Heute parken, morgen wohnen?

Katinka Corts
5. November 2024
Das Holzparkhaus Schwanenweg in Wendlingen ist größtenteils aus regionalem Holz gebaut. Es bietet 350 Autos und 150 Fahrrädern Platz. (Foto: © Herrmann+Bosch Architekten)

In der Stadt Wendlingen vor den Toren Stuttgarts ist zur nächsten Internationalen Bauausstellung (IBA’27) ein besonderes Parkhaus entstanden: Errichtet wurde das 18 Meter hohe Bauwerk aus Holz. Entworfen hat den Ökobau beim Bahnhof das Stuttgarter Architekturbüro Herrmann+Bosch. Auf seinen fünf ovalen Ebenen haben 350 Autos und 150 Fahrräder Platz. Die Parkgeschosse sind dabei so konzipiert, dass sie sich in Zukunft zu Wohn- und Arbeitsräumen umbauen lassen. 

»Normalerweise denkt man während der Bauphase nicht unbedingt an den Rückbau«, sagt Professor Gerhard Bosch über das Projekt. »Bei diesem Parkhaus haben wir jedoch genau das getan. Dank trennbarer Verbindungen lässt es sich bei Bedarf wie ein Baukasten einfach auseinandernehmen.« Die Architekten wollten nach eigenen Angaben nicht nur ein funktionales Parkhaus bauen, sondern auch die Voraussetzungen für eine spätere Umnutzung schaffen. Möglich wurde das, weil vorab viele Überlegungen hinsichtlich Geometrie, Raumhöhe und konstruktiven Schnittstellen angestellt wurden. »Wir haben eine Architektur entwickelt, die den aktuellen Bedarf deckt, aber zugleich vorausschauend auf zukünftige Anforderungen vorbereitet ist.«

Der Neubau ersetzt einen ebenerdigen Parkplatz und bietet Stellplätze für das Otto-Quartier, das direkt neben dem Bahnhof gebaut wird. (Foto: © Herrmann+Bosch Architekten)
»Durch die Zusammenarbeit mit der IBA’27 und den vielen weiteren Partnern – von den Architekten bis zur Holzbaufirma Pletschacher – konnten wir ein Vorzeigeprojekt realisieren. […] Es zeigt, wie der Städtebau der Zukunft aussehen kann: flexibel, ressourcenschonend und klimagerecht.«

Steffen Weigel, Bürgermeister der Stadt Wendlingen am Neckar

»Ein oberirdisches Parkhaus wie in Wendlingen bietet die heute benötigten Stellplätze, ist aber kostengünstiger und kann auf die sich ändernden Bedürfnisse der Zukunft reagieren. Das Wendlinger Parkhaus ist eine Brücke in eine Zukunft mit weniger Autos.«

Andreas Hofer, Intendant der IBA’27

Lediglich die Rampen und Treppenhäuser sind aus Beton. Im Falle einer Umnutzung zum Wohnhaus kann der Kern geschossweise zurückgebaut werden. (Foto: © Herrmann+Bosch Architekten)

Die Parkgeschosse sind in ihrer Höhe bereits für eine Umnutzung zu Wohn- und Arbeitsräumen ausgelegt. Der Betonkern aus Rampen und Treppenhäusern kann von oben geschossweise zurückgebaut werden. An seiner Stelle könnte ein Innenhof für die Hausgemeinschaft entstehen. Je nachdem, wie sich die Bedürfnisse in der Stadt ändern, lässt sich der Bau anpassen – oder auch demontieren. Von den Steck- und Schraubverbindungen der Holzkonstruktion versprechen sich die Planer einen zügigen Rückbau. Da keine Verbundmaterialien eingebaut wurden, sind die meisten Bauteile einfach wiederverwendbar. Als Vorzeigeprojekt der IBA’27 bedient der Bau also nicht nur das Thema Bauen im Bestand, sondern zeigt auch Entwicklungsoptionen im Bereich der nachhaltigen Mobilität.

Auch wenn heutzutage immer mehr Menschen – gerade auch im Architekturumfeld – skeptisch auf den Individualverkehr blicken, bleibt er vorerst eine Realität. Viele möchten und können noch nicht auf den eigenen Wagen verzichten, und für manche bleibt das Auto gar ein geliebtes Hobby. Zwar perpetuiert der Neubau eines Parkhauses zunächst fragwürdige Verkehrsentscheidungen, das Wendlinger Holzparkhaus ist jedoch ein gelungenes Beispiel für einen gleichzeitigen Blick in Gegenwart und Zukunft: Während Tiefgaragen und herkömmliche Parkhäuser viel graue Energie verbrauchen und in der Nutzung starr sind, wird das Holzparkhaus zukünftig hoffentlich mit seiner Flexibilität punkten können. 

Die Raumhöhen sind so ausgelegt, dass aus dem Parkhaus ein Wohnhaus werden kann. (Visualisierung: © Herrmann+Bosch Architekten)

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