Alternatives Nomadentum

Ulf Meyer
22. Mai 2019
Das FlowerHouse nimmt Kurs auf die Lagunenstadt (Bild: Mathias Richter)

Während die deutschen Beiträge zu den Architektur-Biennalen in Venedig oft unter „ferner liefen…“ abgebucht werden müssen, ist es dieses Jahr auf der Kunst-Biennale einem Berliner Architekturbüro gelungen, positive Aufmerksamkeit mit einer mobilen Mini-Architektur zu erheischen. Das „Blütenhaus“ genannte nomadische Werk von Gorenflos Architekten stellte auf seinen Reisen durch die Gassen und über die Kanäle der Lagunenstadt und bei der Ausstellung im Palazzo Abrizzi interessante Thesen auf. Die Blüte oder Krone“, wie der Architekt Matthias Gorenflos seinen Entwurf nennt, bietet zusätzlich zur ikonografischen auch eine politische Ebene: Als „Haus eines Nomaden, Clochards oder Flüchtlings“ (Gorenflos) ist das Flower-House das Gegenteil einer demütigen Herberge. Es ist das mobile Haus eines nicht Sesshaften, das sich aufrichtet. „Es fehlt nicht nur die Demut, die der Sesshafte vom Nomaden erwartet, der Besitzende vom Habenichts, der Almosengeber vom -empfänger. Vielmehr stellt das Haus einen Gegenentwurf zur sesshaften Lebensform als solcher dar“, so Gorenflos weiter. Sein „utopischer Prototyp“ ist ein Experiment, das Fragen aufwirft. Wie werden wir wohnen, wenn das Leben mobiler wird? Mit welchem Gepäck werden wir durch die Welt ziehen?

Am Kai wird die Luft abgelassen. Auf dem Landweg geht es weiter. (Bild: Mathias Richter)

Die pneumatische Konstruktion steht auf einem Unterbau und lässt sich wie ein Koffer zusammenklappen. Über der elliptischen Grundfläche entfalten sich sechs luftgefüllte Blätter bis zu einer Höhe von 5 m. Diese Blüte lässt sich zu einer Knospe schließen. In zusammengeklapptem Zustand ist das Haus mobil. Es hat Räder und lässt sich von Hand bewegen. Die Fläche, die nachts ein Bett für zwei Personen ist, wird tagsüber zum Wohnraum. Die Öffnungen zwischen den Blütenblättern sind Türen und Fenster. Angesichts seines weißen Blütenwerks in einer Stadt, in der „alles im Fluß ist“, sinnierte Gorenflos sogar „über eine mögliche moderne Gesellschaft, die an die Zeit vor der Sesshaftigkeit anknüpft.“

Erster Standort auf dem Campo Santi Apostoli. Die Menschen haben sich erstaunlich schnell daran gewöhnt.  (Bild: Mathias Richter)
Ausstellung: Equilibrium

Im Palazzo Albrizzi-Capello – Associazione Culturale Italo-Tedesca – zeigen Künstler*innen und Wissenschaftler*innen ihre Projekte, die das zukünftige Leben im Gleichgewicht mit der Umwelt thematisieren. Die Schau dient als erste Phase für Wissenschaftsausstellungen, die Umweltprojekte international bekannt machen sollen.

Ort: Palazzo Albrizzi-Capello
Cannaregio, F.TA San Andrea 4118, 30121 Venezia
Galerieeröffnung 1.6.2019:
17.30 Uhr – Konzert „Il suono degli angeli” in der Kirche Santa Sofía, 
Strada Nova, 4193, 30121 Venezia VE, Italia
18.30 Uhr – Eröffnung im Palazzo Albrizzi-Capello
Ausstellung bis 1.8.2019, Dienstag bis Sonntag 10 – 13 und 15 – 18 Uhr

Die Fahrt geht über den Canale Grande in Richtung Cannaregio (Bild: Mathias Richter)

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