Ein Außen zum Innen

Gesa Loschwitz
17. Mai 2016
Wohnlich: Blumenkästen an den Vortreppen des Flüchtlingswohnheims in der Steigerthalstraße in Hannover (Bilder: Linnea Landschaftsarchitektur)

Die Stadt Hannover macht es vor: Statt trister Container oder Traglufthallen baute sie jüngst aus Holzmodulen zwei Flüchtlingsunterkünfte, die später umgenutzt werden können. Linnea Landschaftsarchitektur und Mosaik Architekten entwarfen die beiden Anlagen in der Steigerthalstraße in Linden-Nord und der Dorotheenstraße in der Nähe der Herrenhäuser Gärten. Weitere sollen folgen.

Die Relevanz von Freiraum für die beiden Flüchtlingswohnheime stand von Anfang an fest. Die auftraggebende Stadt Hannover und die Planer waren sich einig: Qualitätsvolle Außenanlagen mit Treffpunkten, Sport- und Spielmöglichkeiten wirken Langeweile und Frust entgegen. Über alle zuständigen städtischen Fachbereiche hinweg herrschte der Konsens: Die Kosten für eine gestaltete Außenanlage sind im Verhältnis zu den Gesamtkosten verhältnismäßig gering, ihr potenzieller Nutzen jedoch ungleich höher.
Linnea zonierte die Außenanlagen so, dass sie Schritt für Schritt von der Zurückgezogenheit der eigenen Wohnung in die Öffentlichkeit der Gesamtanlage führt. Das Konzept war bereits in der Architektur von Mosaik angelegt. Die Erfahrungen zeigen, dass die Menschen nach ihrer Ankunft zurückgezogen leben und sich erst nach und nach hinauswagen. Dann aber werden Treffpunkte, aber auch Rückzugsorte im Außenraum umso wichtiger. Nicht zuletzt, um die beengte Wohnsituation entschärfen.

In der Steigerthalstraße sind die Vortreppen der Wohnungen halbprivate Zonen. Dass sie auch als solche angenommen werden, zeigen heute Blumenkästen und Teppiche. Als verbindende Zone zum öffentlichen Bereich fungiert ein Weg mit Bänken zwischen den Wohntreppen. Und schließlich gibt es im Mittelpunkt der Anlage ein Gemeinschaftshaus mit Tischtennisplatten und Sitzgruppen. Vom Prinzip her ähnlich, von privat zu öffentlich, ist die Anlage an der Dorotheenstraße geplant, auch wenn die Architektur-Module hier keinen Hof bilden.
Die Ausstattung der Außenanlagen wurde intensiv diskutiert: Welcher Standard soll erfüllt werden? Was wird angenommen? Linnea sieht das als Prozess. Dinge müssen auch ausprobiert werden: «Nach Erfahrungsberichten aus Südeuropäischen und Nordafrikanischen Ländern werden dort Fitnessgeräte in Parks sehr gut angenommen. Wir bauen daher an den kommenden Standorten probeweise robuste Outdoor-Fitnessgeräte ein. Gleichzeitig beobachten wir, wie die Angebote der ersten in Nutzung gegangenen Anlagen angenommen werden», so die Landschaftsarchitektinnen Ines Kruse und Sonja Griebenow.

Als Prototyp sehen die beiden die bereits realisierten Anlagen aber nicht. Die Zonierung ist zwar das Wesentliche, aber natürlich müssten sie auf jede städtebauliche Situation anders reagieren. Das ist zugleich auch die große Chance der Hannoveraner Herangehensweise: die Unterkünfte sind keine Fremdkörper im sozialen und städtebaulichen Gefüge der Stadt.

Gemeinschaftsflächen des Flüchtlingswohnheims in der Steigerthalstraße in Hannover

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