aus Glas, lasiertem Holz und verzinktem Stahl: Die systematisierte Tragstruktur des Gebäudes ermöglichte vorfabriziertes, standardisiertes und kostengünstiges Bauen. Zudem verzichtet die kompakte Gesamtstruktur aus hochgedämmten Außenbauteilen auf umhüllte und temperierte Erschließungsflächen, wodurch sich ein günstiges Verhältnis von Außenfläche zu Volumen ergab, das – mit dem Anschluss an das Fernwärmenetz der Stadtwerke Ulm / Neu-Ulm – den KfW-Energieeffizienzstandard 40 möglich macht. (5)


Anmerkungen

1 Quelle: Architekturbüro Fink+Jocher
2 Quelle: NUWOG 
3 Quelle: Mietspiegel (abgerufen am 03.12.2020)
4 Quelle: Wohnberechtigung (abgerufen am 02.12.2020) 
5, 6 Quelle: Architekturbüro Fink+Jocher 

Regelgeschoss (Plan: Architekturbüro Fink+Jocher)
Lageplan (Plan: Architekturbüro Fink+Jocher)

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