Anspruchsvoll flexibel

Manuel Pestalozzi
16. Februar 2021
Visualisierung: bloomimages

An der Industriestraße nordwestlich des Münchner Stadtzentrums soll ein neuartiges Wohnhaus gebaut werden. Das Gebäude, dass die stark von Amts- und Institutsbauten geprägte Umgebung aufwerten soll, heisst „Van B“ – nach dem verantwortlichen Architekten Ben van Berkel (UNStudio) aus den Niederlanden. Es wird den Bau der Fakultät für Design der Hochschule für angewandte Wissenschaften ersetzen. Vorangetrieben wird das Vorhaben vom Münchner Projektentwickler Bauwerk, der mit ihm „in einem aufstrebenden Münchner Stadtgebiet ein internationales Ausnahmeprojekt“ schaffen möchte, wie Jürgen Schorn, geschäftsführender Gesellschafter der Firma, an der Projektpräsentation werbewirksam sagte.

Inspirierendes Umfeld

Das 2400 Quadratmeter große Grundstück liegt in unmittelbarer Nähe zum neuen Kreativquartier München. Das Projekt ist Teil einer umfassenden städtebaulichen Neuplanung, die einen Nutzungsmix aus Wohnen und Räumen für Wissenschaft, Kreativwirtschaft, Kultur, Start-ups und die Tech-Szene bringen soll. Neben der Hochschule für angewandte Medienwissenschaften wird dort auch das Gründer- und Innovationszentrum Munich Urban Colab beheimatet sein. „Van B“ wird, so möchten es die Verantwortlichen gern sehen, den Pioniergeist und die Kreativität des Standortes widerspiegeln. 

Zur Straße hin präsentiert sich das L-förmige Gebäude mit einem verglasten Sockelbereich und einer geschossweise versetzten Abfolge von Guckkästen und Balkonen, die zur Fassadenflucht leicht abgedreht sind. Dem begrünten Hof hingegen wendet das Haus abgestufte Terrassen zu. Neben den bereits erwähnten Glasflächen soll die Fassade von kupferfarbenen Metalloberflächen und rauem Glasfaserbeton in verschiedenen Grautönen geprägt werden.

Insgesamt neun Plug-in-Module stehen zur Auswahl. Fünf von ihnen sind hier abgebildet. (Illustration: UNStudio)
Dynamisch verstauen

Besonders, ja „revolutionär“ wird es laut Ben van Berkel und der Bauherrschaft indes vor allem innen: 142 Wohnungen sollen insgesamt entstehen. 52 davon werden sogenannte Flats und Gallery Lofts mit 44 bis 172 Quadratmetern Wohnfläche sein. Hinzu kommen 90 Apartments, deren Größe zwischen 33 bis 44 Quadratmetern liegt. Damit diese möglichst groß erscheinen und unterschiedliche Nutzungsszenarien ermöglichen, wurde mit dem althergebrachten Konzept fester Räume zum Schlafen, Essen, Arbeiten oder Entspannen gebrochen. Die Grundrisse definieren zwar auch weiterhin die Wohnungswände sowie Bad und Küche. Alle anderen Bereiche können jedoch durch schiebbare „Plug-ins“, modulartige Möbel mit allerhand klappbaren Elementen, individuell geschaffen werden. Neun verschiedene Module stehen den künftigen Bewohner*innen zur Auswahl. Sie können entlang eines Schienensystems bewegt werden. Je nach Wohnungsgrösse lassen sich bis zu vier Module einbauen. Wo nachts das Schlafzimmer ist, kann tagsüber das Home-Office, nachmittags das eigene Home-Gym und abends ein Heimkino sein. Dadurch wird aus einem Ein-Zimmer- de facto ein Drei-Zimmer-Apartment. Diese Idee verspricht viel Raumökonomie. Andererseits erfordert sie gute technische Lösungen mit vertretbarer Lebensdauer. Die Bewohner*innen müssen ein überdurchschnittliches Maß an Planungstalent, Freude an Veränderung und Ordnungssinn mitbringen.

Vom Dach aus soll der Blick über den Baumbestand und die Münchner Skyline hinweg bis zu den Alpen schweifen. (Visualisierung: bloomimages)
Gewinn für alle

Der durch die kleinen Wohnungen gesparte Raum kommt der ganzen Bewohnerschaft zugute: Ben van Berkel hat großzügige Gemeinschaftsbereiche eingeplant. Zudem wird es Dachgärten geben, von denen aus sich ein schöner Blick über München und an klaren Tagen bis zum Alpenrand eröffnet. Ein begrünter Innenhof ist ebenso vorgesehen wie sogenannte Co-Living-Spaces zum Arbeiten und Entspannen. Installieren möchte die Bauherrschaft überdies ein intelligentes Paket-Post-System, eine Werkstatt für Velos und Angebote für das Car- und E-Bike-Sharing. Das Projekt verfolgt keine gänzlich neuen Ansätze, erscheint aber nichtsdestotrotz vielversprechend. Die Bauarbeiten sollen im Mai dieses Jahres beginnen, die Fertigstellung ist für Spätsommer 2023 geplant.

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