Zeitschichten im Einklang

Heinle, Wischer und Partner
26. Juli 2017
Blick von Westen entlang des Gebäudeensembles: Altbau (1898/1916), Neubau (2015), Mittelbau (1954) und Altneubau (1960). (Foto: Michael Moser)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Das Gebäudeensemble am Altstadtring wird in Zukunft das Hauptgebäude und „Gesicht“ der Hochschule Zittau/Görlitz sein. Besonders reizvoll war für uns an der Bauaufgabe, dass sich in diesem Haus drei Zeitschichten von der vorletzten Jahrhundertwende über die 1950er- bis zu den 1960er- Jahren treffen. Es galt die verschiedenen Architektursprachen zu verbinden, denkmalgerecht zu sanieren und für den Nutzer ein modernes und leistungsfähiges Hochschulgebäude zu schaffen.

Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Die Gemeinsamkeiten der drei Ensembleteile liegen in der Modernisierung von technischer Ausrüstung, energetischen Standards und Barrierefreiheit. In ihrer jeweiligen bauzeitlichen Atmosphäre finden sich aber Unterschiede. Beiden Aspekten wollten wir gerecht werden, weshalb wir in Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege besonders denkmalwerte Bereiche festgelegt haben, die als prägende Elemente für die jeweiligen Bauteile gelten können. Dies betraf alle Fassaden sowie die Treppenhäuser im Alt-, Mittel- und Altneubau. Ihre Sanierung und die Herausarbeitung ihrer besonderen Eigenschaften wurde auf der Basis restauratorischer Befunde und Aufmaße geplant und in allen Details mit den genehmigenden Behörden abgestimmt.

Blick ins Treppenauge des sogenannten Altneubau aus den 1960er Jahren (Foto: Michael Moser)
Treppenhalle des Altneubau. Es konnten die originalen Holz-Einbauvitrinen erhalten werden, die Farbigkeit der Wände und die Deckenlampen sind nach restauratorischen Befunden nachempfunden.
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Um die repräsentative Funktion des Hauses zu unterstreichen und die Verbindung der verschiedenen Bauteile zu verbessern, haben wir einen Erweiterungsbau mit einem großzügigen, zweigeschossigen Foyer angefügt. Für die Gestaltung seiner Fassade haben wir prägende Elemente des Bestandes – wie beispielsweise die regelmäßigen Lochfenster und die Putzfassade – aufgegriffen und neu interpretiert. Mit einer bronzefarbenen Gebäudefuge setzt sich der Verbindungsbau deutlich zum Altbau ab.

Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Wir haben bei diesem Projekt eine wirklich gute Zusammenarbeit mit dem Bauherren erlebt und einen Nutzer, der sich sehr auf sein neues Haus gefreut hat. Die Neustrukturierung des Gebäudes und die Einpassung der Funktionen (Lehre, Hochschulrechenzentrum, Verwaltung und Rektorat) geschah in Abstimmung mit dem Bauherren und der Hochschule, die damit die Chance zur Weiterentwicklung des Campus wahrnimmt.

Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Die ursprüngliche Aufgabenstellung des Auftraggebers sah eine Sanierung der bestehenden Häuser sowie des in den 1950er-Jahren gebauten, sogenannten Websaales vor. Der Zustand des Websaales war baulich und brandschutztechnisch jedoch so desolat, dass eine Sanierung wirtschaftlich nicht sinnvoll war. Aus diesem Grund haben wir den Abriss und den nun umgesetzten Neubau vorgeschlagen.
Das Bauen im Bestand folgt ansonsten seinen eigenen Gesetzen – entsprechend mussten wir die Planungen mehrmals an die Sanierungsfähigkeit und den Zustand der vorgefundenen Bausubstanz anpassen. Zusätzlich mussten restauratorische Befunde berücksichtigt werden, die erst im Laufe der Arbeiten bekannt waren.

Das helle Foyer im Neubau schafft eine barrierefreie Verbindung zwischen den Bauteilen. (Foto: Michael Moser)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Eine grundsätzliche Aufgabe des Projektes war es, in den sanierungsbedürftigen Gebäuden den Brandschutz zu ertüchtigen, eine behindertengerechte Erschließung zu ermöglichen und die Gebäude energetisch auf den aktuellen Stand zu bringen. Die sanierten Gebäude unterschreiten heute die relevante EnEV 2009 um circa 21%.
Die derzeitigen Rechtslagen und Erfordernisse zu erfüllen und dabei den Denkmalschutz mit zu berücksichtigen, verlangte an vielen Stellen Kreativität und Gespür für das Detail. So konnten die bauzeitlichen Stahlgeländer sowohl im Altbau von 1898 wie im Altneubau von 1960 durch einen absturzsichernden Obergurt ergänzt und damit erhalten werden.

Flur im Altbau - im Hintergrund das neue Foyer. (Foto: Michael Moser)
Lageplan (Zeichnung: Heinle, Wischer und Partner)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: Heinle, Wischer und Partner)
Visualisierung der Treppenhalle im Altneubau. Die historischen Wandfarben sind denkmalgerecht wieder hergestellt worden. (Visualisierung: Heinle, Wischer und Partner)
Originales Buntglasfenster im Treppenhaus im Altbau. Das erhaltene, schmiedeeiserne Geländer wurde um eine Obergurt ergänzt. (Zeichnung: Heinle, Wischer und Partner)
Hochschule Zittau/Görlitz, Sanierung, Umbau und Erweiterung Haus Z I
2017
Hochwaldstraße 2
02763 Zittau

Auftragsart
Vergabe nach VOF

Bauherrschaft
Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement, Niederlassung Bautzen

Architektur
Heinle, Wischer und Partner
Freie Architekten, Dresden
Team: Jens Krauße (verantwortlicher Partner), Julian Snethlage (Projekt- und Bauleitung Lph. 5-8), Steffen Thombansen (Projektleitung Lph. 2-4), Armin Pommerencke, Monique Schott, Timo Neumann, Anke Mierisch, Daniel Weiße, Brita Langhof

Fachplaner
Tragwerksplanung: BfB Büro für Baukonstruktion GmbH, Dresden

Ausführende Firmen
Rohbau: Rommel Dresden GmbH & Co KG, Dresden
Holzfenster: Tischlerei Berger GmbH & Co KG, Neusalza-Spremberg
Außenputz: Bauunternehmen Heidrich GmbH, Oberseifersdorf
Innentüren: E. Landgraf, Tischlermeister, Döbeln

Produkte/Hersteller
Bodenbelag: Linoleum Armstrong Building Products GmbH
Putzsysteme: maxit Baustoffwerke GmbH (Fassade), Baumit GmbH (Innen)
Türen: Forster Profilsysteme AG (Rohrrahmentüren ), Hörmann KG (Stahltüren)
Leuchten: LUCIS, s. r. o.
Schalter/Taster: Gira, Giersiepen GmbH & Co. KG

Energiestandard
EnEV 2009 (Unterschreitung um circa 21 %)

Bruttogeschossfläche
​12.536 m²

Gebäudevolumen
​53.294 m³

Gebäudekosten
12.880.000 €

Gesamtkosten
18.350.000 €

Fertigstellung
2017

Fotos
Michael Moser

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