Finger weg!

Elias Baumgarten
12. März 2019
Der Neubau des Pellerhauses aus den 1950er-Jahren ist den Altstadtfreunden ein Dorn im Auge. (Bild: Anastasia Hermann)

Der Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses evoziert seit Jahren emotionale Diskussionen. Im Vorjahr erhitzte überdies die Debatte um die Rekonstruktion der Frankfurter Altstadt hierzulande die Gemüter. Befürworter und Gegner lagen sich heftig in den Haaren und gingen mit bösen Worten aufeinander los. Nicht immer blieben die Argumente dabei besonders sachlich. Solche Diskussionen werden oft so verbissen geführt, weil es nicht bloß um Architektur geht, sondern den Umgang mit den jüngeren Kapiteln Deutscher Geschichte und den Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg. Auch in Nürnberg wird wegen dem Wunsch nach der Rekonstruktion eines im Krieg zerstörten architektonischen Kleinods gezankt: dem Pellerhaus. Der Verein Altstadtfreunde möchte den sanierungsbedürftigen Neubau aus dem Jahr 1957 gerne loswerden. Schon seit geraumer Zeit werben seine Mitglieder dafür, ihn abzubrechen und mit einer Rekonstruktion des Vorgängerbaus zu ersetzten. Jetzt machen die Gegner dieser Idee – vor allem der Bund Deutscher Architekten (BDA) und der Verein BauLust – mit einer Initiative gegen die Pläne mobil. Auch die Fakultät für Architektur der Technischen Hochschule Nürnberg beteiligt sich. Und auch die Altstadtfreunde legen nach. Sie planen die temporäre Verhüllung des Baus. Zwei Monate lang soll auf einem großen Plakat, das vor das Haus gehängt würde, die historische Fassade zu sehen sein.

Zankapfel

1605 ließ der reiche Kaufmann Martin Peller nach den Plänen von Jakob Wolff dem Älteren ein prachtvolles Haus am Egidienberg errichten. Der Bau im Renaissance-Stil sollte seine Macht und seinen Reichtum demonstrieren. Am 3. Oktober 1944 wurde er bei einem Bombenangriff beschädigt. Im Januar 1945 brannte die Ruine nach einer erneuten schweren Attacke aus und stützte teilweise ein. Nach dem Krieg entschied man sich für einen Neubau, der die noch intakten Gebäudeteile in sich aufnehmen sollte. Fritz und Walter Mayer gewannen den Architekturwettbewerb, und 1957 konnte das neue Haus bezogen werden. Ihr Bau gilt heute gemeinhin als Ikone der 1950er-Jahre-Architektur. Ihnen gelang es, ein überzeugendes Gewebe aus Alt und Neu zu stricken. Auch die charakteristisch geschwungenen Formen in den Treppenhäusern und der großartige Lesesaal mit seiner filigranen Konstruktion machten den Bau berühmt. 

Doch heute sind längst nicht alle von seiner Qualität überzeugt. Die Fassade des Innenhofs wird auf Betreiben der Altstadtfreunde bereits seit Oktober 2008 rekonstruiert. Über 4,5 Millionen Euro an Spendengeldern wurden dafür bis heute gesammelt. Dass grobe Betonmauern dafür neu eingezogen wurden, welche die Proportionen des schönen Lesesaals kompromittieren, stört den Verein nicht. Er trommelt ausdauernd weiter für die Wiederherstellung des ganzen Baus nach historischem Vorbild.

Der Lesesaal ist einer der architektonischen Höhepunkte des denkmalgeschützen Baus. (Bild: Anastasia Hermann)
Erinnerung – nein, danke

Heute erzählt das Pellerhaus seine wechselvolle Geschichte. Schwer nachvollziehbar, dass die Befürworter einer Rekonstruktion sich mit der originalgetreuen Wiederherstellung der Hoffassade nicht zufrieden geben möchten, und das Haus in seiner jetzigen Form rundweg ablehnen. Argumente bringen sie dafür mehrere vor. Immer wieder sprechen sie von Identität und Stadtbild, äußern sich aber auch wenig wertschätzend über die Architektur aus den 1950er-Jahren. Diese sei der Qualität des Quartiers abträglich, finden sie. Einen üblen Beigeschmack hat, dass ihnen geschichtliche Zeugnisse, die schmerzvolle Erinnerungen an den Krieg wachhalten, offenbar nicht willkommen sind. Lieber soll ein Fake die Risse kitten. 

Was soll mit der Initiative erreicht werden?

Nachdem der BDA, der Verein BauLust und weitere Mitstreiter bereits vielfach gegen die Rekonstruktionspläne Stellung bezogen und auch den Wiederaufbau des Innenhofs ablehnten, haben sie sich nun erneut positioniert. Sie möchten erreichen, dass ein tragfähiges Sanierungs- und Nutzungskonzept erarbeitet wird, das auch den Stadtraum des Egidienbergs einbezieht. 

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