Drei Damen und ihre drei Architekten

Ulf Meyer
6. Februar 2018
Lars Krückeberg, Thomas Willemeit, Marianne Birthler und Wolfram Putz (Foto: Pablo Castagnola)

„Mauern un-bauen“ – so lautet das kryptische Motto des Beitrags für den deutschen Pavillon auf der nächsten Architekturbiennale in Venedig im Mai – wir berichteten darüber vergangenen August. Die vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) ernannten Kuratoren präsentierten ihr Konzept erstmalig am 5. Februar in Berlin, genau dem Tag, an dem die innerdeutsche Grenze so lange verschwunden ist, wie sie existierte. Die Kuratoren nehmen diese Zeitengleiche von je 28 Jahren zum Anlass, um die „Auswirkungen der Teilung und den Prozess der Heilung als räumliches Phänomen zu untersuchen“. Die drei GRAFT-Gründer Lars Krückeberg, Wolfram Putz und Thomas Willemeit mit Ko-Kuratorin Marianne Birthler (ehemalige Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR) stellten erste inhaltliche Details vor. Birthler, Grünen-Politikerin, wurde von dem Ministerium unter Leitung von Barbara Hendricks (SPD) ausgewählt.
„Die Ausstellung reagiert auf Debatten über Nationen, Protektionismus und Abgrenzung“ postulieren die Kuratoren großspurig. „Mauern können Spaltung, Macht und Ausschluss, aber auch Schutz bedeuten“. Aha. Das Augenmerk der Kuratoren liegt auf Beispielen, die sich mit Trennung und Zusammenwachsen auseinandersetzen. Die innerdeutsche Mauer soll zum „Hintergrund für die internationale Debatte über Ausgrenzung und Spaltung werden“ – sehr staatstragend für eine Architekturveranstaltung.

Der geplante Axel-Springer-Campus direkt auf dem ehemaligen Mauerbereich (Bild: courtesy of OMA)
Checkpoint Charlie (Foto: Wolkenkratzer (CC BY-SA 4.0)

Das Konzept, ein „cooles Büro“ mit einer Polit-Veteranin zu kombinieren, wurde von einer „Expertenkommission“ unter Vorsitz von Matthias Sauerbruch ausgewählt. Warum eine Politikerin von einer Ministerin ausgewählt wurde, ist zunächst inhaltlich nicht ersichtlich – vielleicht hat das Missbehagen an Trumps geplantem „Mauerbau“ an der mexikanischen Grenze die Entscheidung getrieben. Die Kritik an Trump (oder Orbán) ist ebenso berechtigt wie billig. In Europa stehen die frisch gebauten Grenzzäune schließlich bereits, die in Amerika erst lautstark angekündigt werden.
Anhand von architektonischen Projekten auf dem ehemaligen Grenzstreifen wird in Venedig dann gezeigt, was in den letzten 28 Jahren auf diesem Leerraum passiert ist. Ein Journalistenteam bereist dafür derzeit Grenzmauern in aller Welt.
Konkret wurden zunächst vier Projekte vorgestellt, von denen jedoch allenfalls zwei „architektonisch“ sind: Der Neubau des Springer-Verlags auf dem ehemaligen Todesstreifen von OMA, der den Mauerverlauf diagonal als Leere durch das Gebäude führt (Verleger-Witwe Friede Springer unterstützt den Beitrag finanziell) ist allerdings noch nicht zu erleben. Ein paar Schritte weiter westlich liegt der ehemalige Checkpoint Charlie, von Graft ebenfalls als Beispiel ausgewählt. Hier ist überdeutlich zu spüren, wie Berlin als Stadt und die Bundesrepublik Deutschland als Land es eine ganze Generation lang völlig verschlafen haben, überhaupt irgendetwas an diesem symbolisch wichtigsten Ort des Kalten Krieges zu initiieren. Die beiden unmittelbar am ehemaligen Checkpoint gelegenen Grundstücke sind bis heute unbebaut, auf ihre Bauzäune hat man lieblos Plakatwände angebracht und es zusätzlich zugelassen, dass das ganze Viertel mit einer dicken Schicht aus Fast-Food-Buden der billigsten Art überzogen wurde. Dem privaten Checkpoint Charlie Museum will das Land Berlin ein „Museum zum Kalten Krieg“ hinzufügen – vielleicht irgendwann mal.
Die beiden anderen vorgestellten Beispiele, der „Europa-Radweg Eiserner Vorhang“ und die bis heute ebenfalls nicht aufgearbeiteten Abrisse von DDR-Dörfern im Grenzgebiet, bieten architektonisch keinen Stoff. „Die Enteignung wurde von der Bundesregierung bis heute nicht rückgängig gemacht“ – melden die Kuratoren dazu trocken, ohne da den Polit-Hebel anzusetzen.

Projektbeispiel für Schleifungen entlang der Grenze: Orte wie Jahrsau und Schmerbach wurden in den 1970er-Jahren geschleift (Foto: Privatsammlung Kilian)

Die traditionell stark politisch getriebene Führung des deutschen Biennale-Beitrags in Venedig von Fachfremden ist bedauerlich, aber immanent. Sie hat mit dazu geführt, dass der deutsche Beitrag noch nie den Goldenen Löwen gewonnen hat. Andere Länder machen es besser.
Dass das Land und ihre Hauptstadt keinerlei Konzept haben, wie die beiden Hälften städtebaulich (von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft ganz zu schweigen) zusammenwachsen könnten, ist in Berlin überall schmerzlich sichtbar – die Debatten um die „Einheits“-Wippe hat zusätzlich gezeigt, dass auch keinerlei Konsens in der symbolischen Erinnerungskultur besteht. Was genau die drei älteren Mentorinnen (alle über 65 Jahre alt) mit ihren drei männlichen enfants terribles der Mode-Architektur (alle um die 50) der Welt genau zeigen wollen, bleibt einstweilen enigmatisch.


Die Eröffnung des Deutschen Pavillons findet am am 25. Mai 2018 statt. Weitere Informationen unter www.unbuildingwalls.de

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