Wie weiter bauen?

Katinka Corts
8. April 2020
Foto: PhotoMIX Ltd. via Pexels

Mit dem Beginn der Corona-Pandemie und den drastischen Auswirkungen auf Geschäftstätigkeiten, persönliche Freiheiten und Hygienebestimmungen verändert sich auch mehr und mehr unser Arbeiten. Home-Office ist natürlich angesagt, wo immer möglich. Doch was ist mit den Baustellen, auf denen weitergearbeitet werden muss, was mit den bestehenden Aufträgen, die es auszuführen gilt? BDA und bdla haben auf ihren Websites zahlreiche aktuelle Informationen rund um die Auswirkungen der Krise zusammengestellt und verweisen u.a. auf Rundschreiben und Meldungen von diversen Kanzleien. Die Dichte der Informationen ist hoch, für detaillierte Abklärungen solle man sich unbedingt an Rechtsspezialisten wenden. Wir haben hier drei Themenbereiche ausgewählt, die momentan sehr interessant sind: Koordination der Arbeit, Vertragsschutz und Fragen der Materialbeschaffung.
 

Hecker Werner Himmelreich Rechtsanwälte: Vertragsrecht für Architekten und Ingenieure
„Sowohl die an der Planung fachlich Beteiligten als auch die ausführenden Gewerke sind so untereinander zu koordinieren, dass ein kontinuierlicher Bauablauf ermöglicht wird. Bei der Erstellung der Leistungsverzeichnisse wird zu prüfen sein, ob Materialien lieferbar sind. Der Planer ist gut beraten, zusätzliche zeitliche Puffer in der Terminplanung vorzusehen. Hat ein Planer die Funktion des Sicherheits- und Gesundheitskoordinators (SiGeKo) übernommen, wird dieser seinen Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan aufgrund der aktuellen Situation überarbeiten müssen.
In honorarrechtlicher Hinsicht kann eine gegebenenfalls erforderliche Wiederholung von Grundleistungen berechtigte Mehrhonorarforderungen des Planers auslösen. Hier gelten die allgemeinen Grundsätze. Aufgrund des nicht unerheblichen Mehraufwands des Planers kann zudem unter Umständen ein Anspruch auf Anpassung des Vertrags wegen Störung der Geschäftsgrundlage in Betracht kommen (§ 313 BGB).“ (vgl. Website HWH Rechtsanwälte)
 

Rechtsanwalt Horst Fabisch: Kündigung des Vertrages
„Bei der Kündigung aus wichtigem Grund muss der kündigenden Partei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beidseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur Fertigstellung des Werkes nicht zugemutet werden können. Ob eine solche Situation im Falle der vorliegenden Corona-Pandemie gegeben ist, ist stark zweifelhaft. Eine Kündigung aus wichtigem Grund nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 VOB dürfte für den Auftragnehmer mangels Mitwirkungsverzug nicht durchgreifen. Kommt es zu Liquiditätsproblemen beim Auftraggeber, könnte jedoch eine Kündigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 VOB in Betracht kommen. Auch insoweit kommt es aber auf den konkreten Einzelfall an. Zweifelhaft ist, ob der Auftragnehmer für den Fall, dass wegen der Corona-Pandemie eine dreimonatige Unterbrechung der Baustelle erfolgt, nach § 6 Abs. 7 Satz 1 VOB/B, kündigen kann. 4 Nach den dargestellten allgemeinen Grundsätzen dürfte dies nicht zulässig sein, weil die Unterbrechung für den Auftraggeber ‚erzwungen‘ ist. Eine Mitwirkungshandlung ist ihm nicht möglich. Das freie Kündigungsrecht des Auftraggebers bleibt mit den entsprechenden Rechtsfolgen bestehen.“ (vgl. Rechtsanwalt Dipl.-Ing. (Bau) Horst Fabisch)
 

Kapellmann Rechtsanwälte: Lieferengpässe und Materialbeschaffung
„Sofern es keine abweichenden vertraglichen Abreden der Parteien gibt, fällt die Materialbeschaffung in den Verantwortungsbereich des Auftragnehmers. Unterlässt er diese schuldhaft, hat der Auftraggeber einen Schadensersatzanspruch für die verzögerungsbedingt entstandenen Kosten. Sowohl der BGB-Werkvertrag, als auch der VOB/B-Werkvertrag setzen für einen solchen Schadensersatzanspruch allerdings eine schuldhafte Pflichtverletzung voraus. Beruht die fehlende Ausstattung mit Material auf höherer Gewalt, fehlt es an einer schuldhaften Pflichtverletzung. Bei Vereinbarung der VOB/B bestimmt § 6 Abs. 2 Nr. 1 c) zusätzlich, dass bei höherer Gewalt oder anderer, für den Auftragnehmer unabwendbarer Umstände, die Ausführungsfristen verlängert werden. 
Höhere Gewalt wird allgemein als ein von außen einwirkendes und objektiv unabwendbares Ereignis definiert. Von dieser Definition werden grundsätzlich auch Epidemien – wie das neuartige Corona-Virus – erfasst. Was sich auf den ersten Blick als simpel erweist, birgt allerdings auch gewisse Risiken. So wird man nur dann von ‚höherer Gewalt‘ ausgehen können, wenn das jeweilige Material auch tatsächlich nicht lieferbar ist. Dies erfordert eine genaue Prüfung, ob der leere Lagerbestand tatsächlich auf das Virus zurückzuführen ist oder auf mangelhafter Planung bzw. nicht ausreichenden Bestellungen beruht. Denn sobald dem Auftragnehmer ein Verschulden anzulasten ist, liegt keine ‚höhere Gewalt‘ vor. Des Weiteren ist Vorsicht geboten, wenn Materialien doch noch – freilich zu einem viel höheren Preis – beschafft werden können. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung fallen auch exorbitante Preissteigerungen grundsätzlich in die Risikosphäre des Auftragnehmers, sodass nicht ohne weiteres von einer Störung der Geschäftsgrundlage, die zur Anpassung des Vertrages führen würde, ausgegangen werden kann. Diese Entscheidung obliegt dem Tatrichter in dem jeweiligen Einzelfall.“ (vgl. Schreiben von Kapellmann Rechtsanwälte)

weiterführende Links
– Lars Markmann, Hecker Werner Himmelreich Rechtsanwälte: Coronavirus (SARS-COV-2) Leistungsstörungen im Bau- und Architektenvertrag (Website
– MinDir`n Christine Hammann, Abteilungsleiterin BW: COVID19-Pandemie / Vergaberechtliche Fragen (PDF)

– Information der Kanzlei Hecker Werner Himmelreich zum Thema „Corona-Pandemie: Wie geht‘s weiter auf der Baustelle?“ (PDF)
– Online-Vortrag für Mitglieder des bdla; Dr. Sebastian Schattenfroh, Justiziar des bdla: „Coronakrise – Auswirkungen auf Planung und Bau“, interner Bereich von bdla.de (Tagungsdokumentationen

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