Corporate Architecture – damals und heute

Manuel Pestalozzi
29. Mai 2023
Der palastartige Mannesmann-Hauptsitz am Rheinufer hat eine wechselvolle Geschichte. Sie wird in der Ausstellung dokumentiert. (Foto: Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen/Axel Thünker)

Peter Behrens (1868–1940) war nicht nur Architekt, sondern auch Maler, Designer und Typograf und somit ein Multitalent, das aus einem Bauwerk ein »Gesamtkunstwerk« machen konnte. Seine Fähigkeiten stellte er in den Dienst von deutschen Großkonzernen wie den Elektrokonzern AEG, wo er auch als Produktdesigner tätig war, und auch der Mannesmannröhren-Werke AG. Er setzte sich vertieft mit neuen Baumaterialien und -verfahren auseinander und bahnte der Moderne den Weg. Sowohl Le Corbusier wie auch Ludwig Mies van der Rohe waren in jungen Jahren in seinem Büro tätig.

Die Hauptverwaltung der Mannesmannröhren-Werke AG an Düsseldorfs Rheinufer war 1912 bezugsfertig. Der solide, zentral gelegene Palast zwischen Rhein, Regierungsviertel und Altstadt gilt als eine Ikone der Verwaltungsarchitektur. Repräsentation und nüchterne Pragmatik wurden gekonnt kombiniert; die Eisenskelett-Bauweise gewährte viel Flexibilität bei der Gliederung der Räume, durch die Platzierung der Büros zur Außenseite hin war der Behrensbau eines der hellsten Bürogebäude seiner Zeit, die Nebentreppen wurden mit Paternoster ergänzt. Die massive Hülle aus Muschelkalk und Tuffstein machte aus dem Skelett einen Palazzo mit Anklängen an die Neorenaissance und den Neoklassizismus. Das Innere, insbesondere das Foyer und die Haupttreppe, wurden sorgfältig detailliert.

Zum Gesamtkunstwerk der Corporate Architecture gehörten auch Türknaufe mit Mannesmann-Logo. Behrens zeichnet den Querschnitt eines Stahlrohres, setzt den Strich in der Mitte für die gewalzten Bleche. »M« und »W« stehen für Mannesmannröhren-Werke. (Foto: Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen)
Permanenz und Wandel

Das Gebäude und ihre Corporate Architecture diente verschiedenen Nutzer*innen: Nach dem Zweiten Weltkrieg war es Sitz der britischen Militärregierung. Anschließend beherbergte es bis zum Jahr 1953 die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen und war Sitz der ersten Landesregierungen. Ab Mitte der 1950er-Jahre bis 2000 war der Behrensbau Sitz des Konzernvorstands von Mannesmann, bis zum Übernahmekampf mit Vodafone. 2008 erwarb das Land Nordrhein-Westfalen das Gebäude, vier Jahre später verließ Vodafone den Bau. Auf dem Höhepunkt der europäischen Flüchtlingskrise wurden Teile des Gebäudes von 2015 bis 2017 als Unterkunft für Geflüchtete genutzt. Die wechselvolle Geschichte setzt sich nun fort als Standort für das Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen. Die Verwandlung zum Museumsgebäude ist ein auf mehrere Jahre angelegtes Revitalisierungsprojekt.

Die Ausstellung »110 Jahre Behrensbau. Architektur und Geschichte« will die wechselhafte Biografie des Hauses dokumentieren und begreifbar machen. 144 Objekte und mehr als 100 Fotos, darunter beeindruckende Innen- und Außenaufnahmen aus der Frühzeit des Gebäudes, geben Auskunft über die Beziehung zwischen der Architektur und jenen, die sie in Auftrag gegeben hatten. Die Ausstellung zeichnet deshalb auch den Weg des einst größten deutschen Röhrenproduzenten nach. Daneben veranschaulichen Fotos, Skizzen und Designobjekte den Werdegang des Architekten und Gestalters Peter Behrens. Historische Dokumente wie eine Bestell-Liste der französischen Armee an den Düsseldorfer Oberbürgermeister aus dem Jahr 1924 zeigen, wie der Behrensbau schon damals zum politischen Schauplatz wurde: 1923 besetzten französische Soldaten das Gebäude und machten es zum Zeitzeugen politischer Ereignisse.

Der Umgang mit Energie und Ressourcen hat die Konzeption der Ausstellung beeinflusst: Sie verzichtet größtenteils auf Neuanschaffungen. Stattdessen wurde bereits vorhandenes Material zerlegt, umgebaut und weitergenutzt. Alle Vitrinen entstammen der vorangegangenen Ausstellung im Behrensbau. Bei Neuanschaffungen wurde auf recyceltes Material geachtet, auf schlecht wiederverwertbare Materialmischungen verzichtet. Um Energie zu sparen, liegt die Laufzeit der Ausstellung bewusst außerhalb der Heizperiode.

Der Wechsel der schmalen Fenster und Pfeiler sorgte in den Büros für weiches Licht, ohne harte Schattenwürfe und dunkle Ecken. (Foto: Salzgitter AG-Konzernarchiv / Mannesmann-Archiv)

110 Jahre Behrensbau. Architektur und Geschichte

Ausstellung: 24. Mai bis 5. November 2023
Ausstellungsort: Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen, Behrensbau, Mannesmannufer 2, 40213 Düsseldorf
Öffnungszeiten: Sa, So und Feiertag 10 bis 18 Uhr, Di–Fr 9 bis 18 Uhr, Montag geschlossen

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