Bildstrecke: Die Gewinnerprojekte des Berliner BDA-Preises

Elias Baumgarten
27. November 2024
Einen von drei ersten Preisen erhielt das Büro sophie & hans für sein Café Leo. Der filigrane Holzbau soll eine Anlaufstelle für die Menschen im sozialen Brennpunkt Wedding sein. Mit einem rosa getönten Lärchenholzkleid fröhlich-optimistisch gestaltet, steht er im Kontrast zu seiner rauen Umgebung – und blieb vielleicht gerade deshalb bisher von Vandalismus verschont. (Foto: © Bryn Donkersloot)

Eine tief gespaltene Gesellschaft, Verarmung, Mieten, die für die wenigsten bezahlbar sind, hohe soziale Spannungen, kaum noch Vertrauen in Politik und Staat – vermeintlich kein guter Nährboden für qualitätsvolle Architektur. Und doch entstehen in Berlin hervorragende, sozial und ökologisch nachhaltige Bauprojekte – von ganz kleinen Interventionen über große Wohnanlagen bis hin zu Kulturkomplexen und Schulen. Dabei lassen sich Architektinnen und Architekten aus dem In- und Ausland auch von der hohen Inflation, der Bodenspekulation, starren Bauregeln und einer zuweilen unzureichenden Förderungspolitik nicht aufhalten, sondern finden mit engagierten Bauherrschaften immer wieder kreative Lösungen.

Das beweisen die Gewinnerprojekte des diesjährigen Berliner BDA-Preises. 114 Bauwerke waren eingereicht worden, drei erste Ränge hat die Jury vergeben. Drei weitere Bauten erhielten je eine Auszeichnung, und auch ein Sonderpreis wurde vergeben. In einem Voting mit hoher Beteiligung stimmten die Berlinerinnen und Berliner außerdem über den Publikumspreis ab. Einen Überblick gibt diese Bildstrecke.

