Gedenkstätte in Rivesaltes eröffnet

Erinnern, endlich!

Katinka Corts
18. Oktober 2015
Bild: Frederic Hedelin / onlyfrance.fr

Oft wurde Rivesaltes als «blinder Fleck in der Geschichte Frankreichs» bezeichnet. Hier, an der südwestfranzösischen Mittelmeerküste und nahe Perpignan, befand sich ab den 1940er-Jahren das größte Internierungslager Westeuropas. Über die Jahre waren hier um die 80’000 Menschen interniert. Zunächst als Militärlager eingerichtet werden hier ab Ende 1938 «unerwünschte Ausländer» untergebracht – zu dieser Zeit sind damit die spanischen Bürgerkriegsflüchtlinge gemeint. Nur zwei Jahre später inhaftiert das Vichy-Regime im Namen des État français ausländische Juden, die zuvor vor den Nationalsozialisten geflohen waren. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zählen zu den Gefangenen Vichy-Kollaborateure sowie Kriegsgefangene aus Deutschland und Österreich; ab 1962 interniert Frankreich hier Harki, die als algerische Muslime Frankreich im Zweiten Weltkrieg gedient hatten. Schlecht untergebracht, zusammengepfercht in schmutzigen Baracken, unter katastrophalen hygienischen Bedingungen – in Rivesaltes starben über die Jahre etliche Menschen. Und man solle nicht meinen, dass in den 1960er-Jahren die Lagergeschichte ein Ende fand: Noch bis 2007 wurde auf dem Areal ein Abschiebegefängnis für Einwanderer ohne Aufenthaltserlaubnis betrieben. 

Nun endlich wird die Geschichte des Lagerareals, das sich inmitten eines Militärgebietes befindet, aufgearbeitet der Bevölkerung gezeigt. Das «Mémorial du Camp de Rivesaltes», entworfen von Architekt Rudy Ricciotti, befindet sich inmitten des einstigen Lagers. Der in den Boden eingegrabende, 220m lage Bau ist 20 Meter breit und vier Meter hoch; er duckt sich dabei immer unter die Überreste der Barracken. Architekt Ricciotti sagt, er habe mit seinem Bau die versteckte Gewalt des Ortes zeigen wollen. «Eine Gedenkstätte ist weder Grab noch Kulturzentrum», sagte Ricciotti gegenüber der Zeitung LeMonde. Er hoffe, dass die Erinnerungsstätte nun den Franzosen die Auseinandersetzung mit diesem Teil ihrer Geschichte ermöglicht.

Denis Peschanski, der wissenschaftliche Leiter der Gedenkstätte sagte gegenüber der FAZ, dass ihm die Aktualität der Gedenkstätte angesichts der Flüchtlingskrise fast unheimlich ist. Es heißt weiter, dass die Ausstellung in Rivesaltes mit einen Interview des Repräsentanten des UN-Flüchtlingswerks Philippe Leclerc endet. «Lager können nicht die Lösung für die Flüchtlingskrise sein», sagt dieser.
 


Weitere Informationen
– Ursula Welter für Deutschlandradio Kultur zur Eröffnung sowie 2014
– Michaela Wiegel für FAZ
Camp de Rivesaltes

Zum Architekten
Rudy Ricciotti
– Eines seiner neueren Bauwerke bei swiss-architects: Das Musée des civilisations de l’Europe et de la Méditeranée, kurz MUCEM, in Marseille

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