Experience, Integrated

Jochen Paul
12. Februar 2019
Blick in die Ausstellung (Bild: Architekturgalerie München)

Bis heute hat Nikken Sekkei mehr als 25'000 Projekte in 50 Ländern weltweit realisiert – neben „klassischen“ Architekturaufgaben auch Innenarchitektur, Stadt- und Landschaftsplanung.Zudem unterhält das Büro mit dem Nikken Sekkei Research Institute eine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Bekannt geworden sind Nikken Sekkei vor allem mit ihren zahlreichen Hochhäusern und Turmbauten – in Tokio errichteten sie 2012 mit dem 634 Meter hohen Tokyo Skytree den derzeit höchsten Fernsehturm der Welt. Trotz der Parallelen zu SOM blieben Nikken Sekkei In Europa bis vor kurzem relativ wenig beachtet. Das änderte sich erst 2016 mit ihrem wahrscheinlich prestigeträchtigsten Auftrag, dem 420 Millionen Euro teuren „Nou Camp Nou“ des FC Barcelona. In der Ausstellung ist es im Modell und als Überblendung von Renderings auf einem großen Flachbildschirm zu sehen

Hochhaus W350 (Bild: Nikken Sekkei)

„Experience, Integrated“ beschreibt den Ansatz des Büros, in ihrer Arbeit das Fachwissen der Architekten und Ingenieure stets mit dem seiner Kunden und Nutzer sowie der ausführenden Firmen und Handwerker zusammenzuführen. Wie sie das machen, zeigen ein Dutzend ausgewählter Projekte der letzten Jahre in Form von Modellen, Skizzen, Planzeichnungen, Fotografien und kurzen Erläuterungstexten in „Petersburger Hängung“. 

Zwei Beispiele: Für das Sony City Osaki Building – der Bauherr wollte ein Gebäude mit einem möglichst geringen ökologischen Fußabdruck und hochwertige Arbeitsplätze – entwickelten die Ingenieure eine „BioSkin“ genannte Haut aus wassergefüllten Keramikrohren, die durch das Verdampfen von Regenwasser die Oberflächentemperatur des Gebäudes um bis zu 12 °C und das Mikroklima um das Gebäude herum um 2 °C senkt.

Nou Camp Nou (Bild: Nikken Sekkei)

Und für YKK80, die Firmenzentrale der YKK Group, entwickelten sie eine filigrane zweilagige Vorhangfassade aus Aluminium-Strangpressprofilen und Y-förmigen Verbindungselementen aus der firmeneigenen Produktpalette. Die Fassade schützt die Arbeitsplätze vor Sonneneinstrahlung und Straßenlärm und wirkt wie ein semitransparenter Schleier. Der sich einstellende Moiré-Effekt lässt das Gebäude trotz seiner 40 x 60 Meter Fassadenfläche plastisch und abwechslungsreich wirken.

In der Ausstellung zieht das übermannshohe Modell ihres momentan spektakulärsten Projekts „W350“ im Durchgang zum zweiten Raum bereits vom Eingang her die Aufmerksamkeit auf sich. Die Tragstruktur des 70geschossigen, 350 Meter hohen und begrünten Hochhauses – es versteht sich als Vorstoß, die "Städte in Wälder zu verwandeln" – besteht zu 90% aus Holz. Überhaupt die Modelle: anders als in Deutschland und der Schweiz üblich, sind sie nicht reduziert und monochrom weiß, sondern möglichst detailliert und wirklichkeitsnah farbig – und von beeindruckender Präzision. Selten hat eine so informationsgesättigte Ausstellung in der Architekturgalerie so gut ausgesehen.

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