Die Suche nach Form: Aldo Rossi als Zeichner
Eduard Kögel
10. Februar 2023
Vertikale Stadt auch wie N. Y. mit meinem Projekt an der Wall Street von 1980 und die Kirche San Gaudenzio in Novara von Alessandro Antonelli, 1987. Aquarell und Filzstift auf Offsetdruck
42 x 29,5 cm. Privatsammlung © Eredi Aldo Rossi, Courtesy Fondazione Aldo Rossi
Im Museum für Architekturzeichnung in Berlin ist aktuell die Ausstellung „Aldo Rossi. Insulae“ zu sehen. Mehr als 110 Zeichnungen Rossis finden sich hier teilweise erstmals öffentlich präsentiert.
Der italienische Architekt Aldo Rossi (1931–1997) gehört zu den bekanntesten Baumeistern im letzten Viertel des zwanzigsten Jahrhunderts. Neben seinen Bauten standen immer auch seine bunten Skizzen, Collagen und Zeichnungen für seine kreative Schaffenskraft. Mit ihnen erarbeitete er Lösungen für Projekte, formulierte theoretische Ideen oder nutzte sie zur Illustration seiner Vorstellung von Stadt und Architektur.
Für Rossi war das Zeichnen Handwerk, das er mit unterschiedlichen Medien auf verschiedenen Unterlagen bearbeitete. Zum Teil nutzte er Kopien seiner Skizzen, die er als Vorlage für seine charakteristischen, farbigen Illustrationen verwendete. Die Entwicklung seiner eigenen Architektursprache lässt sich in den Zeichnungen von den frühen Projekten wie Monte Amiata in Gallaratese in Mailand (zusammen mit Carlo Aymonino) bis zu den Werken der 1980er- und 1990er-Jahre in Berlin nachvollziehen. Oft umkreisen die Darstellungen Ideen der traditionellen Stadt und gehen von einfachen geometrischen Formen wie Dreieck oder Zylinder aus.
Studie für den Block in der Schützenstraße/Berlin, 1993. Aquarell und Tinte auf Papier. 49,6 x 70,5 cm. Privatsammlung © Eredi Aldo Rossi, Courtesy Fondazione Aldo Rossi
Ohne Titel, undatiert. Aquarell und Tinte auf Papier. 36,6 x 50,5 cm. Privatsammlung © Eredi Aldo Rossi, Courtesy Fondazione Aldo Rossi
In Berlin sind nun über 110 Zeichnungen ausgestellt, die zum großen Teil noch nicht öffentlich zu sehen waren. Der Titel Insulae (Inseln) bezieht sich auf zwei Aspekte im Werk von Rossi: zum einen ist eine präsentierte Zeichnungsserie so betitelt, zum anderen bezieht er sich auf den Begriff der Isolation (isolato), die auf die Einzellage von Projekten wie die Schützenstraße in Berlin verweisen.
Die in zwei Räumen gezeigte Ausstellung wird mit der Serie Corpus Mediolanensis eröffnet, die in kolorierten Grafiken einen Überblick zum Werk des Architekten ermöglicht. Die Barock-Künstler Claude Lorrain (1600–1682) und Giovanni Battista Piranesi (1720–1778) sowie antike Vorbilder inspirierten die Zeichnungen der Reihe Insula. Im Kontrast zum Zeitgeist der 1970er-Jahre fand Rossi in der Baugeschichte Referenzen für seine Konzeption. Vor allem die immer wieder neu bearbeiteten Skizzen, zu Collagen und zu Grafiken verdichtet, machen deutlich, dass der Architekt nach Formen sucht, Körper definiert und die Stadt weiterbauen will.
Sonnenaufgang an der Giudecca mit dem Mondo-Theater 81. Venezianischer Rahmen, 1987 Aquarell und Pastellstift auf Offsetdruck. 42 x 29,5 cm. Privatsammlung © Eredi Aldo Rossi, Courtesy Fondazione Aldo Rossi
Die persönlichen Zeiten und die einer Stadt, 1987 Aquarell, Filzstift und Tempera auf Offsetdruck. 42 x 29,5 cm. Privatsammlung © Eredi Aldo Rossi, Courtesy Fondazione Aldo Rossi
Aldo Rossi hat nicht nur in Italien, sondern an vielen Orten der Welt gebaut. Deshalb sind Skizzen und Zeichnungen aus allen Schaffensphasen, von Projekten in New York oder Japan zu sehen, die jedoch alle seiner grundsätzlichen Idee der Architektur folgen. Eine besondere Rolle nimmt in der Ausstellung der Bezug des Architekten zu Berlin ein, wo er seit den 1980er-Jahren einige größere Projekte realisieren konnte. Ein wichtiges Projekt, das Deutsche Historische Museum, das er nach dem Mauerfall von 1989 nicht verwirklichen konnte, ist hier ebenfalls in den Darstellungen zu finden.
Die handwerkliche Unschärfe der von Rossi verwendeten Zeichentechniken steht durchaus im Kontrast zu den realisierten Projekten. Die Darstellungen zeigen aber die Suche nach Lösungen, die Annäherung an den Ort sowie die Selbstvergewisserung des Architekten für seine Haltung, die zwischen antiken Idealen und zeitgenössischen Ausdrucksformen vermittelt.
Die Ausstellung Aldo Rossi. Insulae wurde von Chiara Spangaro, Direktorin der Fondazione Aldo Rossi und Nadejda Bartels, Direktorin der Tchoban Foundation, kuratiert. Sie ist vom 4. Februar bis 14. Mai 2023 in Berlin zu sehen.
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen.