Denkmal versus Mahnmal

Katinka Corts
3. Februar 2016
Der neue Stammsitz für Kühne + Nagel von MPP Architekten (Bild: Kühne+Nagel)

Kühne + Nagel, einer der größten Logistik-Konzerne, will seinen Firmensitz in Bremen vergrößern. Wurde zunächst über eine Modernisierung und Erweiterung des bestehenden Gebäudes aus den 1960er-Jahren nachgedacht, soll es nun ein großer Neubau werden. Probleme haben damit viele: Städtebaulich wird kritisiert, dass die Baumasse den Blick von der Weser in Richtung der Domtürme verstellt. Die Fraktion der Grünen in der Bremischen Bürgerschaft empört sich darüber, dass das Projekt zwar das Stadtbild verändern und künftig prägen wird, dass dafür aber kein Architektur-Wettbewerb durchgeführt wurde. Die Investoren hatten auf einen «Architekten des Vertrauens» bestanden (MPP Architekten, Hamburg), und die Stadt wollte «ihr» – wenn auch nicht in Deutschland versteuerndes – Familienunternehmen nicht vergraulen.

Das dritte Übel: die leidige Vergangenheit. «Wie andere Unternehmen, die bereits vor 1945 bestanden, war Kühne + Nagel in die Kriegswirtschaft eingebunden und musste in dunklen und schwierigen Zeiten seine Existenz behaupten» – wenn eine Pressemeldung so klingt, ahnt man schon den Inhalt der nächsten Zeilen. Die taz wie auch weitere Medien haben in mehreren Artikeln einen Teil der Geschichte der Firma aufgearbeitet. Im März 2015 erklärte das Unternehmen erstmals im Rahmen eben jener Pressemeldung, dass Kühne + Nagel zu Zeiten des NS-Regimes «zum Teil» für jenes gearbeitete habe. Entsprechend der Recherchen der taz klingt das schon anders: Das Unternehmen transportierte im Rahmen der «M-Aktion» das Eigentum deportierter und geflohener Juden aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg nach Deutschland – insgesamt waren von jenen Plünderungen etwa 70’000 Wohnungen betroffen.

Kühne + Nagel, so erläutert die taz, habe die eigene Geschichte nicht aufgearbeitet und wolle sich stattdessen ein großes Denkmal in wichtiger Stadtlage errichten. Die taz hält dagegen, auf eine ganz eigene Art: Sie will vier Quadratmeter des jetzt noch öffentlichen Platzes, der Bauland werden soll, sichern und dort ein Mahnmal errichten. «Wir wissen, dass unsere Aktion womöglich ‹nur› symbolischen Wert hat – und geben das Geld, wenn wir scheitern, wie bereits angekündigt, der Jüdischen Gemeinde», heißt es bei der taz. Finanzierbar wäre es, hat doch die Stadt das Grundstück für einen Quadratmeterpreis von unter 1000 Euro angeboten – wobei die Lage nach Einschätzung von Experten wesentlich mehr wert sein müsste. Und gespendet wurde bisher fleißig.

Anfang Januar trat die taz als Bieterin auf, Ende des Monats kam aber die Absage des Senats: Man respektiere das Bemühen, wolle jedoch ausschließlich das Gesamtgrundstück verkaufen. Nichtsdestotrotz: Auch wenn Bremen keine Fläche zur Verfügung stellt, sammelt die taz noch bis zum 20. Februar Ideen für ein «Arisierungs»-Mahnmal. Eingeschickt werden können diese an [email protected], eine Experten-Jury vergibt im Anschluss dotierte Entwurfsaufträge. Es wäre laut taz das erste Mahnmal, das explizit die wirtschaftliche Seite des Holocausts thematisiert. 

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