Eine Million Stimmen für die Bausubstanz
Noch ist der Abriss alter Bauwerke alltäglich. Doch die Europäische Bürgerinitiative HouseEurope hat großes Potenzial, das zu ändern: Kommen genügend Unterschriften zusammen, könnte die Gesetzgebung europaweit umbaufreundlich gestaltet werden.
Solange es üblich ist, Gebäude abzubrechen und Ersatzneubauten zu errichten, und eine gezielte Förderung von Erhalt und Umbau fehlt, gehen wichtige Ressourcen und viel graue Energie verloren. Doch obwohl dies – zumindest in Fachkreisen – längst bekannt ist, wird immer noch viel zu wenig umgebaut. Lieber setzen viele Bauherrschaften nach wie vor auf Neubauten, die eine höhere Rendite versprechen. Damit treiben sie die problematische Produktion neuer Baumaterialien voran. Dem wollen Aktivistinnen und Aktivisten nun EU-weit Einhalt gebieten. Dazu haben sie die Bürgerinitiative HouseEurope gestartet. Sie fordern die Formulierung neuer EU-Gesetze, mit denen der Sanierung und Transformation bestehender Gebäude Vorrang vor Abriss und Neubau gegeben wird. Zugleich müssten Renovierungsprojekte einfacher möglich sein und günstiger wie auch sozialverträglicher umsetzbar werden.
Doch wie kann das gelingen? Die Initiative beruht auf drei Säulen: Zunächst brauche es Steuererleichterungen für Renovierungen und wiederverwendete Baumaterialien, zweitens faire Regeln für die Bewertung der Risiken und Potenziale bestehender Gebäude sowie drittens überhaupt die Anerkennung (und Anrechnung) des CO₂, das in Bestandsgebäuden in Form von grauer Energie gebundenen ist. Vergangenen Oktober vorgestellt, hat die Unterschriftensammlung zur Weiterführung der Initiative im Februar begonnen. Gestartet als Europäische Bürgerinitiative (EBI), benötigt HouseEurope innerhalb eines Jahres die Stimmen von einer Million Bürgerinnen und Bürgern aus mindestens sieben EU-Ländern. Gelingt dies, ist die Europäische Kommission direkt und demokratisch aufgefordert, neue Rechtsvorschriften in Bereichen vorzuschlagen, in denen die EU zuständig ist.
Bei der Vorstellung der Initiative erklärte Arno Brandlhuber, der als Architekt und Stadtplaner neben Alina Kär, Olaf Grawert und weiteren Gleichgesinnten das Anliegen vorantreibt, dass nur über eine erfolgreiche Europäischen Bürgerinitiative echte politische Reformen auf internationaler Ebene zu erreichen seien. Den Schutz der vorhandenen Bausubstanz auf die politische Agenda der EU zu setzen, ist längst überfällig, denn gerade die Bauwirtschaft setzt große Mengen an klimaschädlichen Treibhausgasen frei und verbraucht viele wertvolle Ressourcen. Wenn HouseEurope genügend Stimmen erreicht, ist ein großer Schritt gemacht. Doch eine Garantie für positive Veränderungen wäre das noch nicht: Zwar wäre die Europäische Kommission verpflichtet, die Vorschläge zu prüfen – ob sie daraufhin aber auch neue Rechtsvorschriften vorschlägt, die Initiative in anderer Form weiterverfolgt oder auch gar keine Maßnahmen ergreift, bleibt ihr überlassen.
Wer sich engagieren möchte findet auf der Website zur Initiative neben der Möglichkeit zur Unterzeichnung auch einen Link zum Dokumentarfilm »Power to Renovation: A Question of Values«, in dem das Vorhaben umfassend erläutert wird. Ebenfalls auf der Projektwebsite ist der interaktive »Renovation Atlas« verlinkt, der einige Best-Practice-Beispiele aus den vergangenen Jahrzehnten umfasst und fortlaufend ergänzt wird.