Architektur für eine neue Gesellschaft? Markus Lanz blickt auf Brasilia
Elias Baumgarten
9. Oktober 2024
Markus Lanz fotografiert seit 15 Jahren in Brasilia. Im Rahmen des BDA-Abendgesprächs »Raum Erzählen, Brasilia« zeigt er ausgewählte Aufnahmen der brasilianischen Planstadt. (Foto: © Markus Lanz, eu)
Der Kreisverband des Bundes Deutscher Architektinnen und Architekten in der Region München-Oberbayern fragt in einer Veranstaltungsserie, wie Architektur unser Geschichtsbild beeinflusst. Der nächste Gast ist der bayerische Architekturfotograf Markus Lanz.
Als nach dem Zweiten Weltkrieg viele Länder des globalen Südens ihre Unabhängigkeit erlangten, entstanden dort vielfach neue Hauptstädte und großangelegte Stadtumbauten auf dem Reißbrett. Die wohl bekanntesten Beispiele sind die indische Provinzhauptstadt Chandigarh (Le Corbusier, 1951) und Islamabad (Konstantinos A. Doxiadis, 1961–1970) in Pakistan, aber auch die Überbauung der Zone Sanitaire der nordafrikanischen Metropole Fort-Lamy (Candilis-Josic-Woods, 1962). Diese Projekte sollten die nationale Identität der jungen Staaten stärken und helfen, die kolonialen Machtverhältnisse zu überwinden, die oft wie in Fort-Lamy in die gebaute Umwelt eingeschrieben waren. Brasilien hingegen ist bereits seit 1822 unabhängig. Und doch war auch der Bau der Planstadt Brasilia Ende der 1950er-Jahre ein postkoloniales Projekt. Präsident Juscelino Kubitschek hielt Architektur für das richtige Werkzeug, um Fortschritt und Modernität ins vermeintlich unterentwickelte Kernland Brasiliens zu bringen und soziale Hierarchien aufzubrechen – kurz gesagt, um die Hinterlassenschaften der Kolonialzeit endgültig loszuwerden.
Geplant wurde die hypermoderne Stadtanlage von Lucio Costa, der den Architekturwettbewerb mit wenigen griffigen Skizzen und einem kurzen Beschreibungstext gewann. Grob gesagt besteht seine Stadt aus zwei sich kreuzenden Achsen: Die eine verläuft vom Kongressgebäude zum Hauptbahnhof und ist von politischen und kulturellen Bauten gesäumt. Die andere erinnert an die ausgebreiteten Schwingen eines Vogels und besteht aus drei parallelen Reihen 300 × 300 Meter großer Wohnblöcke, den sogenannten Superquadras. Zwischen den autofreien Blöcken verlaufen Geschäftsstraßen, unterschiedliche Baum- und Pflanzenarten sollen für Orientierung sorgen und den einzelnen Wohnanlagen Identität verleihen. Die Häuser aus standardisierten Beton-Bauelementen sind auf Stützen vom Boden abgehoben, der der Allgemeinheit gehört. Costa und Kubitschek glaubten, Brasilia biete so die idealen Stadträume für eine egalitäre Gesellschaft.
Doch wie entwickelte sich die Stadt tatsächlich? Konnten die in die modernistische Architektur gesetzten Erwartungen eingelöst werden? Darüber wird Markus Lanz am 17. Oktober um 19 Uhr in der Geschäftsstelle des BDA Bayern (Türkenstraße 34, 80333 München) sprechen. Der Architekt und Städteplaner lebt und arbeitet seit vielen Jahren in Brasilia, aber auch im Allgäu und in der bayerischen Landeshauptstadt. Beim BDA-Abendgespräch »Raum Erzählen, Brasilia« wird er seine besten Bilder der Planstadt zeigen und kritisch besprechen.