Mehr Farbe, mehr Mut
Katinka Corts
23. September 2024
Illumination des Karl-Marx-Monuments während der ersten Ausgabe des Lichtfestivals »Light our Vision« im vorigen Jahr. (Foto: © Dirk Hanus, zebra group, 2023)
Chemnitz ist aktuell als Namensgeberin der Kulturhauptstadtregion 2025 sichtbarer denn je. Bisher vor allem als Industriestadt bekannt, soll die drittgrößte Stadt Sachsens künftig auch als Ort der Kultur wahrgenommen werden.
Das Motto »C the unseen« ist seit einiger Zeit an vielen Orten in Chemnitz präsent, es prangt in großen Lettern auf Fahnen und Plakaten. Die Aufmerksamkeit der Menschen soll so auf den Titel »Kulturhauptstadt 2025« gelenkt werden. Laut einer Umfrage, die der Mitteldeutsche Rundfunk Ende 2023 durchführte, hoffen viele der Befragten auf eine Imageverbesserung für die Stadt und stehen dementsprechend hinter dem Projekt.
Nicht Chemnitz alleine, sondern insgesamt 38 Städte und Gemeinden aus Mittelsachsen, dem Zwickauer Land und dem Erzgebirge sind mit »Chemnitz 2025« gemeint – ein groß angelegtes Beteiligungsprojekt für Stadt und Region. Um die 100 Projekte gehören dazu, und circa 1000 spezielle Veranstaltungen wird es im Kulturhauptstadtjahr geben. Auch sonst hat die Stadt viel Sehenswertes zu bieten, sei es architektonisch, hinsichtlich ihrer Museen oder auch bezogen auf die Stadtkultur.
Das ehemalige Kaufhaus Schocken beherbergt seit 2014 das Staatliche Museum für Archäologie Chemnitz. Diese Aufnahme entstand 2015. (Foto: Sandro Schmalfuß via Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0)
Als »Stadt der Moderne« (Kampagne ab 2009) ist Chemnitz schon länger bekannt. Meist schwingen bei diesen Worten Gedanken an historische Bauten mit. Dazu zählt die Villa Esche, die nach Plänen Henry van de Veldes 1902 als Wohngebäude fertiggestellt wurde und heute ein Kulturforum beherbergt. Genauso prägend für die Stadt ist das Schocken von Erich Mendelsohn. Seit 1930 als Kaufhaus genutzt, stand es in den 1990er-Jahren einige Zeit leer, bis es umgebaut und 2014 als Staatliches Museum für Archäologie neu eröffnet wurde.
Auch sanierte Gründerviertel wie der Kaßberg und verschiedene Industriedenkmäler sowie viele (bau)geschichtlich bedeutsame Objekte aus DDR-Zeiten machen die Stadt sehenswert und bezeugen den Wandel von gestern zu heute. Auf diese eher auf bauliche Aspekte fokussierte Kampagne folgte 2014 eine weitere unter dem Motto »Die Stadt bin ich«. Sie rückte die Einwohnerinnen und Einwohner in den Mittelpunkt, die mit ihrem Engagement Botschafter für ein starkes, lebenswertes Chemnitz wurden. Im Juli 2021 wurde unter dem Dach der Architektenkammer Sachsen der neue Arbeitskreis Chemnitz – Kulturhauptstadt 2025 eingerichtet. Mehrere Chemnitzer Architektinnen und Architekten haben seitdem interessante Projekte vorangetrieben, die auf unterschiedlichen Ebenen zu Partizipation aufrufen.
Die Transformation des ehemaligen Güterbahnhofs Altendorf in einen Park wird im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres fertiggestellt. (Visualisierung: © Atelier N4)
Eines dieser Projekte ist das Lichtfestival »Light our Vision« (LOV), das diese Woche wieder den Blick der Menschen auf die Stadt verändern wird. Vergangenes Jahr erstmals veranstaltet, hatten sich für das diesjährige Thema »Licht.Macht.Platz« mehr als 100 internationale Lichtkünstlerinnen und Lichtkünstler beworben. An insgesamt 14 Standorten in der Innenstadt werden für vier Nächte 21 ausgewählte Arbeiten zu sehen sein.
Beim Hauptbahnhof sind gleich drei Projekte zu finden: Antje Meichsner bespielt eine LED-Fassade am Parkhaus, Karl Iaro & Fabio Koll binden die Bäume und den Parkplatz neben dem Hauptbahnhof in eine Lichtinstallation ein und Musikproduzent Rico Meier trägt eine Fassadenprojektion zum Gesamtbild bei. Einzelne Interventionen befinden sich zudem unter anderem auf dem Theaterplatz vor dem Opernhaus, an der Stadthalle und im Stadtpark. Die Ausrichter haben auch eine 20'000 Quadratmeter große Brache zwischen den Behördengebäuden an der Brückenstraße und dem Kunstmuseum temporär umgewidmet und als Marienplatz an die Stadt angebunden. Und selbstverständlich: Auch der »Nischl«, das große Karl-Marx-Monument aus DDR-Zeiten an der Brückenstraße, bekommt ein temporäres Lichtkonzept (Vanessa Cardui) verpasst.
Der Marienplatz und die angrenzenden Fassaden werden während des Festivals »Light our Vision« bespielt. (Foto: © Dirk Hanus, zebra group, 2023)
»Unsere Vision von einem Chemnitz in 20 Jahren ist es, ein neues Flair in der Stadt zu schaffen. Die Fläche hinter der ›Parteifalte‹ wird zum neuen Herzstück, der Marienplatz das neue Kulturquartier, eine lebendige Innenstadt, voller Straßencafés, bunten Läden, vielfältiger Gastronomie – anziehend für tausende begeisterte Besucher*innen jeglicher Couleur.«
Die Kunstprojekte, die das Miteinander von Architektur und Kunst thematisieren, reichen von abstrakten Projektionen über immersive Klanglandschaften bis hin zu interaktiven Installationen. »Wir wollen auch eine Sehnsucht nach mehr Farbe und Mut zur Gestaltung im öffentlichen Raum wecken, nach mehr Vision bei der Stadtgestaltung und mehr Wille zur Umgestaltung«, so die Organisatorinnen und Organisatoren. Zu sehen sind die Beiträge jeweils ab 19 Uhr und bis in die späten Abendstunden. Wer die diesjährige Ausgabe von LOV verpasst, kann »Light our Vision« auch kommendes Jahr als Teil des Kulturhauptstadtprogramms erleben.
Das Lichtkunstfestival »Light our Vision« findet vom 25. bis zum 28. September statt. Alle aktuellen Veranstaltungen in Chemnitz finden Sie im Online-Programm.
Eine von 30 Interventionsflächen, die in Chemnitz im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres bearbeitet werden, ist das frühere Bahnhofsareal im Stadtteil Chemnitz-Altendorf. Jetzt lesen
Nach Jahren des Leerstands wurde das Mendelsohn-Gebäude, in dem sich früher das Kaufhaus Schocken befand, umgebaut. Als Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz wurde es 2014 wiedereröffnet. Jetzt lesen