Der Leopoldplatz, liebevoll »Leo« genannt, ist das Herz des Arbeiterbezirks Wedding. Doch leider ist der Platz auch ein sozialer Brennpunkt: Alkoholmissbrauch, Drogenkonsum und Gewalt beeinträchtigen die Aufenthaltsqualität sehr. Entgegenwirken soll dem das Café Leo der gemeinnützigen Organisation Wendepunkt. Die Menschen können dort nicht nur Kaffee, ein Mittagessen und Snacks kaufen, sondern erhalten auch Unterstützung und Familienhilfe. (Foto: © Bryn Donkersloot)
Die Konstruktion des Holzbaus besteht aus schlanken Stützen und gekreuzten Rippen. Bei Bedarf können vor den großen Fenstern Faltläden geschlossen werden. (Foto: © Bryn Donkersloot)
Ein weiterer erster Preis ging an das Ensemble der Schöpflin Stiftung in Neukölln. Die Anlage besteht aus zwei markanten Neubauten an der Hermannstraße: dem Haus der Spore Initiative, die sich für biokulturelle Vielfalt einsetzt, und dem Bau des Netzwerks Publix, das für investigativen, freien Journalismus eintritt. Im Spore Haus sind Ausstellungsflächen, ein Auditorium, Büros, eine Bibliothek, Ateliers, Gemeinschaftsräume und Künstlerwohnungen untergebracht. Im Publix Haus befinden sich neben einem Café Arbeits- und Gemeinschaftsräume, Aufnahmestudios und weitere Übernachtungsmöglichkeiten. (Foto: © Tjark-Spille)
Das Foyer wird von einer beeindruckenden Betonrippendecke überspannt. Während in den öffentlichen Bereichen rohe Materialien prägend sind, wurden die Obergeschosse mit Eichenholz wohnlich gestaltet. (Foto: © Tjark-Spille)
Historische Fragmente wie das Portal des benachbarten Friedhofs und ein Leuchtfeuermast des nahen Flughafens Tempelhof haben AFF Architekten in die Anlage integriert. Städtebaulich vermittelt der Kulturkomplex zwischen geschlossenen Blockrändern und Grünräumen entlang der Hermannstraße. (Foto: © Tjark-Spille)
Der dritte erste Preis ging an DMSW Architekten, die in Neukölln ein Haus für ein vermeintlich unbebaubares Restgrundstück zwischen Karl-Marx-Straße und Thomashöhe maßgeschneidert haben. Um Kosten zu sparen, erhielt der Bau helles Sichtmauerwerk statt einer Betonfassade – schlussendlich auch ästhetisch ein Gewinn. (Foto: © Jan Bitter)
Im Erdgeschoss des monolithischen Gebäudes entstand ein hoher Atelierraum, der sich zum Gartenhof öffnet. Dabei machten sich die Architekten einen Geländesprung zunutze. (Foto: © Jan Bitter)
Die Wohnungen sind in Ost-West-Richtung durchgesteckt. Die Schlafräume orientieren sich zum ruhigen Hof, die Wohnküchen zur Straße. (Foto: © Jan Bitter)
Ein Sonderpreis ging an die b+ Prototypenwerkstatt für das Umbauprojekt San Gimignano Lichtenberg. Der 42 Meter hohe Siloturm des einstigen VEB Elektrokohle Lichtenberg wurde zur Maisonette mit nur zwei ausgebauten Ebenen umgestaltet. Durch den minimalistischen Eingriff konnte geltendes Baurecht umschifft werden und das Architekturrelikt aus DDR-Zeiten musste nicht mit zusätzlicher technischer Ausrüstung versehen werden. (Foto: © Erica-Overmeer)
Nach der Wiedervereinigung wurden viele Bauten der ehemaligen DDR nicht mehr genutzt oder sogar abgebrochen, obwohl sie noch intakt waren. Auch der 1969 als erster Vergnügungspark der DDR gebaute Spreepark lag nach dem Fall der Mauer jahrzehntelang brach. 2014 kaufte der Berliner Immobilienfonds das Gelände mit der Idee, es in einen Ort der Kunst und der Kultur zu verwandeln. modulorbeat erhielten den Auftrag, die Reste der Mero-Halle – das ehemalige Schnellrestaurant im Park – neu zu bespielen. Sie strichen das Tragwerk mit blauer Korrosionsschutzfarbe, stellten Sitzbänke auf, montierten Vordächer und brachten Vorhänge an. Dafür verlieh die Jury eine Auszeichnung. (Foto: © Jan Kampshoff)
Eine weitere Auszeichnung erhielt das Wiener Büro PPAG für die Compartmentschule an der Allee der Kosmonauten. Bei diesem Schulhaustyp ersetzen kleinere, flexibel nutzbare Bereiche das klassische System aus Klassenzimmern und Fluren. PPAG gelang die Umsetzung im großen Maßstab: Ihre Anlage nimmt eine Integrierte Sekundarschule (ISS) und ein Gymnasium auf, insgesamt 1600 Schülerinnen und Schülern lernen dort. Aula und Sporthallen werden von allen gemeinsam genutzt, für den Unterricht stehen zwei Compartments zur Verfügung. Sie sind jeweils um ein Forum organisiert, über das alle Räume erschlossen werden. Unterrichtet wird dort klassenübergreifend. (Foto: © Jan Bitter)
Die dritte Auszeichnung schließlich bekamen Zanderroth Architekten für das Wohnbauprojekt th62. Die sechs Stadthäuser in der Thulestraße mit Loggien und Balkonen fassen offene Gartenhöfe, deren Spielplätze auch von Kindern aus der Nachbarschaft benutzt werden. Das Projekt zeigt auch die Limiten des Berliner Wohnungsbaus auf: Der Vorschlag der zunächst als Entwickler auftretenden Architekten, 20 Sozialwohnungen im Gegenzug für eine zügige Genehmigung vorzusehen, wurde vom Bezirk abgelehnt. Als die Grundstückspreise dann dramatisch stiegen, wurde der Kaufvertrag neu verhandelt. Zanderroth Architekten verloren ihre Rolle als Entwickler, und die neue Eigentümerin kürzte das Budget für die Außenräume um 2 Millionen Euro. (Foto: © Simon Menges)
Die Publikumsabstimmung gewannen roedig . schop architekten mit ihrem Projekt Lebensort Vielfalt am Südkreuz. Der L-förmige Bau beherbergt eine Schwulenberatung, eine Kindertagesstätte, einen Kiezraum, ein Bistro und eine Beschäftigungstagesstätte, aber auch Wohnungen. (Foto: © Stefan Müller)
Die zweitmeisten Stimmen entfielen auf das Bildungs- und Kulturzentrum Peter Edel von KNY & WEBER ARCHITEKTEN. Die Berliner Gestalter hatten den in der Vergangenheit mehrfach überformten Kulturbau im Auftrag des Kommunalen Bildungswerks saniert und vergrößert. (Foto: © Gerhard Zwickert)
Das Podium des Votings komplettiert das Büro dan pearlman Erlebnisarchitektur mit der extravaganten Nashorn-Pagode im Berliner Zoo. Den 25 Meter hohen Bau aus 68 Betonelementen bewohnen bedrohte Panzernashörner, Tapire und Pustelschweine. (Foto: © Zoo Berlin)

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